Treiben auf Papier

Der Junge Kunst e.V. zeigt vom 24. Juni bis zum 25. August die Ausstellung „Outer Glow“ der in Berlin lebenden bulgarischen Künstlerin Marta Djourina.

Die Ausstellung der 1991 in Sofia geborenen Marta Djourina als eine Fotoausstellung zu bezeichnen, würde ihren vielschichtigen Schaffensansatz schmerzlich verkürzt und eindimensional beschreiben. Im Gegenteil ist das Mehrdimensionale, die Sichtbarmachung des Treibens und Wuselns der modernen Welt das, was Djourina in ihren Werken zu zeigen vermag. Fotografiert wird nicht im herkömmlichen Sinne, vielmehr erschließt die Künstlerin mit einer behutsamen Entdeckerlust ihren einzigartigen Blick auf das Medium und die Möglichkeiten der Fotografie selbst. Was genau ihr Ansatz ist und worauf sich Besucher:innen der Ausstellung des Jungen Kunst e.V. freuen dürfen, lest ihr hier im Interview.

 

Fotografie ohne Kamera – was darf man sich darunter vorstellen?
Marta In meiner Arbeit mit analogem Fotopapier erkunde ich das Wesen des Lichts und untersuche hierbei die Ursache und Wirkung verschiedener Lichtphänomene. Licht wird in meiner künstlerischen Praxis zum Thema, Werkzeug und Untersuchungsgegenstand.
Das “Fotografische” ist das analoge Fotopapier selbst, das die Fähigkeit besitzt, Licht und deren Spuren aufzuzeichnen. Es funktioniert als Archiv meiner experimentellen Arbeitsweise: In manchen Werkreihen speichert es meine Bewegungen, indem ich es vor dem Papier performend mit verschiedenen Leuchtmitteln direkt belichte. In anderen verschicke ich das Fotopapier per Post und dokumentiere somit deren “Reise”. In „Doo“ (2015) habe ich eine kleine Lochkamera an einer Taube befestigt und den ca. 15 Minuten langen Flug des Vogels dokumentiert und damit archiviert. Die letzten Jahre habe ich mich außerdem intensiv mit den Spuren natürlicher Lichtphänomene befasst. Ich setze hier analoges Fotopapier beispielsweise direktem Sonnenlicht oder der Biolumineszenz von Pilzen oder Algen aus, die farbige Spuren auf dem lichtsensiblen Material hinterlassen.

Verstehst du dich mehr als Fotografin oder Performance Künstlerin?
Ich habe Bildende Kunst an der UdK in Berlin studiert und war dort von einer sehr offenen Begriffsdefinition innerhalb der Kunst umgeben. Diesbezüglich würde ich mich als Künstlerin definieren, die zwischen den Medien arbeitet bzw. Fotografie auf eine eigene Art und Weise umdenkt.

 

Wie gestaltete es sich, als nicht gebürtige Berlinerin in dieser Kunstmetropole Fuß zu fassen? Wie hat die Sozialisierung hier dein Schaffen beeinflusst?
Biografische Momente, die die Distanz zwischen meiner Heimatstadt Sofia und Berlin thematisieren, tauchen hier und da in einigen Projekten auf. Die Arbeit “Von: Mir / An: Mich”, die mittlerweile Teil der Sammlung der Berlinischen Galerie in Folge des Eberhard Roters-Stipendium geworden ist, ist ein Beispiel dafür: Hier habe ich 9 x 13 cm kleine Schwarz-Weiß-Fotopapiere einzeln im „Lochkamera-Paket“ verschickt. Sie erinnern mit ihrem Format an die Größe einer Postkarte. Die Reiseerlebnisse dieser Lochkameras, die wie abstrakte Zeitarchive funktionieren, wurden dokumentiert. Die Ergebnisse zeigen den Weg zwischen zwei Momenten in meiner eigenen Geschichte, die von Erinnerungen und Gefühlen der Zugehörigkeit und Nostalgie durchdrungen sind. Die aktuellste Arbeit, “Travel Light” (2023), die gerade als Teil der Ausstellung “EE Tetris” in Scope BLN in Berlin zu sehen ist, vertieft das Thema des ständigen Reisens und macht gerade dieses zur Arbeitsmethode. Indem ich meine Koffer zu Lochkameras umbaute, wurde die Dauer der Reise zwischen Sofia, Berlin und neulich auch die Rückreise aus New York zur Dauer der Belichtung und zum Rahmen, indem das Werk sich konzeptuell entfaltet. Dabei spielen all die Choreografien des Reisens – der Flughafen als Nicht-Ort mit all seiner Struktur und Bürokratie, Grenzen usw. eine Rolle.

Was erwartet die Besucherinnen und Besucher nun in Wolfsburg?
Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen, sich wortwörtlich mit mir auf eine Reise zu begeben. Die Ausstellung lässt einen Einblick in meine experimentelle und spielerische Arbeitsweise zu, die von einem technischen und wissenschaftlichen Forschungsdrang geprägt ist und zeigt eine konzentrierte Auswahl an aktuellen, speziell für die Räumlichkeiten geschaffenen Werke. 

Foto Luis Bortt

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Simon Henke

Geschrieben von Simon Henke

There‘s one more thing, but it‘s expensive …

Eine Schatzkiste im Museum