Chemnitz-Glamour-Pop: Das musikalische Trio Blond will sein Debütalbum
„Martini Sprite“ endlich auf die Bühne bringen.
Vom Sandkasten auf die großen Festivalbühnen: So könnte man die Bandhistorie des Glamour-Pop-Trios Blond zusammenfassen. Nina, Lotta und Johann musizieren bereits seit gut zehn Jahren zusammen und hatten einst jede noch so lahme Chemnitzer Jugendweihe oder Hochzeit mit ihrer glitzernden Selfmade-Mukke und ausgetüftelten Tanzchoreos aufgepeppt. 2016 droppte dann ihre erste EP „Blond“, gefolgt von „Trendy“ 2017. Im Januar 2020 erschien schließlich ihr lang herbeigesehntes Debütalbum „Martini Sprite“, auf dem die Band mit den spektakulärsten Bühnenoutfits und die Fans mit den kreativsten Plakaten richtig auf die Kacke hauen: Kein Detail von Raststättentoiletten, Periode oder sexistischen Klempnern wird ausgelassen, dazu ballern Bass und Gitarre. Halb gesungen, halb gerappt klingt ihr Straight-Forward-Sound fast schon wie The Ting Tings, nur glitzert bei Blond alles etwas mehr.
Mit „Martini Sprite“ waren unzählige Konzerte in Deutschlands coolsten Club-Locations geplant. Klar, der Lockdown hat auch dieser Jungband einen Strich durch die großen Ambitionen gemacht. Stattgefunden haben gerade mal drei bestuhlte Open-Air-Konzerte, die der herausragenden Live-Energie und dem Las-Vegas-Freakshow-Charakter der Band kaum gerecht werden konnten. So haben die beiden Blond-Schwestern Nina und Lotta, die übrigens die Halbschwestern der Kraftklub-Brüder Felix und Till sind, während ihres Tour-Entzugs kurzerhand einen Podcast mit dem legendären Namen „Da muss man dabei gewesen sein“ ins Leben gerufen, in dem sie sich einmal wöchentlich die Seele leerplaudern. Nun steht der Frühling vor der Tür und die Hoffnung auf ein paar wenige Konzerte in 2021 wächst langsam. Etwas zurückhaltend freuen wir uns deshalb jetzt mal auf das Gifhorner Unser Aller Festival, wo Blond am 27. Mai ihr Konzert vom letzten Jahr nachholen möchten – so zumindest der Plan bei Redaktionsschluss. Die Proben laufen jedenfalls und wir konnten per Zoom-Telefonat einen Einblick in die bunte Welt des Chemnitzer Pop-Trios erhaschen.
Ihr seid gerade in eurem Proberaum – arbeitet ihr schon an neuer Musik?
Nina Ja, wir fangen gerade an, wieder an neuer Musik zu arbeiten. Durch Corona hatten wir einen kleinen Dämpfer erlebt und waren erstmal nicht so motiviert, Neues zu machen – vor allem, weil wir ja eigentlich gerade erst unser Album rausgebracht haben … Aber langsam kehrt die Energie wieder zurück.
Euer Humor hilft euch also, in dieser schwierigen Situation bei Laune zu bleiben?
Lotta Ja, das ist eigentlich immer unsere Technik. Wenn uns Sachen ärgern oder traurig machen, dann nehmen wir es halt mit Humor. Humor ist eigentlich auch das Stilmittel von Blond. Einfach unsere Art, mit Dingen umzugehen und deshalb ist er jetzt auch wieder sehr wichtig für uns.
Wie ist eure Hoffnung für das laufende Jahr, was Konzerte angeht?
Lotta Dadurch, dass mich das letzte Jahr schon ziemlich runtergezogen hat, gebe ich kaum noch irgendwelche Tipps oder Prognosen ab. Ich gucke einfach, was passiert – wenn’s gut ist, ist es gut, wenn nicht, dann nicht. Ich setze mir da aber keine Ziele mehr und hoffe auf den Festivalsommer oder so, sondern versuche, möglichst neutral zu bleiben.
Johann Wir hoffen einfach, dass schöne Dinge passieren.
