„Made in Wolfenbüttel“
bis zum 27. März 2022/Schloss Museum (WF)
museumwolfenbuettel.de
Das Schloss Museum Wolfenbüttel widmet sich in seiner aktuellen Ausstellung „Made in Wolfenbüttel“ den Hidden Champions und Global Players der Lessingstadt vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Wolfenbüttel – zwischen Kopfsteinpflaster und Fachwerkhäusern trifft hier Kultur auf Kulinarik und Lessing auf Likör. Und obwohl die Stadt aufgrund ihres malerischen Flairs auf gewisse Weise verschlafen wirkt, strahlt ihr hellwacher Erfindergeist schon seit Jahrhunderten. Einen Streifzug durch diese Ideen- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt unternimmt nun das Schloss Museum Wolfenbüttel in seiner Sonderausstellung „Made in Wolfenbüttel“. Rund 200 Exponate und 17 Texttafeln erzählen bis zum 27. März 2022 Geschichten von erfolgreichen und auch gescheiterten Erfindungen, Produkten und Werken, die in den vergangenen 500 Jahren in der Stadt Wolfenbüttel entstanden und zum Teil weltweit einmalig geworden sind.
Weltweites Qualitätssiegel
Die ältesten und kostbarsten Objekte der „Made in Wolfenbüttel“-Ausstellung stammen aus dem 16. Jahrhundert. Eine Zeit, in der die Stadt komplett autark war und alles, was man zum Leben benötigte, vor Ort produziert wurde. Basierend auf dieser Tatsache fragte sich deshalb das Team um Museumsleiterin Dr. Sandra Donner, inwieweit das auch noch im Heute möglich sei. Was bietet die Region? Und wie versorgen wir uns selbst – gerade in Hinblick auf Krisenphasen?
Die Entdeckungsreise im Schloss Museum beginnt deshalb tatsächlich mit einem der modernsten Exponate. In einem prachtvollen Raum, in dem sonst eine barocke Tafel prunkt, steht derzeit ein Modell des sogenannten Yellow Camps – ein Zelt, das via Flugzeug gezielt über Katastrophengebieten abgeworfen werden kann, um hilfsbedürftigen Menschen Obhut, Nahrungsmittel, Kleidung und Werkzeug für mindestens 14 Tage zu bieten. Erdacht wurde das innovative Projekt von Unternehmer und Erfinder Matthias Roßberg.
Eine originelle Idee hatte auch die Firma Ecklebe in den 50er-Jahren mit ihrem Verwandlungstisch. Denn das Möbelstück mit integriertem Eiswürfelfach und Schachbrettplatte passte sich ideal an die neuen kleineren Wohnverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg an. „Dieser Ausstellungstisch steht tatsächlich noch als Wohnzimmertisch bei einer Familie aus der Region“, verrät Museumsleiterin Dr. Sandra Donner.
Natürlich dürfen bei einer Ausstellung mit dem Titel „Made in Wolfenbüttel“ auch zwei gigantische Berühmtheiten nicht fehlen: Lessing und Jägermeister. „Wenn man Menschen nach Wolfenbüttel fragt, kommen vielleicht erst diese beiden Namen. Das ist eigentlich auch eine ganz schöne Sache, denn in dieser Bandbreite bewegt sich auch die Ausstellung“, meint die Historikerin.
So ist Dichter und Denker Gotthold Ephraim Lessing beispielsweise mit seiner Ringparabel aus „Nathan der Weise“ vertreten, die von der Lessing-Akademie in 41 Sprachen übersetzt wurde und im Schloss Museum eingesehen werden kann.
