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„Mir war wichtig, dass meine Helden schlau sind“

Interview mit Natja Brunckhorst zu „Zwei zu Eins“

Mit „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ wurde Natja Brunckhorst im Alter von 13 Jahren über Nacht berühmt. Nach dem Schauspielstudium in Bochum spielte sie in „Tiger, Löwe, Panther“ von Dominik Graf, im Horrorthriller „Babylon“ von Ralf Huettner oder in „Der Krieger und die Kaiserin“ von Tom Tykwer. Als Drehbuchautorin schrieb sie für „Die Kommissarin“ und „Tatort“. Für die autobiografische Liebesgeschichte „Wie Feuer und Flamme“ gab es den Deutschen Filmpreis. Mit der Komödie „Alles in bester Ordnung“ folgte das Spielfilmdebüt als Regisseurin. Nun folgt der nächste Streich: Eine ziemlich smarte Komödie um die letzten Tage der DDR und die Macht des Geldes. Mit dabei ist Sandra Hüller. Mit Natja Brunckhorst unterhielt sich Dieter Oßwald.

Frau Brunckhorst in Ihrem Film geht es ja um Geld. Macht Geld eigentlich glücklich?
Brunckhorst Ich glaube, bis zu einem gewissen Grad braucht man Geld. Wenn wir wissen, dass wir gut versorgt sind bis in unseren Lebensabend und unsere Kinder Geld haben, macht uns das doch glücklich. Ab da allerdings macht Geld nicht mehr glücklich, sondern nur noch gierig.

Man kann auch sagen, Geld verdirbt den Charakter…
Ja, und darauf würde unsere Filmfigur Lunkewitz antworten: „Dann ist ja gut, dass ich charakterlich schon so gut vorgebaut habe.“

Diese Geschichte der gestohlenen DDR-Gelder ist kaum bekannt. Wie sind Sie auf die Story um diesen Coup gestoßen?
Ich habe vor fünf Jahren davon in einem Buch des Kabarettisten Peter Ensikat gelesen. Dort stand lediglich dieser eine Satz: „Das Papiergeld der DDR wurde in einen Stollen eingelagert.“ Ich habe sofort gedacht: Das ist doch ein perfekter Stoff für das Kino! Mich hat gewundert, weshalb aus dieser Geschichte bislang noch niemand etwas gemacht hat.

Im Abspann danken Sie den unbekannten Ganoven. Zwei davon sollen verurteilt worden sein. Haben Sie mit Betroffenen von damals reden können?
Das ging leider nicht, weil diese Urteile nicht mehr auffindbar waren. Ich habe allerdings viel mit Leuten in Halberstadt vor Ort geredet. Bei einem bin ich mir nicht so sicher, ob er da nicht doch dabei war. (lacht) Man weiß nicht, wie viele Leute da eingebrochen sind. Ich sprach mit dem letzten Oberst, der vor Ort die Einlagerung beaufsichtigt hat. Sowie mit jenem Beamten der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der zuständig war für die Suche nach diesen 200 und 500 Ostmark-Scheinen, die offiziell nie in Umlauf kamen. Er hat auch organisiert, dass das Geld aus dem Bunker geholt und verbrannt wurde.

Manche Schatzsucher könnten auf die Idee kommen, in dem Bunker nach verbliebenen Banknoten zu stöbern…
Bitte macht das nicht! Es gibt dort kein Geld mehr zu finden, es wurde alles sehr sorgfältig entsorgt. Ich war selbst dort, da liegt kein einziger Schein mehr. Dieser Hinweis ist mir wichtig, weil die Bunker teilweise einsturzgefährdet sind.

 

 

 

 

 

 

Ist es Zufall, dass Ihr Ensemble komplett aus Ostdeutschland stammt?
Es war mir wichtig, dass meine Schauspieler ostdeutsche Wurzeln haben. Dadurch konnten sie mir jederzeit sagen, wenn sich etwas vielleicht falsch und nicht stimmig anfühlte. Ich habe einen großen Hang zu den Ostdeutschen, aber ich bin eben in West-Berlin aufgewachsen. Trotz aller sorgfältigen Recherche übersieht man vielleicht ein Detail und das wollte ich mit dieser Besetzung vermeiden.