Nina Ich hoffe als Einzige hier in der Runde, dass es ein paar Festivals geben wird, weil man vielleicht aus dem letzten Jahr gelernt hat und ein bisschen besser vorbereitet sein könnte. Dass man dieses Jahr weiß, welche Konzepte es gibt, um ein Corona-konformes Konzert zu planen – obs jetzt Picknick-Konzerte sind oder in einem Gitter oder so. Bestimmt werden nicht alle Festivals stattfinden, aber vielleicht ein paar.
Wie ist das für euch auf der Bühne, wenn die Menge dann nicht tanzen kann, sondern das Konzert plötzlich bestuhlt ist?
Nina Man fühlt sich plötzlich wie im ZDF-Fernsehgarten, aber man weiß ja, es geht nicht anders und die blödere Variante wäre, gar nicht zu spielen. Aber man merkt den Leuten an, dass es auch für sie ein bisschen blöd ist und sie eigentlich tanzen wollen. Das ist für sie ja auch nur halb so schön, weil sie ja Bock haben, sich zu bewegen, auf das Enge, andere Leute zu berühren und dass man schwitzt … Das gibt’s ja alles nicht.
Diese Befangenheit überträgt sich dann vom Publikum also auch auf euch?
Nina Naja, man geht ja auch ganz anders an das Konzert heran. Wir haben dann halt zum Beispiel beim Reeperbahn-Festival unsere Tänze so umgewandelt, dass man sie im Sitzen mitmachen kann und sie haben auch trotzdem mitgesungen, geklatscht und übelst schön die Armbewegungen mitgemacht. Da sagt man natürlich am Ende: Ja, das Konzert war gelungen, weil die im Sitzen getanzt haben, aber der Maßstab ist einfach ein anderer. Man hat Spaß, aber es ist nicht das gleiche. Ich habe auch Bock, mal wieder ein Moshpit zu sehen.
Wie ist es, in einer berühmten Musikerfamilie aufzuwachsen? War da von Anfang an klar, dass ihr auch Musik machen wollt?
Lotta Bei uns war das eigentlich so, dass wir alle drei relativ früh Leute kannten, die mit Musik ihren Lebensunterhalt verdient haben. Dann hatten wir halt auch Lust, Instrumente zu spielen. Ich habe Schlagzeug gespielt, Nina Gitarre und Johann Bass und Keyboard – das war für uns völlig logisch, dass man das auch mal gemeinsam probiert, weil wir es eben vorher gesehen haben. Daher wussten wir irgendwie immer, dass Musikmachen eine Möglichkeit ist. Und es war nicht so, dass unsere Eltern gesagt haben, ihr müsst das machen.
Lotta und Nina, habt ihr das Gefühl, als Frauen wegen eures Humors manchmal nicht richtig ernstgenommen zu werden?
Nina Ich glaube, es ist ein generelles Problem, dass man als Frau nicht ernstgenommen wird, wenn man auf einer Bühne steht – da kann man auch ernste Musik machen und es passiert trotzdem, dass Typen dich nicht richtig ernstnehmen. Aber tatsächlich haben Leute bei uns übelst oft gesagt: Eure Musik ist geil, aber lasst mal eure Zwischenansagen, die sind voll peinlich. Ich weiß nicht, ob die das auch gesagt hätten, wenn wir Typen wären – keine Ahnung. Aber vielleicht ist das ja das, was du mit deiner Frage angesprochen hast – die Musik ist okay, aber bitte kein Humor. Sagt bitte nur zwischen den Songs: Hey, das nächste Lied heißt blabla. Viel Spaß! Lotta und ich erzählen halt immer voll viel und auch wenn da oft Feedback kam, dass das peinlich ist, haben wir weitergemacht, weil es uns halt einfach Spaß macht.
Lotta Ich find’s schwierig zu unterscheiden, ob man nicht ernstgenommen wird, weil man eine Frau ist oder weil man Humor hat. Es gab schon die Situation, dass man nicht ernstgenommen wird, aber das zielte, glaube ich, eher darauf ab, dass man weiblich ist.
Nina und Lotta, ihr macht ja auch seit gut einem Jahr zusammen den Podcast „Da muss man dabei gewesen sein“. War das eine Lockdown-Idee, um irgendwie kreativ werden zu können?