Der niedersächsische Kräuterlikör Jägermeister hingegen wird bei „Made in Wolfenbüttel“ nicht nur durch eine der ältesten Flaschen des Konzerns präsentiert, sondern auch durch alte Werbespots, die zeigen, wie sich das Zielpublikum des Global Players über die Jahre verändert hat. „Früher war es doch eher der gesetzte Jäger mit Hornbrille und heute ist man in der hippen Bar in New York“, erklärt Dr. Donner. Doch nicht jede Idee schreibt Erfolgsgeschichte. Im 19. Jahrhundert erfand der damalige Stadtphysikus Dr. Bücking den Aderlassschnäpper – ein kleines Gerät, das gezielt in eine Ader stechen kann und damit verhindert, dass die Haut drumherum verletzt wird. „Das ist eben auch, was wir in dieser Ausstellung zeigen wollen: Etwa 90 Prozent der Ideen scheitern oder konnten erst gar nicht in die Realität umgesetzt werden. Aber es bringt die Welt trotzdem weiter“, erläutert die Museumsleiterin beim Ausstellungs-Rundgang.
Wolfenbüttel von morgen
Schon immer herrschte in Wolfenbüttel ein großer Ideenreichtum, der im 21. Jahrhundert insbesondere durch den Gründer:innen-Zeitgeist auf ein neues Level gebracht wird. Ein gutes Beispiel für ein gelungenes Start-up aus der Lessingstadt ist das Unternehmen Pan Acoustics, das seit fast 20 Jahren mit neuartigen Beschallungssystemen und digitalen Audiolösungen erfolgreich Geschäfte macht. Die modernen High-tech-Lautsprecher werden insbesondere dort eingesetzt, wo akustisch herausfordernde Bedingungen herrschen, weiß Stella Gilfert, Wissenschaftliche Volontärin im Schloss Museum: „Man kennt das Phänomen vom Bahnhof. Es kommt eine Durchsage und man hört sie zehn Mal, weil sie sich überlappt und dadurch versteht man gar nichts.“ Da kommen die revolutionären Lautsprecher von Pan Acoustics ins Spiel, die den Schall gezielt so ausrichten, dass er auch nur dort ankommt, wo er gehört werden soll. „Made in Wolfenbüttel“ zeigt einige dieser High-tech-Klanggeber – darunter unter anderem ein äußerst luxuriöser Lautsprecher aus 24 Karat Gold, den ein Kunde aus Saudi Arabien veredeln ließ und Firmengründer Udo Borgmann zum Gastgeschenk machte. Generell gilt Borgmann als Start-up-Pionier der Region. Sein Unternehmen ist inzwischen ein Global Player. „Diese großen Erfolge, die man vielleicht gar nicht so ganz wahrnimmt, haben uns bei der Recherche schon überrascht“, offenbart Museumsleiterin Dr. Sandra Donner.
Die Lessingstadt wandelt sich zum Wolfenvalley: So begleitet beispielsweise das Entrepreneurship Hub, eine Einrichtung der Ostfalia und TU Braunschweig, gründungsinteressierte Studierende auf ihrem Weg von der Unternehmensidee zur Umsetzung – und nun auch in das Schloss Museum Wolfenbüttel. „Für viele Firmen war das Ausstellen in einem Museum Neuland. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, wie schön die Zusammenarbeit ist. Hier sieht man Produkte, die in Wolfenbüttel produziert wurden“, freut sich Dr. Sandra Donner.
Bei „Made in Wolfenbüttel“ kommen darüber hinaus auch einige der Unternehmer:innen zu Wort, die normalerweise nur ihre Produkte für sich sprechen lassen. In einem exklusiven 15-minütigen Interviewfilm, den es nur im Museum zu sehen gibt, erzählen unter anderem Florian Rehm und Walter Sandvoss für die Firma Jägermeister, Georg Weber für MKN und Carsten Richter für die Altstadtbäckerei Richter, was sie mit „Made in Wolfenbüttel“ verbinden.
Diese Menschen und ihre Ideen haben die Wolfenbütteler Stadtgeschichte mitgeschrieben. Der Erfindergeist wird auch zukünftig weiter durch die Gassen strömen, denn schon jetzt tragen viele helle Köpfe das Qualitätssiegel „Made in Wolfenbüttel“ weiter.
Fotos Benyamin Bahri, Stadt Wolfenbüttel