Wie haben Sie selbst diesen Sommer anno 1990 erlebt, die letzten Monate der DDR?
Ein bisschen chaotisch war es damals, ganz oft aber auch auf eine positive Art. Vieles war absurd, die alten Regeln galten nicht mehr, die neuen waren noch nicht da. Ein Jahr lang war vieles möglich. Es gab auch viel Hoffnung, die ja später enttäuscht wurde, viele Ängste, aber auch viele Chancen. Ich habe eine ganze Menge Leute getroffen, die mir gesagt haben: Das war die beste Zeit meines Lebens. Ich habe mir gewünscht, dass der Film auch dieses Sommergefühl transportiert, diese Atmosphäre der Leichtigkeit und der Möglichkeiten. „Geile Zeit“, sagt Yannek, Marens Sohn dazu. Und er hat recht. 1990 war ein unglaubliches Jahr, nicht nur für ihn, ein Jahr der Abenteuer.

Wie weit kann durch Ihren Film eine neue Ostalgie aufkommen?
Ich weiß nicht, ob das zu einer Ostalgie führt. Mir war es wichtig, Helden zu schildern, die schlau sind. Ich wollte eine Komödie erzählen, ohne mich über meine Protagonisten lustig zu machen, was in sehr vielen Filme über die DDR ja häufig üblich ist. Im Grunde ist das eine archaische Erzählweise wie im englischen Kino: Ein Dorf gegen den Rest der Welt, so wie in „Lang lebe Ned Devine!“, wo alle gemeinsam einen Lottogewinn aufteilen und die Versicherung austricksen.

„Was die KI macht, ist mir sowas von egal.“

Sandra Hüller hat seit einem Jahr einen Preis-Marathon hinter sich. Welche Qualitäten hat die Oscar-Kandidatin für Sie?
Sandra hat einen Zauber! Das sehe ich manchmal erst, wenn ich auf das Bild mit ihr schaue. Das kann man gar nicht richtig beschreiben. Es ist so etwas, was ich damals bei „Christiane F.“ selbst erlebte. Bernd Eichinger hat beschrieben, wie er bei den Probeaufnahmen mit der Kamera über die Gesichter all der jungen Bewerberinnen gefahren sei. Und bei mir habe es eben Buff gemacht und er bekam Gänsehaut. Das verhält sich mit Sandra ganz ähnlich. Da guckt man drauf und sagt Ja!

Wie würden Sie ihre Arbeitsweise beschreiben?
Sandra ist immer sehr gut vorbereitet. Sie hat eine hohe Aufmerksamkeitsspanne für alle, die am Set sind, sowohl hinter der Kamera als auch davor. Sie ist immer Mitgestaltende. Sie vergibt zum Beispiel im Ablauf Namen an Rollen, die bisher keinen hatten. So sagt sie zu dem ABVler immer „Rainer“ und sofort weiß man, die haben eine Geschichte zusammen, sind vielleicht auch zusammen in die Schule gegangen, was im Drehbuch so nicht vorkam. Das ist eine ganz tolle Zusammenarbeit.

Sie sind häufig als Drehbuchautorin tätig. Welche Chancen und Gefahren sehen Sie durch Künstliche Intelligenz?
Für Drehbuch ist KI keine Konkurrenz, weil sie Subtext nicht beherrscht. Dabei gibt es fast nichts Menschlicheres als Subtext. Hitchcock hat immer gesagt: „What they think?“. Also man sagt nie, was man wirklich denkt, sondern sagt immer etwas anderes. „Möchtest du einen Kaffee?“ Tatsächlich denkt man: „Wie bringe ich dich um?“. Ich bin ja ein Dinosaurier. Ich bin froh, wenn ich 90 Minuten erzähle fürs Kino. Das mache ich einfach so lange, bis ich nicht mehr kann. Was dann die KI macht, ist mir sowas von egal… 

Fotos Jeanne Degraa, X Verleih AG/Peter Hartwig

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Dieter Osswald

Geschrieben von Dieter Osswald

Trust Memory Over History – (Kunst-)Geschichte mit Gänsehaut-Faktor

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