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Laute Kultur

Der Laut-Klub ist eine Braunschweiger Hochburg des Technos – und als Teil des Kunst- und Kulturvereins eingebunden in mehr als nur das Feiern.

Techno ist angekommen, denn Techno ist auf jedem zweiten Okertretboot, Techno ist im Prinzenpark und natürlich auch genau auf der Hausparty, die gerade in der Dachgeschosswohnung über deinem Schlafzimmerstattfindet. Jüngst wurde die Berliner Technoszene zum UNESCO-Kulturerbe erklärt. Braunschweiger Clubs, die sich den zügigen Kicks verschrieben haben, sind allen voran das Brain und das Laut. Beides Szene-Institutionen, über die Stadtgrenzen bekannt. Das Laut hegt dabei das noch mal undergroundigere Image, ist der Club an der Hamburger Straße zum einen räumlich der Partymeile entlegen, zum anderen ist der Laden strenggenommen nicht mal ein Laden, denn das Laut wird betrieben vom Kunst und Kulturverein Braunschweig, dem KuK-BS e.V. und ist damit dem gemeinnützigen Interesse verschrieben.

 


Seit 2012 ertönt die Musik im Keller des Industriebaus, der Vorhof ist Chillout-Area. Die Entstehungsgeschichte des Lauts ist in jedem Fall mal sensationell, denn eigentlich war die Feierei vorerst nicht so offiziell. Das Gebäude gehört nämlich der angrenzenden Ardagh-Group, die Getränkedosendeckel herstellt. Über illustre Verstrickungen und ein juristisch heikles Band aus Untermietverträgen wurde einer Gruppe von jungen Partypeople damals die Möglichkeit zuteil, die Räumlichkeiten des jetzigen Lauts zu nutzen. Der Keller war zwar eigentlich kein Teil der ohnehin nicht großartig erteilten Nutzungsberechtigung, doch ward der Entschluss gefasst, das Untergeschoss zu Dancefloors zweckzuentfremden. Der DIY-Spirit sprühte, die Partys im geheimen zogen hunderte Leute. Irgendwann dann der Downer: Die Verantwortlichen der Ardagh-Group riskierten mal einen Blick in ihre nicht genutzte Immobilie und enttarnten den Club. Das sichere Aus, so würde man denken, doch das Korrekte im Menschen siegte: Die Chefs waren Fans! Mit vernünftigem Mietvertrag trat das Laut 2014 unter der Schirmherschaft des KuK-BS e. V. schließlich den Gang in die offizielle Legalität an.

Mehr als ein Club
Dass die Vereinsstruktur kein schmückendes Beiwerk ist, beweist Fedor, der seit vergangenem März auf der einzigen frisch gebackenen Teilzeitstelle im Verein angestellt ist. Als DJ war Fedor unter seinem Alias „Vano“ eh schon viel around, nachdem er seinen Nine-to-five-Job im Stahlhandel aufgegeben hatte, führte ein „gutes Zusammenspiel vieler Zufälle“, wie er mir bei meinem Besuch erzählt, schließlich zum Job als Event-Manager und Kulturvermittler. Im Verein tätig sind vor allem Ehrenamtliche, sowie eine Handvoll Minijobber, die die Projekte schmeißen. Alle, die hin und wieder mal das Laut besuchen, wissen, wie heimwerkaffin die Truppe ist: Das Gelände ist ständig im Wandel. „Das Geile ist halt, hier ist immer alles selbstgebaut“, sagt Fedor und zeigt auf den im April entstandenen Holz-Pavillon. „Wir haben Maurer, wir haben Architekten im Verein, das alles entsteht in Eigenregie. Und deswegen sieht hier auch nichts 0815 aus, sondern ist was Besonderes.“ Genau das sei ja auch der Charme eines Vereins, der durch seine non-Kommerzialität dazu verdammt ist, Einnahmenüberschüsse wieder in sich und so auch ins Laut zu stecken. „Das ist die Motivation, die uns alle hier antreibt“, meint Fedor. „Du kannst hier mitmachen, dich verwirklichen. Das ist einfach unser Raum zur freien Entfaltung“.

