Erfolgsregisseur Dominik Moll zum Ausnahme-Krimi „In der Nacht des 12.“
Dominik Moll ist ein französischer Regisseur und Drehbuchautor, der 1962 als Sohn eines deutschen Vaters und einer französischen Mutter in Bühl in Baden-Württemberg geboren wird. Er wächst in Baden-Baden auf und studiert an der Filmhochschule in Paris. Mit seiner schwarzen Komödie „Harry meint es gut mit dir“ wird er im Jahr 2000 in den Wettbewerb von Cannes eingeladen. Fünf Jahre später präsentiert Moll in Cannes den Psychothriller „Lemming“ mit Charlotte Gainsbourg und Charlotte Rampling, gefolgt vom Thrilller „Black Heaven“. Im jüngsten Krimi „In der Nacht des 12.“ geht es um zwei Polizisten, die in einem mysteriösen Mord ermitteln. „Der stärkste französische Film des Jahres“ schwärmte „Le Figaro“. Mit Dominik Moll sprach für uns Dieter Oßwald.
Monsieur Moll, wie fühlt man sich als Macher des „stärksten französische Film des Jahres“, wie „Le Figaro“ Ihnen bescheinigte?
Man freut sich natürlich. Wobei der Artikel vom Sommer stammt, da konnte man noch nicht abschätzen, was noch so alles kommt. (Lacht) Lob in den Medien hilft einem Film, sein Publikum zu finden. Das war auch hier der Fall: Unser Krimi war in den französischen Kinos sehr erfolgreich.
Was halten Sie von den Vergleichen mit Krimis wie „Zodiac“ und „Sieben“ von David Fincher?
Zu „Sieben” sehe ich keinen Bezug, den Film mag ich offen gesagt auch nicht so besonders. Umso mehr schätze ich „Zodiac“, damit verglichen zu werden, gefällt mir ziemlich gut. Mich faszinieren Krimis, die ein bisschen anderes erzählt sind. Bei denen man am Schluss den Täter nicht findet.
„Die Brutalität dieses Mordes sollte im Kopf des Zuschauers stecken bleiben“
Ihr Film beginnt mit dem Hinweis, dass in Frankreich 20 Prozent aller Morde unaufgeklärt bleiben. Weshalb ist die Aufklärungsrate so gering? In Deutschland liegt sie bei immerhin 94 Prozent.
Ich weiß nicht, ob man daraus schließen muss, dass die deutsche Kripo besser arbeitet. Viel-leicht gibt es in Frankreich einfach mehr Morde als in Deutschland. Klar ist auf alle Fälle der Mangel an Personal bei der Polizei und vor allem der Kripo. Wenn ein Fall nicht sehr schnell gelöst wird, also innerhalb der ersten zwei Wochen, dann bleibt keine Zeit mehr für weitere Ermittlungen, weil bereits die nächsten Fälle warten. Und die Akte wandert nach unten im Stapel. Erst seit jüngster Zeit gibt es eine Spezialeinheit für solche „cold cases“, ungeklärte Fälle der Vergangenheit.
Dem Film liegt ein umfangreich recherchiertes Buch zugrunde. Zudem haben Sie auf einem Kommissariat in Grenoble die Polizeiarbeit begleitet. Weshalb der große Aufwand für einen Krimi?
Für mich ist es aufregend, Einblicke in eine Berufswelt zu bekommen, zu der man üblicherweise keinen Zugang hat. Zudem wollte ich einen Film machen, welcher der Polizeiarbeit bei der Kripo gerecht wird. In vielen Krimis gibt es Abkürzungen, da wird der Papierkram weggelassen, weil das als langweilig gilt. Aber genau das gehört eben auch dazu. Denn das kann eine Geschichte bereichern.
Was sagt die Polizei zu Ihrer Darstellung?
Wir hatten in Grenoble und Versailles eigens Vorstellungen für Polizisten organisiert. Danach wurde übereinstimmend gesagt, es sei das erste Mal, dass ein Film der Polizeiarbeit gerecht wird und die Dinge sehr realistisch erzählt.
Die Polizei wird im Kino nicht immer positiv dargestellt. Wie haben die Verantwortlichen auf das Projekt reagiert? Mit Skepsis oder Unterstützung?
Es gab durch einen Freund von mir den Kontakt zu einer Kommissarin in Nizza. Durch sie gelang die Verbindung zu ihrem Kollegen in Grenoble, der zum Glück sehr offen war gegenüber unserem Projekt. Er kannte meine vorherigen Filme und fand die Sache interessant – im Unterschied zu seinen Kollegen, die zunächst wenig begeistert davon waren, dass ihnen jemand über die Schulter schaut. Doch nach dem ersten gemeinsamen Vormittag war das Eis gebrochen.
Ihr Krimi beginnt mit einer erschütternden Szene. Wie weit kann man bei der Darstellung von Gewalt gehen?
Es gab im Vorfeld Diskussionen mit den Produzentinnen, die fragten: Brauchen wir das? Müssen wir das sehen? Kann man das nicht einfach weglassen? Mein Drehbuchautor und ich fanden es jedoch wichtig, diese Szene zu zeigen. Die Brutalität dieses Mordes sollte im Kopf des Zuschauers stecken bleiben, aber ohne dass wir schockieren wollten. Eine selbstgefällige oder voyeuristische Darstellung wollten wir vermeiden, weswegen etliche Aspekte stilisiert sind: Die Großaufnahme auf die Augen, auf das Feuerzeug. Schließlich eine Totale ohne Kamerabewegung und ohne direkten Ton.
Die Popularität des Kriminal-Genres ist enorm. Egal, wann man den Fernseher einschaltet, irgendwo läuft immer ein Krimi. Warum ist das Publikum so verrückt nach Verbrechen?
Vielleicht haben viele Zuschauer auch Lust, einmal etwas Verbotenes zu tun! (Lacht) Die Faszination von Krimis liegt sicher in der Angst, die sie erzeugen. Und die mit der Aufklärung eines Falles dann auch wieder verschwindet. Genau diese Beruhigung wollten wir mit unserem Krimi jedoch nicht bieten. Wir brechen die übliche Spielregel des Krimis: Mord am Anfang. Mörder am Schluss. Dadurch lässt sich der Werdegang des Ermittlers umso spannender darstellen.
Fotos Fanny de Gouville, Hautetcourt / Ascot Elite Entertainment