Spannende Aussichten für Undercover: Eine der etabliertesten Konzertagenturen Deutschlands blickt gemeinsam mit ihrem neuen Partner BMG in eine laute, bunte Veranstaltungs-Zukunft. Wir haben mit Undercover-CEO Michael Schacke gesprochen.
Kaum eine andere Branche wurde von der Pandemie so hart getroffen wie die Eventbranche. Kaum könnte etwas kontraproduktiver für das Infektionsgeschehen sein als tausende schwitzende, jubelnde, singende, pogende und trinkende Fans in einer geschlossenen Halle. Sämtliche Veranstalter, Locations und Künstler wurden vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt – so auch unser Braunschweiger Veranstalter-Platzhirsch Undercover. Trotz 30-jähriger Erfahrung im Geschäfts und jährlich hunderten Shows hat Corona dem Unternehmen quasi von heute auf morgen ein Berufsverbot erteilt.
Als im März klar wurde, dass erst mal keine Live-Events vor Publikum mehr gespielt werden können, wurden komplette Tourneen und hunterte Einzelveranstaltungen verschoben. Schon in dieser Zeit haben wir mit Undercover-CEO Michael Schacke ein Krisen-Interview geführt. Der Geschäftsführer zeigte sich optimistisch und kämpferisch: „Für unser Unternehmen bedeutet das einen echten Stresstest, den wir annehmen“, hieß es im April.
Gesagt, getan: Die Telefone des etwa 30-köpfigen Undercover-Teams liefen heiß, emsig wurde an Alternativen und neuen Konzepten gearbeitet. So entstand im Sommer beispielsweise der Wolters Kulturgarten, wo von Juli bis September ein kleines Stückchen Normalität auf, vor und hinter der Bühne herrschte. In grüner Atmosphäre brachte Undercover von Swing bis Rock, Poetry und Kabarett alles auf die Bühne, was das Live-Herz begehrt.
Mit Einbruch des Herbstes wurde die Sorge um die Veranstaltungsbranche immer größer – wie geht es weiter, wenn Open-Air-Events nicht mehr möglich sind?
Einen großen Lichtblick ließ Undercover Ende Oktober 2020 verlauten: Von nun an wird die Konzertagentur mit dem internationalen Musikunternehmen BMG zusammenarbeiten. Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft werden die beiden Unternehmen gemeinsame Wege gehen und BMG, die unter anderem die Rechte für sämtliche Werke von David Bowie, Jonny Cash und Bruno Mars besitzen, dank Undercover ins Live-Geschäft einsteigen. Die Zusammenarbeit sei eine große Chance, um auch international maßgeschneidertes Live-Entertainment auszubauen, hieß es in der Mitteilung vom 21. Oktober. Schließlich hat sich die Musikindustrie in den letzten Jahren wahnsinnig gewandelt und das Live-Geschäft ist zu einem ihrer wichtigsten Bestandteile geworden.
Was allerdings die wenigsten wissen: Die Zusammenarbeit von Undercover und BMG wurde schon weit vor der Corona-Pandemie beschlossen und ist kein Move, der aus der Not heraus entstand. Umso schöner, dass sich die beiden Unternehmen mit Leidenschaft für Musik mit ihrem gemeinsamen Vorhaben bestens ergänzen. Der Impfstoff gibt Hoffnung auf baldige Rückkehr der Live-Branche – den kommenden Sommer hat das Team um Michael Schacke fest im Blick. Mit neugeschöpfter Kraft startet Undercover also ins neue Jahr. Wie hart der Kampf der vergangenen Monate jedoch für die gesamte Branche war, hat Michael Schacke uns im Interview erzählt.
Michael, wir haben mit dir bereits im April über die Folgen der Corona-Krise gesprochen. Wie hat sich dein Blick auf die Schwere der Pandemie und ihrer Auswirkungen mit der Zeit verändert?
Wir hatten schnell antizipiert, dass es leider eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass sich die Situation bis zum Jahresende nicht wieder normalisieren wird. Das hat die Branche brutal getroffen. Heute sehen wir etwas Licht am Horizont für Veranstaltungen ab dem kommenden Sommer.
Hast du Rückschläge wie die kurzfristige Absage des Wintertheaters kommen sehen?
Ja, das Risiko war da und wir hatten es auf dem Zettel. Der schneller als erwartete, rapide Anstieg der Infektionszahlen bei der zweiten Welle hat auch uns die Unberechenbarkeit dieses Virus erneut vor Augen geführt.
Wie seid ihr dem langen Verzicht mit der Lockdown-Zeit begegnet? Hattet ihr das Gefühl, die Zeit gut aussitzen zu können?
Gut aussitzen zu können? Die Frage ist fast schon befremdlich, wenn man sich die harte Realität in unserer Branche anschaut. Aber wir bringen Undercover gemeinsam durch die Pandemie und durch die schwerste Krise der Veranstaltungsbranche seit ihrem Bestehen.
Damals hast du außerdem gesagt: „Die [Umsatzeinbußen] belasten uns, werden uns aber nicht umhauen. Wir gehen davon aus, dass die Branche, die aus meiner Sicht sehr wichtig für den sozialen Zusammenhalt ist, Unterstützung erhält.“
Hättest du gedacht, dass sich die Sache so zieht? Was ist aus den erhofften Hilfen geworden?