 


Angebot und Ravelage
Das Ethos der Technokultur, welche schon immer die Freiheit aller hervorhebt, wohnt also dem Laut seit der Entstehung tief inne. Die Aspekte der Kulturförderung und einer lebendigen Szene sollen dabei zukünftig noch stärker in den Fokus gerückt werden. „Wir als Verein wollen mit unseren Veranstaltungen und Partys immer auch aufzeigen, was wir sonst noch so machen“, so Michelle, Spitzname ‚Stöpsel‘, die sich im KuK und dem Laut als erste Vorsitzende engagiert. Der Verein hostet Workshops für Kinder und Jugendliche, in denen Kenntnisse zur Technik und Musik vermittelt werden, auch internationale Jugendbegegnungen sind Thema: „Wir hatten kürzlich Austauschschüler aus den USA, der Ukraine und Israel da“, erzählt Michelle. Mit der Lebenshilfe wurde eine Party für Menschen mit Behinderungen ausgerichtet und das Laut bietet seine Räumlichkeiten an, etwa für Aufführungen des Theaterfestivals „René“ oder wenn zum Kleidertauschen unter dem Motto „Tauschrausch“ geladen wird. Beim diesjährigen Lichtparcours zeigte der Verein zum wiederholten Mal eine beeindruckende Lichtinstallation, diesmal eine überdimensionale Discokugel auf dem Mainfloor, die den Mittelpunkt einer sternensystemartigen Lichtreflexkaskade bildet. „Wir wollen durch den Club allen, die hier mit uns feiern, immer auch aufzeigen, dass unser Kulturangebot vielfältig ist“, erläutert Fedor, der ja selbst einst durchs Feierngehen in den Kosmos eingetaucht ist, so wie es auch bei Michelle und so gut wie allen anderen Ehrenamtlichen hier war. Sie sind dabeigeblieben und ein Teil der regionalen Kultur geworden. Kultur, die Perspektive und Gemeinschaft stiftet.

 

 

 

 

 

Quo vadis Laut?
Dass Techno jemals wieder so einen Hype haben würde, war zu den Anfängen des Lauts nicht abzusehen. Nach Corona zündeten vor allem auch Hypes auf Social-Media derartig durch, dass die ironische leicht abschätzig bezeichnete Personengruppe der „TikTok-Raver“ zum geflügelten Wort wurde. „Der Hype auf Raves hat uns nach der Pandemie hier echt den Arsch gerettet“, weiß Michelle den Andrang zu schätzen. Klar sei jedoch, dass sich mit der verbreiterten Ausweitung im Publikum auch der Wert des Szene-Kodex bewiesen hat. Die Flaute der Pandemie habe auch dazu beigetragen, dass einige Party-Sprösslinge logischerweise wenig Erfahrungsschatz hatten auf dem sich aufbauen hätte lassen können. Stattdessen hätten viele da ihr Knowledge aus dem Internet bezogen, mein Michelle. „Wir alle wurden hier ja langsamer sozialisiert mit der Partywelt mit so Werten wie gegenseitigem Respekt, Rücksichtnahme und einem verantwortungsvollen Miteinander“, so Michelle, aka. Stöpsel. „Unsere Clubregeln hier gelten nicht umsonst.“ So hätten einige etwa beim Abkleben der Handykameras zum Schutze der Persönlichkeitsrechte aller erstmal etwas irritiert aus der Wäsche geguckt: „Aber was ist dann mit Snapchat?“, zitiert Michelle lachend. Bei all der Bambule, die so Feten eben mitbringen, darf dem Laut insgesamt attestiert werden, dass die Besuchenden für vergleichsweise wenig Ärger sorgen: „Man hört schon vonseiten der Polizei selbst, dass sie erschreckend wenig Einsätze hier hätten. Hier schlägt sich keiner, hier sind kaum Ausschreitungen“, so Fedor. Ein guter Indikator, das Herz der Szene scheint irgendwie richtig zu schlagen. Die Staatskulturministerin Claudia Roth besuchte das Laut 2022 und bescheinigte: „Ihr vom Laut seid Kultur-Anarchos. Und die brauchen wir dringend“. Dem pflichten wir mit Entschiedenheit bei. Auf dass der KuK und das Laut der Stadt und allen Feierwütigen noch lange erhalten bleiben möge. 

Fotos KuK-BS e.V.

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Simon Henke

Geschrieben von Simon Henke

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