Neues Terrain für Heinz Strunk: Sein neues Buch richtet sich auch an Kinder.
Wer regelmäßig eine Buchhandlung aufsucht, wird dort höchstwahrscheinlich jedes Jahr ein neues Werk von Heinz Strunk entdecken. Die Ideen sprudeln aus dem Schriftsteller nur so heraus und füllen nicht bloß Buchseiten. Ob Theater, Film, Hörspiel, Musik oder ein lebensoptimierender Kalender – der Hamburger Künstler hat viele Talente und ist dabei sehr erfolgreich: Sein Roman „Ein Sommer in Niendorf“ landete letztes Jahr auf Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste. Der neueste Streich aus dem Hause Strunk: Ein Bilderbuch über verschiedene Käsesorten, die im Käsiland leben. Klingt nach dem gewohnten Wahnsinn und lässt einige Fragen aufkommen. Wir haben sie Heinz Strunk gestellt.
Ihr Bilderbuch, „Die Käsis“, ist einerseits sehr kindlich und verspielt, andererseits hat es auch einen politischen Kern – hatten Sie beim Schreiben eher Kinder oder ein erwachsenes Publikum im Kopf?
Ein politischer Kern, das ist für mich zu viel reininterpretiert. Es gibt ein paar kleine Verweise, die aber auch nicht so ernst gemeint sind.
Für mich ist es ein All-Age-Buch, also früher hätte man gesagt „von acht bis 88“. Ich hoffe, dass es sich wohltuend unterscheidet von den, oftmals in einem debilen, reduzierten Deutsch verfassten, Kinderbüchern. Da hat man immer solche Sätze: „Tina freut sich schon. Papi kommt gleich nach Hause. Ah guck mal, da kommt Papi durch das Gartentor.“
Das ist der Stil, in dem sehr viele Kinderbücher verfasst sind und ich wollte mal eine Alternative bieten, auch für Eltern, die sich zu Tode langweilen, wenn sie ihren Kindern solchen Quatsch vorlesen müssen. Deswegen richtet sich das Buch auch an Erwachsene, weil da sehr viele lustige originelle Neologismen und Wortschöpfungen drin sind, die man so noch nicht gehört hat und ich glaube, an einem Wort wie „Käsimatenten“ oder „Du hast nicht alle Käsiletten am Zaun“ können sich eigentlich alle dran erfreuen.
„Es geht mir nicht darum,neue Zielgruppen zu erschließen.“
Warum sprechen Sie nun auch Kinder an? Haben Sie die Idee schon länger?
Ja, die habe ich schon seit sechs oder sieben Jahren gehabt. Es geht mir jetzt wirklich nicht darum, irgendwelche neuen Zielgruppen zu erschließen, so denke ich gar nicht. Ich bin ja nun mal zur Hälfte Humorist und dann hatte ich diese Idee. Danach habe ich sehr lange nach der passenden Sprache gesucht bis ich die Geschichte geschrieben habe.
Es ist Ihr erstes illustriertes Buch. Wie lief die Zusammenarbeit mit den Künstlern? Gab es erst den Text oder die Bilder?
Nee, es gab natürlich erst meinen Text. Das ist ja meine Idee gewesen und dann habe ich irgendwann meinen alten Wegbegleiter Felix Schlüter von den Typeholics gefragt, wie er das findet und ob er da jemanden kennt. Er hat den vents137 im Auge gehabt – diese Graffiti-Szene ist international irgendwie vernetzt – und der hat ein paar Probezeichnungen gemacht, die fanden alle toll und dann hat er den Auftrag bekommen.
Haben Sie einen Lieblingscharakter in dem Buch?
Nö, kann ich nicht sagen. Die sind doch alle gleichermaßen süß und spleenig. Die beiden Hauptfiguren müssen natürlich ein bisschen rühren, um die geht’s ja. Das ist eine Vermenschlichung, die da stattfindet. Aber die anderen … Fürst Alzheim oder das popelnde Orakel oder Ali Baselfat oder Herr Gries und Frau Gram, die sind doch alle ganz liebenswert.
Die Käsis sind zwar ein „All-Age-Buch“, aber gibt es dennoch Unterschiede beim Schreiben im Vergleich zu reiner Erwachsenenliteratur?
