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Kunst im Kaufhaus

Am 12. Juni feiert das Performancekollektiv xweiss mit der Produktion „Nach dem Sturm“ im ehemaligen Galeria-Kaufhof-Gebäude Premiere.

Nach der erfolgreichen Stück-Serie zu Gerichtsprozessen der deutschen Geschichte, die in den vergangenen Jahren unter der Leitung von Christian Weiß und ehemals auch Marie-Luise Krüger entstand, wird das mehrjährige Projekt von xweiss in diesem Jahr mit dem zugehörigen Epilog „Nach dem Sturm“ zu einem Ende kommen. Wir sprachen mit Christian Weiß über seine aktuelle Arbeit, seinen Blick auf die momentane Lage der Theaterszene und Kunst im öffentlichen Raum.

Wie kamt ihr auf die Idee, im alten Galeria-Kaufhof-Gebäude zu inszenieren?
Am Anfang stand ganz einfach der Wunsch, mit der neuen Produktion in irgendeiner Form einen temporären Ort zu bespielen. Also einen Ort, der kein Theaterraum ist. Wir haben lange gesucht und es ist gar nicht so einfach, Immobilien zu finden beziehungsweise Personen, die Immobilien für künstlerische Aktivitäten zur Verfügung stellen. Das hier war dann eine Kombination aus Hartnäckigkeit und Zufall. Und es ist großartig! Gerade die Dimensionen dieses Gebäudes sind überwältigend.

Stand die Entscheidung schon fest, als die Problematik mit dem LOT-Theater öffentlich wurde?
Das hat sich zum Teil überschnitten. Wir waren noch in Gesprächen und es schwebte in der Luft, dass wir die Arbeit doch in einen Theaterraum verlegen müssen. Die endgültige Möglichkeit, hier zu produzieren und die offizielle Einstellung des Betriebs im LOT waren dann fast zeitgleich. So wird unsere Produktion im Juni eigentlich zum Auftakt einer besonderen Aktion des Dachverbandes Freie Darstellende Künste unter dem Motto „Tanz und Theater sind überall“. Die freien Gruppen werden dabei unterstützt, ihre Arbeiten, die bis zum Ende des Jahres im Programm des LOT-Theater gezeigt worden wären, nun an vielen anderen Orten in der Stadt, dem Publikum zu präsentieren und zu zeigen: wir sind noch da!

Was für Folgen hat die Schließung der Spielstätte für euch?
Es fehlt DER Bühnenort für die freie Theaterszene. Wir hätten dort im Herbst eine Produktion aus unserem Repertoire gezeigt, für viele andere wäre es Gastspiel-, Produktions- oder Premierenort gewesen. Die Schließung hat ein riesiges Loch in die Szene gerissen. Wir haben jetzt in den letzten 20 Jahren unsere Stücke dort gezeigt – das ist dann schon emotional.

Womit beschäftigt sich die neue Produktion inhaltlich?
Die Grundidee geht auf ein historisches Ereignis vom 4. Dezember 1989 zurück. An diesem Tag haben fünf Frauen in Erfurt die Initiative ergriffen und die erste Stasi-Zentrale besetzt, weil sie vermuteten, dass dort Beweismaterial vernichtet wurde. Sie waren nicht allein, sondern haben viele Menschen aktiviert, ihnen zu helfen. Durch ihren mutigen Einsatz konnten sie die Akten sichern, die uns bis heute eine Aufarbeitung ermöglichen. Die Dokumente wurden in Zellen gebracht, die Türen versiegelt und die Räume Tag und Nacht bewacht. „Nach dem Sturm“ erzählt die unglaubliche Geschichte einer Begegnung zwischen Bürgerrechtsaktivistin und Stasi-Offizier auf den Trümmern eines Systems. Eine Studentin Anfang 20 und ein junger Offizier der Staatssicherheit sitzen nun Stunde um Stunde nebeneinander. Was haben sie sich zu sagen? Im Fokus dieser Begegnung steht die Frage: Woher weiß man eigentlich, dass man das Richtige tut? Ich glaube, das ist eine Frage, die heute nicht weniger relevant ist als kurz nach dem Mauerfall.

Und was darf man ästhetisch erwarten?
Wir zeigen eine Tanzperformance (Lisa Haucke, Alina Jaggi) in einem Raum (Andrea Jensen) der in Wechselwirkung mit diesem besonderen Gebäude tritt. Das Publikum bekommt Kopfhörer und taucht in Klangwelten (Antimo Sorgente) ab und in visuellen Welten (Lukas Harris) wieder auf.

Ihr habt in den vergangenen Jahren verschiedene ortsspezifische Arbeiten bzw. Arbeiten außerhalb von herkömmlichen Theaterräumen realisiert. Unter anderem haben eure Veranstaltungen in Kirchen oder Überseecontainern stattgefunden. Was fasziniert dich an dieser Art, Kunst zu machen?
Ich glaube, dass alles mehr oder minder mit Audio-Walk-Arbeiten angefangen hat, für die ich mich interessiert habe. Über die Verbindung von Bewegung im Stadtraum mit Klängen und Texten unter dem Kopfhörer, bekommt man einfach einen ganz anderen Blick auf bestimmte Orte oder Gebäude und überhaupt erstmal ein Gefühl dafür, wie Kunst außerhalb einer Kunstinstitution im engeren Sinne aussehen kann. Neue Perspektiven auf scheinbar Alltägliches entstehen. Das heißt aber nicht, dass ich grundsätzlich mein Interesse an Theaterräumen verloren habe.
Ist das für dich Theater, Performance, Installation oder eine ganz andere Kunstform?
Ich glaube, das Denken in diesen Kategorien reizt mich überhaupt nicht mehr. Sicherlich ist es eine Tanzperformance und ja, installative Aspekte gibt es auch. Aber ich führe einfach gern Dinge zusammen, die notwendig sind, um einen bestimmten Stoff zu erzählen, ohne dabei in festgelegten Schubladen zu denken.

Wie hast du in den vergangenen Jahren die Entwicklung des öffentlichen Raumes in seiner Rolle als potenziellen Begegnungsraum wahrgenommen?
Auf der einen Seite meine ich zu beobachten, dass es eine ganze Menge Initiativen gibt, die versuchen, den Blick auf städtischen Raum zu verändern. Ich denke, da tut sich schon einiges. Andererseits gibt es natürlich immer noch genug Beispiele für Maßnahmen, die den Stadtraum nicht klar genug für die Menschen denkt. In Zukunft muss die Frage danach, was eine Stadt überhaupt lebenswert macht, in der Debatte um den öffentlichen Raum noch viel präsenter werden.

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Ivonne Jeetze

Geschrieben von Ivonne Jeetze

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