Wir lieben das Leben!

Die Punkband Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern engagiert sich seit fast zwei Jahrzehnten gegen Rassismus, Diskriminierung und Homophobie.

Doch gegen die Gruppe sind anonyme Vorwürfe von Sexismus und sexualisierter Gewalt vorgebracht worden. Über die Anschuldigungen sprach Olaf Neumann mit Sänger Jan „Monchi“ Gorkow (35) und Blechbläser Max Bobzin (32) in Berlin. Aber auch über Todeslisten, abgefackelte Polizeiautos und das schnörkellose neue Album „Alles glänzt“. Musikalisches Alleinstellungsmerkmal ist die Trompete, die in sämtlichen Songs zum Einsatz kommt.

 

In „Kiddies im Block“ beschreibt ihr unverblümt die Situation von jungen Menschen in eurer Heimatregion. Warum ist jugendliche Perspektivlosigkeit eher ein guter Nährboden für Rechtsextremisten als für linke Politiker?
Monchi Ganz einfach: Weil Die Linke ganz oft lieber schlau quatscht als etwas zu machen. Die Faschos treffen häufig das Gefühl der Jugendlichen. Dass deren Aussagen vielfach verkürzt sind, ist eine andere Frage.
Max Die Rechten sind wie Rattenfänger und sagen den Jugendlichen, sie seien arm, weil die ganzen Flüchtlinge hierherkommen. Sie stellen Zusammenhänge falsch dar und bieten einfache Antworten auf komplexe Fragen. Die Linke hat da scheinbar gar keine alternative Perspektive, die sie den Leuten bieten kann. Das Video zu „Kiddies im Block“ haben wir in Schwerin auf dem Dreesch gedreht, einem der ärmsten Viertel in Deutschland. Es steht sinnbildlich für viele andere Viertel bundesweit. Wir spielen dort bald ein Gratiskonzert für die Leute vor Ort. Sollten an dem Abend nicht alle Interessierten in diesen Laden passen, spielen wir auch gerne zweimal. Das ist unser Versuch, in die Region etwas reinzugeben. Natürlich sind wir nicht die Heilsbringer, aber gerade in strukturschwachen Gebieten ist es enorm wichtig, Angebote für Jugendliche zu schaffen.

Was genau bewog euch dazu, sich ab einem bestimmten Zeitpunkt gegen Rechtsradikalität zu engagieren?
Monchi Würde ich in Kreuzberg leben, würde ich wahrscheinlich nicht viel gegen Faschos machen. Ich fühle mich auch nicht als Linker, sondern als Monchi, als Mensch. Faschomucke zu hören war damals in MV Normalität bei Jugendlichen. Irgendwann wurde mir bewusst, wie erbärmlich es ist, jemanden scheiße zu finden, weil er schwarz ist. Wir sind alle gleich scheiße. Wenn man sich bei uns gegen Faschos aussprach, dann hieß das auch was. Man galt dann als Antifa, wusste selbst aber gar nicht, was das bedeutete.
Max Bei uns in der Region gab es kein Herumkommen um die örtlichen Nazistrukturen. In jedem Fußballverein, in der Feuerwehr, im Straßenbild war das bestimmend. An jeder Schule gab es ein paar organisierte Nazis. Das hat uns natürlich geprägt. Wenn man dagegen aktiv vorging, landete man sofort im Fokus.
Monchi Das Problem ist, dass gewisse Regionen von staatlichen Stellen vergessen werden. Den Leuten dort braucht man nicht zu erzählen, dass sie die SPD wählen sollen. Aber die AfD ist auch nicht die richtige Antwort. Wir konzentrieren uns in erster Linie nicht auf das Dagegen, sondern auf das Dafür. Ich wohne schon mein Leben lang in Mecklenburg-Vorpommern, weil es dort auch ganz viele tolle Leute gibt. Für die machen wir unsere Release-Party und unser Festival in Jarmen. Wir sind bei weitem nicht die einzigen, die sich sozial engagieren.