Nee für mich nicht. Wenn ich Kinderbuchautor wäre, dann müsste man sich wahrscheinlich genau an die sprachlichen Gepflogenheiten anpassen, was ich unter gar keinen Umständen möchte, weil Sprache ist das Entscheidende bei mir. Es galt für mich, wenn ich schon sowas mache in der Art, dann soll das auch eine strunksche Sprache sein. Aber wird man ja sehen, ob Kinder das überhaupt lustig finden.
Ein weiteres Projekt, das im Herbst das Licht der Welt erblickt, ist Ihre Serie „Last Exit Schinkenstraße“ (erscheint auf Prime Video) – in welcher Rolle werden wir Sie dort sehen?
Marc Hosemann und ich spielen die Hauptrollen und wir spielen beide zwei abgehalfterte Tanzmusiker, ich Saxophon und Marc Trompete. Wir fliegen aus unserer Band, weil wir zu teuer geworden sind oder weil sich das nicht mehr lohnt mit Bläsern, und suchen nun verzweifelt nach einem neuen Engagement, finden das aber nicht. In unserer Not probieren wir unser Glück als – wie auch immer man das nennen will – Partyschlagersänger auf Mallorca.
„Eine Rosamunde-Pilcher-Welt finde ich echt uninteressant.“
Auch ein neues Buch mit Kurzgeschichten ist kürzlich erst erschienen, „Der gelbe Elefant“. Die Protagonisten darin führen meist ein ziemlich trauriges Leben. Was reizt Sie daran, über diese Menschen zu schreiben?
Tatsächlich ist es so, dass die meisten Menschen wirklich ein eher trauriges Leben führen. Das ist genauso wie, dass die Mehrheit der Menschen nicht schön ist. Ist eben so, dass die Mehrheit der Menschen kein rosarotes Zuckerwatte- und Instagram-Leben führt, sondern ziemlich das Gegenteil.
In der deutschen Gegenwartsliteratur finden diese Menschen viel zu wenig statt und ich habe mir für mich rausgesucht, dass ich dieses Feld jetzt beackere. Bücher oder auch Filme leben ja von Drama, von Tragik, von Brüchen, und so eine Rosamunde-Pilcher-Welt ist mir vollkommen fremd und die finde ich echt uninteressant.
Romane, Geschichten, Songtexte und noch mehr … Welches Schreiben macht Ihnen denn am meisten Spaß?
Es gibt eine Faustregel: Je kürzer, desto einfacher läuft das. Also ein Songtext – oder Gedicht wäre dann ja die Entsprechung – ist das Anspruchsloseste, weil es auch so schnell geht. Danach kommen die Kurzgeschichten. Das Anstrengendste und wirklich richtig kräftezehrend sind Romane, also wenn man literarisch schreibt. Wenn man Unterhaltung macht, dann ist es vielleicht was anderes, aber bei mir ist es dann doch schon literarisch und das ist immer ein richtiger Kraftakt.
Bis das mal fertig ist und bis das mal eine Form angenommen hat, die befriedigend ist, die stilistisch gut ist – das ist ein harter Fight.
Im kommenden Februar lesen Sie im Braunschweiger westand aus „Der gelbe Elefant“. Aber auch die Käsis oder Prime-Ballermann-Hits sind unter anderem dabei – eine ziemlich bunte Mischung also. Wie passen diese thematisch sehr unterschiedlichen Themen in einen Abend?
Die werden Kraft meiner Person zusammengehalten (lacht). Es ist ja wahrscheinlich auch nur einmal in meinem Leben, dass so eine Häufung an Veröffentlichungen in einem Jahr passiert. „Ein Sommer in Niendorf“ zum Beispiel, das war eine reine Lesung, und jetzt gibt’s halt eine Art Showprogramm. Das ist eine schöne Abwechslung. Ich kann das ja irgendwie auch, ich bin nun mal unter anderem Musiker und eben nicht nur jemand, der hinter dem Pult sitzt und eine Geschichte vorliest. Deswegen wäre das ja doof, das nicht zu nutzen. Also ich bin mir sicher, dass das funktionieren wird. Das sind natürlich schon total unterschiedliche Sachen, aber die Käsis oder der Kalender – das wird richtig schön groß auf die Leinwand projiziert und dann kann man sich an den tollen Bildern erfreuen.
Foto Dennis Dirksen