Der Pressesprecher des Scharoun Theater Wolfsburg Christian Mädler spricht über die schwere Situation der Kultur. Ein Auszug aus dem offenen Brief des Theater-Leitungsteams.
Den Kulturbereich hat es in diesem Jahr besonders schwer getroffen. Zwei Drittel des Jahres musste auch das Scharoun Theater Wolfsburg pandemiebedingt geschlossen bleiben. In der kurzen Zeit des Spielbetriebs haben wir jedoch erleben dürfen, wie sehr sich alle Beteiligten, unsere Gäste, die KünstlerInnen und wir uns danach gesehnt haben, im Theater miteinander Zeit zu verbringen.
Allein schon als Bauwerk ist das Scharoun Theater Wolfsburg eine Sensation und bietet mit seinem modernen, gediegenen Zuschauerraum Platz für 745 Zuschauer bei Musiktheatervorstellungen und 801 Plätze im Schauspiel – und ist damit eines der größten Gastspieltheater ohne eigenes Ensemble in Deutschland. Eines der längsten Theaterfoyers überhaupt entführt die Zuschauer auf seinem Weg in den Publikumssaal in eine Welt voller Leidenschaft, Dramatik, Spannung und Unterhaltung. 1973 wurden die Pläne des berühmten Architekten Hans Scharoun zum Bau eines neuen Theaters in Wolfsburg am Klieversberg in die Tat umgesetzt. In den Jahren 2014/15 wurde das unter Denkmalschutz stehende Gebäude in eineinhalb Jahren grundsaniert und in allen Bereichen den Top-Standards angeglichen. Das Scharoun Theater Wolfsburg zeigt in Form von nationalen und internationalen Gastspielen sowie Eigenproduktionen für jedes Alter abwechslungsreiche Theatervorstellungen auf sehr hohem Niveau aus den Genres Oper, Operette, Musical, Konzert, Ballett, Modern Dance, Komödie, Tragödie, Comedy, Varieté, Lesung sowie Junges Theater.
Der neue Alltag im Theater
Seit dem Frühjahr arbeiteten sämtliche MitarbeiterInnen permanent an Konzepten, um für die Sicherheit und Gesundheit der ZuschauerInnen, der KünstlerInnen und nicht zuletzt auch der eigenen MitarbeiterInnen Sorge zu tragen. Nichts wurde leichtfertig „durchgezogen“, jeder Gedanke mehrmals gedacht, verworfen und schlussendlich weiterentwickelt. Dies wird auch in Zukunft weiterhin so geschehen. Die KünstlerInnen wollen auf die Bühne zurück und sie müssen es auch, denn für sie geht es um ihre wirtschaftliche Existenz. Hierin wollen wir unseren Verpflichtungen nachkommen und sie möglichst bald wieder spielen lassen, denn auch wir sind auf das Zusammenspiel zwischen unserem Theater, den KünstlerInnen und dem Publikum angewiesen. Bisher ausgefallene Vorstellungen versuchen wir daher bestmöglich in die nächste Spielzeit zu übernehmen, um auch finanzielle Verluste auf allen Seiten kompensieren zu können. Die Auswirkungen dieser Pandemie werden wir noch lange spüren. Selbst wenn wir das Theater wieder voll bespielen dürften, wird der Spielplan sich verändern. Dennoch wird unser Publikum auch in den nächsten Jahren viele exzellente KünstlerInnen und Ensembles bei uns sehen. Das können wir Ihnen an dieser Stelle schon versprechen.
Bedanken möchten wir uns für die überwältigende Spendenbereitschaft unseres verständnisvollen Publikums. Zahlreiche Gäste haben die angebotenen Gutscheine für die vielen ausgefallenen Vorstellungen an das Scharoun Theater gespendet. So ist bis heute eine wunderbare Summe von 21 000 Euro zusammengekommen, die uns motiviert, mit allen Anstrengungen optimistisch in ein hoffentlich besseres, neues Jahr zu blicken.
„Die Künstler*Innen wollen auf die Bühne zurück und sie müssen es auch“
Vorfreude auf die Spielzeit
Davon ausgehend, dass ab Mitte Januar möglichweise wieder unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln gespielt werden darf, bietet das Scharoun Theater erneut einen eindrucksvollen Querschnitt durch die vielen Facetten von Theater: Am 1. Februar gastiert der Großmeister des physischen Theaters aus Madrid mit seinem furiosen Slapstick-Maskentheater „The Gagfather“ im Scharoun Theater, gefolgt von Harald Krassnitzer als verzweifelter Dorfpfarrer in der Komödie „Chocolat. Eine himmlische Verführung.“ am 2. Februar. Shakespeares Drama „Coriolanus“ über den gescheiterten Feldherrn wird am 7. Februar in deutscher und türkischer Sprache von der Bremer Shakespeare Company gezeigt. Die Schwerkraft scheinbar zu überwinden schafft der vielfach ausgezeichnete Pantomime „Leo“ in seiner fulminanten Ein-Mann-Show am 11. Februar. Gerd Silberbauer gastiert in der turbulenten Komödie „Extrawurst“ über Respekt und Toleranz am 13. Februar, und eine einzigartige Umsetzung in Verbindung von klassischer Gruselgeschichte, modernem Psychothriller mit Elementen des Kinos bietet die Mediabühne Hamburg am 20. Februar mit „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll & Mr. Hyde“. Die wunderbare Gilla Cremer erzählt, singt und tanzt sich am 16. März durch die Höhen und Tiefen der Hildegard Knef, am 20. März erlebt die Figur des legendären Gauklers „Tyll“ Eulenspiegel als Schauspiel von Daniel Kehlmann seine Rückkehr in die Anfänge seines Wirkens – ist die historische Figur doch im Elm verortet.
Wir haben immer gesagt, dass wir unser Theater als zutiefst sozialen Ort verstehen. Ein Ort, an dem wir uns begegnen, ein gemeinsames Erleben teilen, darüber sprechen, diskutieren und vielleicht auch streiten. Aber genau das unterscheidet eben eine Kultureinrichtung von einer Freizeiteinrichtung. Wir sind dafür, da den Diskurs zu stärken. Wir sind Teil eines breiten gemeinschaftlichen Fundaments, auf dem wir alle stehen. Kultur ist der Kitt unserer Gesellschaft – und er ist wichtiger denn je. Wir hoffen, unsere Türen bald wieder für Sie öffnen zu dürfen!
Das aktuelle Programm sowie alle Änderungen im Spielplan gibt’s unter theater.wolfsburg.de.
Text Christian Mädler
Fotos Stadt Wolfsburg/Lars Landmann, Janina Snatzke