Die Leidenschaft von Heike und Stefan Risthaus könnte offensichtlicher nicht sein. Das Ehepaar aus Wolfsburg erfindet, sammelt und spielt Spiele. Mit ihrem Verlag Ostia Spiele veröffentlichen sie sie sogar. Wir haben mit den beiden im Amsel Kaffee geplaudert.
Beginnen wir mit der offensichtlichsten Frage: Wie kommt man dazu Spiele zu erfinden?
Stefan Wir haben schon früher mit Studienfreunden immer viel gespielt, gerade nachdem „Die Siedler von Catan“ rauskam und haben uns dann immer intensiver mit dem System beschäftigt und auch eigene Ideen entwickelt. Die Initialzündung war dann ein Catan-Wettbewerb bei dem man Szenarien einsenden konnte, die in einem Buch veröffentlicht werden sollten. Als unsere Ideen dann tatsächlich aufgenommen wurden, merkten wir, dass wir da an etwas arbeiten das auch anderen gefällt und fingen an, eigene Ideen zu verfolgen.
Heike Wir haben auch schon zu Schulzeiten – dann noch unabhängig voneinander – bereits kleine Ideen entwickelt. Das war natürlich noch nicht verlagstauglich oder so aber doch ein Anfang.
Spielen sie heute immer noch gerne „Catan“?
Heike Die Flut an tollen Neuheiten verhindert oft, dass „Catan“ noch auf den Tisch kommt, aber ich bin insofern noch sehr leidenschaftlich, als ich, so es denn stattfindet, das „Catan“-Wochenende besuche. Das ist dann aber leider häufig das einzige Mal im Jahr, an dem ich noch „Catan“ spiele. Aber es bleibt natürlich ein Klassiker. Die Schüler der Spiele-AG an meiner Schule spielen es immer noch mit großer Leidenschaft.
Stefan Und neulich im Urlaub wurde auf dem Schiff ein „Catan“-Nachmittag angeboten. Da habe wir es auch mal wieder gespielt. Mit den Leuten die wir dort kennengelernt haben, haben wir dann aber später doch eher wieder die „verlockenden Neuheiten“ gespielt.
Was hat sie bewogen selber einen Verlag zu gründen?
Stefan Das war eher ein schleichender Prozess. Wir hatten ja als Autoren schon bei anderen Verlagen Spiele platziert aber haben gemerkt, dass es schwierig ist in der Neuheitenflut länger im Gespräch zu bleiben. Also fingen wir an, zu unseren Spielen Erweiterungskarten unter unserem eigenen Logo zu produzieren als die Verlage kein Interesse daran hatten. Dann kam noch die Idee dazu, Heikes „Blindes Huhn“ noch mal neu aufzulegen. Wir nahmen Kontakt zu einer Grafikerin auf und dachten, wir versuchen das jetzt mal. Damals war auch Malte Meinecke noch dabei, der hatte auch noch einige Ideen und konnte sich vorstellen die im Eigenverlag zu veröffentlichen. Da haben wir 2015 so richtig angefangen. Vorher war es ja eher so ein kleines Hobby mit wenig Produktionsaufwand.
Wie geht die Arbeit an einem Spiel dann weiter vonstatten? Wie wird ein Prototyp zum Produkt?
Heike Es ist unterschiedlich. Bei manchen Dingen geht es relativ fix aber bei anderen dauert es länger, bis man es „kantenfrei“ hat. Wir haben ja auch viele Testspieler die mit uns daran arbeiten.
Stefan Es beginnt natürlich mit einer Idee zu der man dann irgendwelche Karten oder Ähnliches bastelt. Ganz rudimentär, bloß Zahlen in die Ecken und verschiedene Farben oder so. Und wenn man dann mit den Testrunden soweit durch ist, geht es in die redaktionelle Phase: In welche Ecke kommen die Zahlen? Wie unterscheidbar sind die Symbole? Sind die Farben unterschiedlich genug? Dann werden Detailregeln formuliert, die natürlich für alle gut verständlich sein müssen und nicht nur für uns, die den ganzen Hinterkopf damit voll haben. Da hilft uns Stefan Malz aus Vechelde sehr häufig. Er ist selbst Spieleautor und kennt sich entsprechend mit den Notwendigkeiten, auch grafischer Natur, aus. Da sind wir sehr dankbar.
Heike So haben wir es auch schon immer gemacht. Jemandem das Spiel einfach so in die Hand drücken und zu fragen „Kommt ihr mit der Regel klar?“. Wenn es dann mit Anmerkungen zurückkommt, wissen wir wo wir noch nachfeilen müssen. Es ist unheimlich wichtig, viele Meinungen zu erfragen. Nicht nur in den Testrunden sondern auch in solchen Dingen.
