Die freie Theaterszene Braunschweigs ist in Not
Die Freie Spielstätten Braunschweig gGmbH, kurz FSB, kämpft seit einiger Zeit gegen die Insolvenz. Ein Problem, das nicht nur die dort arbeitenden Menschen, sondern auch Braunschweig als Kulturstandort im Allgemeinen betrifft. Die FSB ist ein 2021 gegründeter Dachverband, der für die Verwaltung, Projektabwicklung, technische Betreuung, Öffentlichkeitsarbeit und Bereitstellung von Probe- und Bühnenräumen für das LOT-Theater und den Spielraum TPZ verantwortlich ist. Wir sprachen mit Kathrin Simshäuser, der geschäftsführenden Vorstehenden des Spielraum TPZ, über Ursachen für die Krise, den Wert des Spielraum TPZ als Kulturstätte und mögliche Umgangsformen mit der Insolvenz.
Wie ist der Spielraum TPZ aufgebaut?
Wir haben aktuell 40 ordentliche Mitglieder und zwei Vorstände. Aktuell sind wir dabei, die Vereinsstrukturen neu zu denken und freuen uns über neue Mitglieder, die sich engagieren wollen – auch im Vorstand. In der Geschäftsstelle sind neben mir zwei Projektleitungen fest angestellt, dazu kommen gut 30 freischaffende Theater-, Tanz- und Kulturpädagog:innen, die die Projekte durchführen.
Was ist Deine Aufgabe im TPZ?
Ich leite den Spielraum TPZ seit November 2021, beantrage Fördergelder für unsere Projekte und koordiniere die Geschäftsstelle – als Kulturmanagerin verstehe ich mich als Möglichmacherin. Viele, insbesondere junge Menschen können in unseren diversen inner- und außerschulischen Projekten kulturelle Bildung erfahren und gleichzeitig ist der Spielraum ein Erprobungs- und Arbeitsraum für angehende und fertig ausgebildete Theater,- Tanz-, Kultur- und Heilerziehungspädagog:innen.
Welche Projekte laufen bei Euch aktuell?
Sehr viele! Wir haben aktuell drei Theater-AGs an Grundschulen in Braunschweig und der Region laufen, arbeiten mit zwei Hauptschulen im Bereich Sprachförderung und Übergang Schule-Beruf, bieten Tanz-und Theaterwochen in den Ferien sowie offene Workshops und Fortbildungen an und sind viel für einzelne Workshops in Schulen unterwegs. Ein weiteres Standbein sind unsere partizipativen Tanz- & Theaterklub-Projekte, die unter dem Titel BOCK AUF BÜHNE? laufen. Vier von ihnen präsentieren im Mai ihre selbst erarbeiteten Stücke: Der Tanzklub 16+, der Theaterklub 6+, der Theaterklub 8+ inklusiv und der Theaterklub 12+.
Was macht die Arbeit des Spielraum TPZ in Deinen Augen so wichtig?
Im Spielraum TPZ können alle Menschen so sein, wie sie sind. In unseren Angeboten können sie sich und ihre Fähigkeiten entdecken, positive Selbstwirksamkeitsterfahrungen machen und sich immer wieder neu erfinden. Sie können ihren Themen einen künstlerisch-kreativen Ausdruck verleihen, vielfältige Perspektiven unserer Gesellschaft kennenlernen und sich als aktiven Teil dieser Gesellschaft wahrnehmen. Wir arbeiten selbstverständlich inklusiv und versuchen, unsere Angebote weitgehend barrierearm zu gestalten, um vielen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen. Damit bauen wir auch Barrieren im Kopf ab und setzen uns für ein gesellschaftliches Miteinander in einer funktionierenden Demokratie ein.
Die FSB kämpft gerade gegen die Insolvenz. Wie konnte es dazu kommen und was sind die Folgen für das TPZ?
Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Eine Auflistung würde hier den Rahmen sprengen. Wichtig ist, dass sich die FSB in einer vorläufigen Insolvenz befindet mit dem Ziel, zusammen mit den Vereinen LOT-Theater und TPZ ein Konzept zu entwickeln, das auf tragfähigen Beinen steht und den Vereinen die Fortführung ihrer Arbeit ermöglicht. Dazu gehört eine Aufarbeitung der Fehler und größtmögliche Transparenz allen Förderern und Kooperationspartner:innen gegenüber. Zum aktuellen Zeitpunkt wissen wir noch nicht, wie genau das Konzept aussehen wird – wir arbeiten auf Hochtouren!
Was können Privatpersonen tun, um den Spielraum TPZ zu unterstützen?
Mitglied werden! Wir freuen uns über neue Vereinsmitglieder, die den Verein und die Vereinarbeit aktiv mitgestalten wollen. Wer Interesse hat, schreibe bitte an mail@tpz-bs.de. Außerdem freuen wir uns riesig über Spenden! Um die Arbeit auch langfristig weiterführen zu können, sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Sehr gerne stellen wir auch Spendenquittungen aus. Vielen Dank!
Kommentare von Menschen aus der freien Braunschweiger Theaterszene
Anna Maria Warzecha
„Ich durfte im LOT und TPZ groß und erwachsen werden. Ich durfte mich zu Hause fühlen und mich künstlerisch austoben und wäre ohne diesen Ort beruflich, aber auch persönlich nicht da, wo ich jetzt bin. Ich durfte im LOT und TPZ selbstbewusst werden und versuche
dieses Gefühl jetzt in meiner Arbeit an
Braunschweiger Kinder, Jugendliche
und Erwachsene weiterzugeben. Ohne
diese Institutionen, die sich Empowerment,
Diversitätund Gleichberechtigung nicht nur
auf die Fahne schreiben, sondern auch
leben und täglich dafür einstehen,
gelingt das nicht!“
Julia Weidner
„#IchbindasLOT #IchbindasTPZ Diese Orte sind meine Anker, die mir Halt geben und mir ermöglichen, meine Stimme zu erheben und anderen Gehör zu verschaffen. Sie sind essenziell für eine lebendige und vielfältige
Theaterszene, in der Experimente
möglich sind und neue Wege
beschritten werden können.“
Sabine Niemczyk
„Hier kommen hoch kreative Menschen zusammen, um gemeinsam Geschichten zu erzählen und auf der Bühne zum Ausdruck zu bringen.“
Mirja Lendt
„Hier bin ich „Wilma, die Walze“ und ich stehe für die Freie Theater Szene Braunschweigs ein, denn die ist wichtig für kreative und mutige Projekte, für ergreifende darstellende Kunst und auch für meinen Laden „Der Drecksklub“,
der seit über 10 Jahren im LOT-Theater läuft
und Scharen an Leuten anzieht!“
Moritz Tobias Scheuermann
„Das TPZ hat mir vor über 10 Jahren geholfen, meinen Weg vom Studium in die professionelle Freiberuflichkeit zu gehen und hat mich immer wieder dabei begleitet und herausgefordert meine eigene Haltung als Künstler und Pädagoge zu finden. Außerdem ist es für
mich ein Ort, an dem ich Kindern und
Jugendlichen und diskriminierungssensiblen
Strukturen begegnen kann und ihnen
etwas mitgeben und
auch von ihnen lernen kann.“
Silke Stephan
„Wir brauchen die Bühne. Wir brauchen das Licht. Wir brauchen Menschen, die ihre Stimme zeigen. Das LOT und das TPZ sind für mich Orte des Wohlfühlens, der Weiterentwicklung, der Begegnung und Inklusion. Ich wünsche mir eine
Zukunft, die ich weiterhin mit Menschen,
die ich anleite oder die mich anleiten, gestalten kann.“
Spendenkonto
TPZ. Theaterpädagogisches Zentrum für Braunschweig und die Region
BLSK
DE77 2505 0000 0200 5550 35
NOLADE2HXXX
Fotos Faktotum Medienproduktion, Thomas Malorny, Wilma, Julia Weidner