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Tretautos auf großer Fahrt

Kettcar im SUBWAY-Interview

Am 5. April veröffentlicht die Band Kettcar ihre neue Platte „Gute Laune Ungerecht Verteilt“ und schon im August dieses Jahres kommen die fünf Hamburger Indie-Rocker nach Braunschweig in den Wolters Applausgarten. Anlässlich dieser frohen Kunde sprachen wir mit Basser und Texter Reimer Burstorff.

Seit „Ich vs. Wir“ ist einige Zeit vergangen. Was ist in den letzten sieben Jahren so bei Euch passiert?
Wir waren mit „Ich vs. Wir“ auf Tour und haben dann natürlich noch, wie man in unserer Branche so schön sagt, die Kampagne gefahren. Im Februar 2020 waren wir im Grunde mit allem durch. Genau als Corona losgingen. Wir hatten alles gespielt, was wir wollten, und das war natürlich ein großer Segen für uns. Dann haben wir gesagt, jetzt nehmen wir uns erstmal eine Auszeit und durch Corona hat sich das dann alles ein bisschen in die Länge gezogen. Wir sind einfach auch eine Band, die für alles ein bisschen Zeit braucht. Wir müssen unsere Themen finden, Texte ausdiskutieren, gucken, wo wir hin wollen und so weiter. Zum Glück sind wir da in der luxuriösen Situation, dass wir uns genau diese Zeit auch nehmen können.

Wie laufen die Release-Vorbereitungen für die neue Platte?
Wir proben natürlich fleißig und geben Interviews. Und das Interesse wächst schönerweise, das freut uns natürlich. Die Platte ist aufgenommen, die Grafiken sind jetzt auch soweit fertig und dann geht es ja auch schon mit der nächsten Tour los, die am 11. April startet. Es bringt einfach richtig Spaß gerade, dass es jetzt wieder losgeht und alles brodelt. Das ist schön.

Die für dieses Jahr geplanten Tourdaten ragen bis weit in den August hinein. Freut Ihr Euch schon drauf, wieder mit einem Haufen neuer Songs raus in die weite Welt zu ziehen?
Ja, total. Es ist jetzt auch nicht so, dass die alten Songs irgendwann alle langweilig werden, aber man hat schon das Gefühl, jetzt müssten wir auch mal wieder was Frisches reinbringen. Und wir sind natürlich extrem gespannt, ob die Songs dann auch so funktionieren, wie wir uns das vorstellen. Wir sind ja relativ nah am Release mit den ersten Konzerten und dann ist es natürlich auch spannend zu beobachten, wie die Leute auf Songs reagieren, die sie vorher vielleicht noch nicht gehört haben.

„Gute Laune ungerecht verteilt“ ist musikalisch wie textlich sehr vielseitig. Lassen sich daran unterschiedlich starke Einflüsse der Bandmitglieder auf die einzelnen Songs ablesen?
Ja, so ein bisschen vielleicht schon. Also es ist definitiv so, dass wir beim Komponieren alle am Prozess beteiligt sind. Wir nennen das dann gern unseren Gemischtwarenladen, den wir aufmachen. Es wirft immer noch einer was mit rein, was dann vom musikalischen Gefühl so ganz anders ist, und dadurch wird die Platte dann halt nicht so homogen. Aber irgendwie lieben wir das auch.

 

 

Wie genau kann man sich Eure Arbeitsweise seit „Ich vs. Wir“ vorstellen? Wann sind die neuen Songs entstanden? Wann ging es ins Studio?
Im Grunde fängt das bei uns so an – und das war bei der letzten Platte auch so –, dass Marcus und ich uns zusammensetzen und anfangen zu überlegen, wo die Reise hingehen könnte. Wir hängen eh viel zusammen rum oder gehen zusammen zum Fußball und es kommen dann immer wieder Situationen auf, in denen man über Textideen redet und sich austauscht. Wir flanken uns textlich und musikalisch gegenseitig immer so Sachen rüber. Also, was finden wir gerade gut, was hören wir. „Hast du die neue Platte schon gehört?“ und „Wie findest du das?“ Wenn Erik sagt, er versteht jetzt nicht, warum The National unbedingt direkt noch eine zweite Platte rausbringen muss, dann kommen wir darüber schnell in eine Diskussion beziehungsweise in einen Austausch. Daraus entstehen dann textliche und musikalische Ideen, auf denen man aufbauen kann. Am Ende werden die Songs fertiggebaut und dann geht es irgendwann ins Studio.