Stefan Das war während Corona leider schwierig, weil man nicht einfach auf ein Spielewochenende fahren konnte um da verschiedene neue Leute anzutriggern zum testspielen. Aber das konnten wir digital ganz gut auffangen. Da gab es dann ja einige Möglichkeiten.
Heike Ganz wichtig ist aber auch, dass die Leute ehrlich sind. Mit einem „Das ist alles total suuuper“ können wir dann leider wenig anfangen.
Stefan Wenn wir dann zufrieden sind, geht es schon ans Grafische. Das macht bei uns häufig der Christian Fiore. Der ist selber Spieleautor und Spieler und weiß dann schon sehr gut worauf geachtet werden muss. Und danach werden zur Kostenkalkulation Anfragen bei verschiedenen Herstellern gestellt. Da gibt es in Deutschland im wesentlichen drei oder vier. Wir möchten möglichst nicht im Ausland produzieren. Neben den sprachlichen Hürden ist da einfach der ökologische Aspekt extrem wichtig. Und die Lieferkosten machen dann die Produktionsersparnis ohnehin wieder zunichte.
„One Card Wonder“ ist das erste Spiel in ihrem Verlag das aus externer Feder stammt. Wie kam es dazu?
Stefan Wie man an meinen Spielen sehen kann, spiele ich gerne Spiele mit historischem Thema. Dadurch bin ich damals bei Kickstarter auf „One Card Wonder“ gestoßen und habe es unterstützt. Nach ein paar Partien fanden wir es toll und fragten uns: „Warum gibt es das eigentlich nicht auf Deutsch?“ Wir haben jetzt beide kein Problem mit Englisch, aber bei viel Kartentext kann es sich dann schon manchmal nach Arbeit anfühlen. Also haben wir einfach mal angefragt ob eine deutsche Ausgabe in Planung wäre. Dem war nicht so, also haben wir das Ganze durchgerechnet. Und da wir in diesem Jahr ohnehin kein fertiges eigenes Spiel hatten, gibt es nun die deutsche Version von uns.
Ich nehme an, ihr Verlagssortiment lagert nicht komplett bei ihnen in Keller und Garage. Wie landen sie in den Geschäften?
Stefan Es gibt einen, quasi als Genossenschaft organisierten, Großhändler bei dem sich viele Kleinverlage zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Lager zu betreiben. Dort können die Einzelhändler dann ihre Bestellungen aufgeben.
Nach fast drei Jahren Pandemie inklusive Kontaktbeschränkungen: Wie wichtig sind Gesellschaftsspiele als soziales Ereignis. Waren digitale Plattformen ein adäquater Ersatz?
Heike Für mich überhaupt nicht. Ich habe in der Zeit dann wirklich nicht gespielt. Ich möchte zusammen an einem Tisch sitzen.
Stefan Für mich hat es zwei Aspekte. Es ist ein guter Ersatz. Aber auch wirklich nur das: Ein Ersatz. Es bietet natürlich neue Möglichkeiten: z.B. Spielerunden die räumlich weit auseinander liegen. Und für Testrunden ist es natürlich praktisch. Änderungen am Material müssen dann nicht mit Kleber und Schere gemacht werden. Aber die soziale Komponente ist einfach nicht zu ersetzen.
Vor allem durch ihre Vielspielerspiele „Arkwright“ und „Gentes“ sind sie zumindest unter Spielekennern durchaus weltberühmt. Wie fühlt sich das an?
Stefan (lacht) Das ist eine nachträgliche, sehr schöne Bestätigung. Aber es ist jetzt nicht mein Ansporn.
„Level X“, der Vorgänger ihres „Mountain Goats“ (Rezension auf S. 23) stand 2010 auf der Empfehlungsliste „Spiel des Jahres“. Wie groß ist der Traum eines Tages den tatsächlichen Preis zu gewinnen?
Heike Das wäre natürlich toll. So als Ritterschlag. Aber man arbeitet nicht darauf hin.
Wieviele Spiele besitzen Sie (und wie groß ist der ungespielte „Pile of Shame“?)
Heike (lacht) Ich muss gestehen, ich bin ja auch ein bisschen Jäger und Sammler. Wir sind inzwischen irgendwo zwischen 4.500 und 5.000.
Stefan Der „Pile of Shame“ ist leider viel zu groß. Es gibt Spiele die wir vor fünf Jahren gekauft haben und es immer noch nicht geschafft haben sie zu spielen.
Mit welcher Farbe spielen Sie bevorzugt?
Heike Blau!
Stefan Nicht blau. (lacht)
Fotos Lars Wilhelm