Wir haben wie gesagt früh bemerkt, dass die Krise langwieriger werden würde. Froh sind wir, dass es in Deutschland Kurzarbeit gibt, was für uns das wichtigste Instrument zur Kostensenkung und zum Erhalt der Arbeitsplätze ist.
Aktuell wird zwar endlich etwas intensiver über Hilfen und Unterstützung für die Kultur gesprochen, aber richtig viel scheint immer noch nicht zu passieren. Wie erklärst du dir, dass die Veranstaltungs-, Kultur- und Unterhaltungsbranche noch immer so wenig Beachtung bekommen? Scheint Kultur verzichtbar – nach dem Motto: Die erneuern sich hinterher von selbst?
Stand heute, 16. Dezember, kommen weitere, ernstzunehmende Hilfen in Gang, aber es wird sich zeigen, für wen es zu spät kommt und ob sie bei den Richtigen ankommen wird. Die Kulturbranche war schon immer wichtiger, als sie sich gemacht hat. Andersrum bedeutet das aber auch, dass wir (1,5 Millionen Beschäftigte in der Branche) immer noch nicht ausreichend organisiert sind und nicht mit einer gemeinsamen, starken Stimme sprechen. Hauptgrund hierfür ist die unglaubliche Vielfalt und gleichzeitige Kleinteiligkeit der Kulturschaffenden.
Kürzlich wurde bekannt, dass BMG nun Mehrheitseigner von Undercover wird. Die Gespräche hierzu begannen schon vor der Corona-Krise. Was wird sich dadurch bei euch verändern? Was bedeutet das für die Eventlandschaft in der Region?
Wir werden noch mehr Chancen haben, um regional, national und international Künstler und Shows auf die Bühnen zu bringen. Auch die Region ist sicherlich einer der Gewinner dabei. Sowohl für unser Team als auch für alle Fans der Live-Kultur.
Ist der Übernahme-Deal mit BMG so etwas wie eure Rettung aus der Corona-Krise? Wie wäre es für euch ohne den Abschluss weitergegangen? Wie lange hättet ihr das bestehende „Berufsverbot“ noch mitmachen und ertragen können?
Der Begriff Übernahmedeal geht in die falsche Richtung. Undercover geht mit BMG eine strategische Partnerschaft ein, in dessen Zuge auch ein Mehrheitsanteil übernommen wurde. Das bedeutet vielmehr eine Partnerschaft trotz der Pandemie, aber nicht wegen der Pandemie. Die Gespräche begannen bereits im Sommer 2019, niemand hat zu dem Zeitpunkt mit einer Covid-19-Pandemie gerechnet. Allein hätten wir auch überlebt, aber nicht in voller Besetzung.
Ihr konntet im Sommer gemeinsam mit regionalen Partnern den Wolters Kulturgarten veranstalten. Was für eine Bilanz ziehst du? Haben sich die Veranstaltungen gelohnt?
Wir sind wahnsinnig stolz auf unser Projekt und froh über das Engagement der Volksbank BraWo und des Hofbrauhaus Wolters. Für die Künstler und Kreativen der Region, für die Menschen, die Live-Kultur lieben, für unsere Crew und all die Dienstleister im Kultursegment war es vor allem emotional das vielleicht wichtigste Projekt des Jahres. Finanziell hat es den Künstlern und Mitarbeitenden etwas über den Sommer geholfen, was während der Pandemie nicht zu unterschätzen ist.
Was bedeutet das Veranstaltungsverbot für die gesamte Branche? Kann Kultur „wegsterben“? Wie betrachtest du die Folgen dieser eingeschränkten Zeit langfristig?
Ich glaube nicht das Kultur „stirbt“, aber die Pandemie kann dazu führen, dass Hunderttausende von Menschen, die wir als Experten brauchen, um die Kultur zu erleben, zum Aufhören gezwungen werden. Diese Menschen mit ihren Unternehmen sind essenziell für uns alle.
„Die Pandemie ist ein echter Langzeitgegner“
Wie hat sich die Stimmung bei euren Mitarbeitern vom ersten Lockdown bis heute so entwickelt?
Da war alles dabei. Heute schauen wir aber auf den Januar und nehmen unser Team einen großen Schritt aus der Kurzarbeit. Auch wenn Normalität noch nicht konkret sichtbar ist, glauben wir fest an die schrittweise Rückkehr der Live-Kultur spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2021.
Wie gehst du persönlich mit dieser turbulenten Zeit um? Was war für dich seit März der größte Rückschlag? Was der größte Lichtblick – abgesehen von dem BMG-Deal?
Ich persönlich arbeite viel. Der größte Rückschlag ist sicherlich die Erkenntnis, dass die Pandemie ein echter Langzeitgegner ist. Der größte Lichtblick ist selbstredend der Impfstoff.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Kultur- und Eventlandschaft?
Dass sie den Mut nicht verliert!
Dein Tipp für alle, die Ausgehen, Konzerte, Feiern, Tanzen, gemeinsames Lachen und einfach das gesamte große, soziale Miteinander vermissen?
So gut es geht darauf zu verzichten, auch wenn es schwerfällt, damit es schneller wieder losgehen kann.
Interview Louisa Ferch, Benyamin Bahri
Fotos Andre Markwirth, Undercover, Julia Schoierer, Nina Stiller