Die Single „München“ entstammt, wie einige andere Kettcar-Songs auch, Deiner Feder. Am Mikrofon steht am Ende aber Marcus. Wie kann man sich den gemeinsamen Erarbeitungsprozess solcher Stücke vorstellen? Kommst Du schon mit einer Gesangsmelodie und einem Instrumental in den Proberaum oder steht anfangs erstmal nur der Text?
Ich habe den Text geschrieben und den kompletten Song eingesungen. Marcus hat das dann übernommen. Man muss dazu sagen, Marcus und ich, wir machen seit 1995 zusammen Musik. Und wir kennen uns halt ziemlich gut. Ich kenne seine Range, ich weiß, dass ich da jetzt nicht irgendwie in die Kopfstimme gehen oder irgendwie so Quatsch machen muss. Ich weiß genau, was bei ihm funktioniert und was nicht so gut funktioniert. Manchmal probieren wir ein bisschen rum und dabei scheitert man dann auch schonmal, aber das gehört eben einfach dazu.

Die neue Platte ist nicht weniger politisch als die letzte – ganz im Gegenteil. Man könnte sogar sagen, die einzelnen Songs zeigen noch konkreter und nuancierter als bisher auf eine Vielzahl aktueller gesellschaftspolitischer Themen. Spiegelt das eine von Euch noch stärker als zuvor empfundene Dringlichkeit wider, sich demokratiefeindlichen Tendenzen entschieden entgegenzustellen?
Ich glaube, dass wir mit dem letzten Album schon in so eine Richtung gegangen sind. Da haben wir gesagt: „Wir wollen politischer schreiben und wir wollen ein politisches Album machen.“ Daraus ist dann Ich vs. Wir entstanden. Ich finde, das Album jetzt verhandelt noch ein paar mehr Themen und ist auch ein bisschen unterschiedlicher in den Blickwinkeln und den Perspektiven. Wir haben ganz oft das Problem, dass wir nicht genau wissen, wie wir diese Komplexität politischer Themen überhaupt in drei-Minuten-Songs reinkriegen sollen. Marcus kann das aber einfach wahnsinnig gut, so schwierige oder komplexe Themen in kurze Songs zu packen, bei denen die Position bis zum Schluss offen bleibt und die am Ende hoffentlich noch ein paar Denkanstöße liefern.

 

„Marcus kann das aber einfach wahnsinnig gut, so schwierige oder komplexe Themen in kurze Songs zu packen.“

Der erste Song der Platte erzählt von technischen Errungenschaften, die schnurstracks in eine Katastrophe führen; ein anderer guckt sehr kritisch auf Bayreuth und Wagner. Sind unter Euch heimliche Adorno-Fans?
Ja, wahrscheinlich sind wir das. (lacht) Also wir lesen jetzt nicht jeden Tag Adorno, aber diese Dialektik ist uns natürlich durchaus bewusst und auch ein Mittel, mit dem wir gerne spielen. Und wo wir uns, glaube ich, auch zu fünft in der Band immer wieder ein ganz gutes Korrektiv sind. Wir versuchen häufig gemeinsam zu verstehen: „Warum sehen einige das so und wie kann man es noch sehen?“ Das finden wir halt einfach spannend.

Seid Ihr „King of Queens“-Fans?
Ich habe es auf jeden Fall früher gerne geguckt, ja. (lacht) Wir haben ganz lange überlegt, wie der Song heißen soll, auf den Du gerade anspielst. Bei uns hat er immer nur den Arbeitstitel „Paketzusteller“ getragen und dann habe ich überlegt, wer der berühmteste Paketzusteller auf der Welt ist. Am Ende bin ich zwangsläufig bei Doug Heffernan gelandet. So heißt der Song jetzt „Doug & Florence“.

Warum wohnt Udo Lindenberg eigentlich nicht im Grand Hotel van Cleef?
Ich glaube, Du hast eine falsche Vorstellung davon, wie es bei uns aussieht. (lacht) Der Name suggeriert mehr, als die Realität am Ende halten kann. Ich finde, wir haben es hier tatsächlich ganz schön, aber es ist doch sehr schlicht und einfach. Da hat Udo wahrscheinlich einen anderen Anspruch an seine häusliche Umgebung.

Gibt es noch etwas, das Du gern loswerden möchtest?
Also ich würde mich natürlich freuen, wenn in Braunschweig viele Leute in den Applausgarten zum Konzert kommen! Wir haben in Braunschweig vor ein paar Jahren mal im Theater gespielt, was ein ganz tolles und spezielles Konzert war und davor irgendwann mal zusammen mit Fettes Brot im Raffteich beim Feldschlößchen-Open-Air. Das waren beides super Konzerte, deswegen bin ich schon sehr gespannt drauf, was uns im Applausgarten erwartet.

Und wir erst!

Foto Andreas Hornoff

Vergiss nicht, abzustimmen.
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Jannick Stuehff

Geschrieben von Jannick Stuehff

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