Geschichten über Identität, Liebe, Familie und Flucht: Das 36. Braunschweig International Film Festival macht vom 7. bis 13. November die vielen Facetten des Kinos erlebbar.
Schon seit einigen Wochen haben wir häppchenweise den Appetit auf das diesjährige Braunschweig International Film Festival angeregt und erste Einblicke in das satte Programm gewährt – von der Kooperation mit zwei ukrainischen Filmfestivals über neue Kurzfilmreihen hin zu zahlreichen Sonderveranstaltungen, die schon seit dem Sommer die Lust auf die Braunschweiger Festivalwoche im November befeuern. Nun sind es nur noch eine Handvoll Tage, bis das imposante Eröffnungskonzert in schönster Tradition die 36. Ausgabe des fairsten Filmfestivals Deutschlands einläutet und der Startschuss für eine Woche im Kinosessel fällt – denn obwohl auch mehr als 40 Filme online in der Festival-Mediathek verfügbar sind, gehören Filme auf eine große Leinwand, wie auch Vorstandsvorsitzender des Filmfest-Vereins Thorsten Rinke in der diesjährigen Pressekonferenz klarstellte.
Nachdem das Kino und die Filmfestivals in den vergangenen Jahren mit vielen Hindernissen zu kämpfen hatten, will insbesondere das Braunschweig International Film Festival seinen Festivalcharakter nun noch einmal mehr stärken und sein Publikum durch zahlreiche Special-
Events wieder zurück in die Säle holen. Deshalb stehen in diesem Jahr verschiedene Filmkonzerte und Screenings an unterschiedlichen Standorten an – so etwa das Stummfilmkonzert „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ im Scharoun Theater Wolfsburg oder die Live Cinema Performance „Drowned Paradise“ in der St. Michaeliskirche. Das große Eröffnungskonzert zum Stummfilm „Safety Last!“ mit Harold Lloyd wird dieses Jahr erstmalig im Astor Filmtheater stattfinden. Damit das große Staatsorchester dort Platz finden kann, wird in Saal 8 extra eine Sitzreihe ausgebaut.
Dieses unermüdliche Engagement, die besondere Leidenschaft zum Film und Festival wurde und wird belohnt: Im Sommer wurde das Braunschweig International Film Festival mit dem Fair Festival Award ausgezeichnet; in diesem Jahr werden zwei neue Preise verliehen und das Preisgeld steigt mit insgesamt 67 000 Euro auf einen Rekordwert. Rund 1100
Filme wurden für diese Ausgabe eingereicht und gesichtet, davon wurden 246 Kurz- und Langfilme ausgewählt, darunter 52 Premieren. Entsprechend freudig aufgeregt zeigte sich das Filmfest-Team im Oktober bei der Festival-Preview – Stand jetzt gelten keine speziellen Hygieneregeln für einen Kinobesuch und so steht einem fabelhaften Filmfestival nichts mehr im Wege.
Bunte Filmpalette
2022 werden zehn Preise verliehen – diese große Zahl spiegelt auch die vielfältigen Themenschwerpunkte wider, die das BIFF setzt. Es sind die Themen unserer Zeit, an denen wir auch im Kino nicht vorbeikommen: Feminismus, Nachhaltigkeit, Krieg, Widerstand, Liebe, Diversität und Identität. So komplex jene Themen auch sind, so vielseitig werden sie im Film behandelt – über jegliche Genreschubladen, Landesgrenzen und Normen hinweg. So erzählt etwa der Dokumentarfilm „My Imaginary Country“ von den feministischen Aufständen im Jahr 2020 in Chile und „Midwives“ begleitet zwei Frauen in Myanmar, die trotz unterschiedlichster ethnischer Hintergründe zusammenwachsen und gemeinsam zu mehr Solidarität aufrufen. Inspirierend ist auch „Mama Bears“, ein Kandidat für den neuen queeren Filmpreis ECHT, der US-amerikanische Mütter trotz ihres streng christlichen Glaubens im Kampf um die Rechte ihrer queeren Kinder porträtiert. Ein Highlight ist außerdem das französische Drama „Tropic of Violence“, das vom Adoptivkind Moses handelt, der sich ohne Familie in den Slums von Mayotte durchschlagen muss. Etwas leichtere Kost bietet etwa die Feelgood-Komödie „Full of Grace“, die mit herzlichem Humor erzählt, wie der Waisenjunge Valmiro Lopes zu einem großen Fußballstar avanciert. „Wir bringen eine gigantische Genrevielfalt auf die Leinwand!“, verkündete Programmdirektorin Karina Gauerhof beim Pressegespräch.
Insgesamt werden beim diesjährigen Filmfest rund 150 Gäst:innen in der Löwenstadt erwartet. Ehrengästin ist diesmal Schauspielgröße Senta Berger, die mit der EUROPA ausgezeichnet wird – dem Hauptpreis für eine herausragende darstellerische Leistung in der europäischen Filmkultur. Unter anderem wird auch Arthouse-Regisseur Peter Strickland vor Ort sein, aus dessen Werk fünf Spiel- und fünf Kurzfilme in der skurrilen Reihe „At Midnight“ gezeigt werden und die er persönlich präsentieren wird. Podiumsgespräche etwa zu den Themen „Queere Rollen im Film“, „Weibliches Empowerment in Ästhetik und Produktion“ oder „Greenwashing“ runden das bereichernde Film-
erlebnis ab und regen zum nachhaltigen Nachdenken an. So kann man auch noch vom Filmfest zehren, nachdem der Abspann des letzten Films am 13. November seinen Lauf nimmt. Bis dahin wünschen wir ein tolles Filmfest!
Termin
7. bis 13. November | diverse Orte (BS)
filmfest-braunschweig.de
Fotos Topic of Violence, The Duke of Burgundy, LAIALLUCH-ALTA