Welche Konsequenzen hat es, wenn man als Künstler Stellung bezieht gegen Rechtsradikalismus?
Monchi In „Angst zu erfrieren“ heißt es: „Schau auf meine Fingernägel, dann weißt du, wie’s mir geht! … Im Suff wetten wir, wer auf mehr Todeslisten steht“. Das sind ja keine Dinge, die ich aus Zeitungen erfahren habe, sondern persönliche Erfahrungen. Ob das ein Lied über einen Seenotretter ist oder über die Kinder von meiner Exfreundin. Es gibt auch viele Leute in MV, die sich engagieren, auf die Fresse kriegen und heute hier nicht beim Interview sitzen. Aber eine Zeile wie „alle die halbwegs scheiße sind, erkennen jetzt mein Gesicht“ zeigt, dass das alles einen Preis hat. Ich kann längst nicht mehr anonym durch MV laufen. Und das ist ein abgefucktes Gefühl.

„Ich kann längst nicht mehr anonym durch MV laufen. Und das ist ein abgefucktes Gefühl.“

Würdest du es noch einmal so machen?
Monchi Mit dem Preis, der damit verbunden ist? Das kann ich nicht immer mit Ja beantworten.

Wie habt ihr erfahren, dass eure Namen auf rechten Todeslisten stehen?
Monchi Ich könnte dir ganze Aktenberge mit Morddrohungen in den Sozialen Medien ausdrucken. Eines unserer Konzerte in Chemnitz musste aufgrund einer Bombendrohung vorzeitig geräumt werden. Die Polizei nahm das sehr ernst. Hinter der Organisation Nordkreuz in MV stecken organisierte Rechtsextremisten aus Polizei, Bundeswehr oder staatlichen Behörden, die an Waffen ausgebildet sind. Die haben in MV 50.000 Schuss Munition entwendet und schon verkündet, wo sie engagierte Menschen standrechtlich erschießen wollen. Die werden den Namen „Monchi“ schon mal in den Mund genommen haben.

Wie geht ihr damit um?
Max Wir haben durch unsere Prägung gelernt: Wenn man Schwäche zulässt, wird man zum Gejagten. Es gab oft Situationen, wo ein selbstbewusstes Auftreten uns weitergebracht hat. Als Band können wir uns aufeinander verlassen bei aller Scheiße, die da drumherum passiert.
Monchi Wichtig ist, sich auf die geilen Leute zu konzentrieren. Ich laber nicht die ganze Zeit über Nazis, sondern lieber über den FC Hansa Rostock, geile Partys und das Am-Strand-Sein. Ich habe keinen Bock, ein verbitterter Hoschi zu werden, aber da, wo ich lebe, mache ich was. Es wird immer ein Auf und Ab geben, aber „nach grauen Tagen haben wir die Sonne immer anders angeseh’n“. Vicky Leandros würde sagen: Ich liebe das Leben!

Charly Hübners Dokumentarfilm »Wildes Herz« von 2017 über dein Engagement gegen rechtes Gedankengut in Ostdeutschland erhielt zahlreiche Preise. Hast du da gedacht, dass dein Engagement endlich ernst genommen wird?
Monchi Nee, das gab es schon vorher. Ich habe in dem Film ganz schön viel von mir preisgegeben. Das ist natürlich eine Angriffsfläche. In Travemünde sollte der Film vor Schulklassen gezeigt werden, aber aus dem Combat 18-Umfeld gab es eine Bombendrohung und Aufrufe, die Lehrer und Schüler zu ermorden. Klar kriegt man für sein Engagement auch Applaus, aber wir hätten es auch ohne solch einen Film getan. Wir sind eine Band, die Mucke machen und punktuell etwas bewegen will. Da ist es krass, wie viele zu unseren Konzerten kommen. Scheißegal, wenn es morgen vorbei ist. Hauptsache, wir haben gelebt!

Gegen dich sind vor einem Jahr Vorwürfe von Sexismus und sexualisierter Gewalt vorgebracht worden – und zwar auf der anonymen Website „Niemand muss Täter sein“. Ist es denkbar, dass diese Gerüchte gezielt von Rechtsradikalen lanciert werden, um der Band zu schaden?
Monchi Das war eine der ersten Sachen, die uns damals Presseleute gesagt haben. Wir wissen es aber nicht. Wir werden auch nicht öffentlich darüber spekulieren. Aber ich würde auf keinen Fall behaupten, dass dies von Nazis kommt.
Max Wir haben dazu keinen Bezug. Natürlich haben wir überlegt, was in den letzten Jahren gewesen ist. Es gibt aber nichts, was diese Vorwürfe auch nur im Ansatz rechtfertigt.

Was genau wird dir vorgeworfen?
Monchi Das kann man alles im Internet nachlesen. Die haben teilweise Zitate aus meinem eigenen Buch genommen. Ich werde deren Spiel aber nicht mitspielen und das jetzt widergeben. Die haben bewusst Lügen verbreitet: Ich hätte irgendwelche Leute verklagt oder Anzeigen gegen Betroffene gemacht. Digga, ich habe in meinem Leben noch keine Anzeige gemacht und auch niemanden verklagt! Es gab mehrfach Versuche, herauszukriegen, wer das ist, was sie wollen, worum es geht. Aber bis heute haben wir darauf keine Antwort bekommen. Man dreht sich da nur im Kreis. Deswegen war das neue Album „Alles glänzt“ für uns extrem wichtig. Es ist wie ein Lebenselixier. Wenn ich etwas gelernt habe, dann das das Internet der dümmste Ort der Welt ist. Wenn man sich zu sehr darauf konzentriert, wird es deinen Kopf zerficken.

Was wirst du tun, wenn sich doch noch eine konkrete Person mit Vorwürfen melden sollte?
Monchi Dann bin ich ansprechbar. Immer, wenn ich in meinem Leben Scheiße gebaut habe, habe ich mich gemeldet. Wir sind sofort in die Offensive gegangen und haben eine extern betriebene Mailadresse einrichten lassen. Es kam aber nie eine Nachricht bei uns an. Auch haben wir diese Seite und diese Awareness-Agentur mehrfach angeschrieben. Leider ohne Erfolg.

In der Band gab es ja eine Umbesetzung. Haben diese Gerüchte die Gruppe gespalten?
Monchi Nee, die beiden haben mehrere Monate vorher die Segel gestrichen. In dem ganzen Erfolgsrausch verlernt man manchmal, zu quatschen. Man liefert immer nur ab. Wir haben uns deshalb als Band und als Freunde verloren. Aber jetzt ist alles besser, in der Hinsicht, dass wir als Band auch menschlich wieder krass zusammengewachsen sind, streiten und an Musik, die wir lieben, arbeiten können.

Als Jugendlicher bewegtest du dich zunächst in Ultra-Kreisen mit „ehrenhaften“ Prügeleien ohne Messer. Wie siehst du das rückblickend?
Monchi Ich finde es immer peinlich, wenn Leute ihr früheres Leben verteufeln. Ich bin bis heute Hansa-Anhänger, aber kein Teil der Fan-Szene mehr. Ich hatte schon Stadionverbot und war zwei Jahre auf Bewährung, weil ich mit 19 bei einer Fußballrandale ein Polizeiauto abgefackelt habe. In Charley Hübners „Wildes Herz“ rede ich darüber, auch meine Eltern, die christlich geprägt und einfach „Normalos im besten Sinne“ sind. Aber sie standen immer zu mir, weshalb ich ihnen folgende Zeilen widmete: „Sollte ich mal Kinder haben, will ich so sein wie ihr / Ich find‘s scheiße, was du machst, aber ich steh‘ zu dir“. Diese Geschichte wird auf der neuen Platte weitergeführt: „Und wenn ich alles verlier’ / Die Asche von der Bullenkarre gehört jetzt mir“. Weil meine Eltern damals die Strafe von 23 000 Euro für mich bezahlten. Das hat mich immer mit Scham erfüllt. Aber vor zwei, drei Jahren konnte ich ihnen das Geld endlich zurücküberweisen.

„Die Polizei, dein Freund und Helfer“ – würdest du das so unterschreiben?
Monchi Ich bin keine 21 mehr und schon relativ viel rumgekommen. So war ich bereits mehrfach an der türkisch-syrischen Grenze oder in Israel/Palästina. Ich weiß, dass ein halbwegs funktionierender Rechtsstaat ein Privileg ist. Aber wenn ich an rechtsextreme Gruppen wie Nordkreuz denke – Polizisten, die Todeslisten von politischen Gegnern führen –, wird mir klar, dass nicht alle dein Freund und Helfer sind. 

Foto Erik Weiss

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Olaf Neumann

Geschrieben von Olaf Neumann

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