Lotta Wir haben öfter mal darüber geredet, dass wir schon Bock hätten, einen Podcast zu machen und dann war der Lockdown für uns so ein bisschen wie ein Startschuss. Wann, wenn nicht jetzt? Und dann war das genauso wie mit den Ankündigungsvideos. Wir dachten: Ja, easy. Wie lange wird das gehen? Einen Monat oder so. Wir machen vier Folgen und gucken dann mal, wie wir Bock haben. Und jetzt ist ein Jahr vergangen und wir haben über 40 Folgen produziert und die Leute rasten übelst aus, wenn wir mal eine Woche aussetzen. Wenn wir mal ein Video posten statt eine neue Pod-cast-Folge kommen Kommentare wie: Ich brauche meinen Podcast!!! Das hätten wir nie gedacht und das total unterschätzt. Jetzt machen wir das aber super gerne.
Woher kommt eigentlich eure Leidenschaft für all diese Trash-Elemente wie beispielsweise pinke Crocs?
Lotta Also ich sehe das gar nicht als Trash, ich weiß gar nicht, was du meinst. (lacht) Wir mögen einfach diese Ästhetik und so extrem trashy finde ich es gar nicht. Zu den pinken Crocs stehe ich zu hundert Prozent – das ist keine Ironie. Auf die Frage habe ich schon länger in einem Interview gewartet und jetzt kann ich das endlich mal sagen: Crocs sind einfach geile Schuhe.
Eure „Martini Sprite“-Tour ist letztes Jahr ziemlich schnell Corona zum Opfer gefallen. Meint ihr, ihr könnt „nach Corona“ genau dort anknüpfen, wo ihr aufhören musstet?
Nina Wir holen das natürlich alles nach. Das wäre sonst einfach viel zu schade. Dann hätte man das Album nicht genügend genutzt und die Songs sind ja eigentlich noch total frisch und deshalb wird das einfach alles nachgeholt – außer es ist erst in 40 Jahren soweit und dann wirklich nicht mehr aktuell. (lacht) Wir sehen das als Pause an, als hätte jemand einfach auf Pause gedrückt. Wir ignorieren einfach, dass da Zeit vergangen ist und sehen auch nicht ein, dass wir alle ein Jahr älter geworden sind. Das ignorieren wir auch.
Ihr macht schon seit 2011 zusammen Musik. Wann habt ihr euch entschieden, in eine professionelle Richtung zu gehen?
Johann Wir haben relativ schnell auch schon auf kleineren Festivals gespielt – zum Beispiel auf dem Kosmonaut, aber das kann man eigentlich keinem erzählen. (lacht) Da haben wir noch so ganz alte Versionen von unseren Liedern gespielt und uns auch jahrelang mit Cover-Versionen über Wasser gehalten. Richtig angefangen haben wir 2016, da kam unsere erste EP raus und wir merkten, dass die Leute auch auf Konzerte kommen und dass es ihnen gefällt – einigen zumindest. (lacht) Nina Vorher haben wir fast immer vor Familienmitgliedern und so gespielt. Als wir dann irgendwann mal vor komplett Fremden gespielt haben, und das dann immer öfter, haben wir gemerkt, dass das auch Spaß macht, quasi vor einem neutralen Publikum zu spielen und dass wir uns vorstellen könnten, dass da mehr draus wird.
Ihr habt früher ja auch hauptsächlich auf Englisch gesungen. Wieso macht ihr jetzt alles auf Deutsch?
Nina Das waren die ersten zwei EPs, auf denen wir noch Englisch singen, und die gehören noch in eine Zeit, in der wir alles zum ersten Mal ausprobiert haben – wie es überhaupt ist, aufzunehmen, Songs zu schreiben, damit auf Tour zu gehen… Das war quasi eine Testphase, in der wir uns gefragt haben, ob uns das überhaupt Spaß macht, ein paar Tage rumzufahren und vor fremden Leuten zu spielen und im Studio zu arbeiten. Dann kam irgendwann so ein: Okay, wir wissen jetzt ganz genau, wie es sein soll. Dann kam auch der Wandel, auf Deutsch zu singen. Auf der zweiten EP war aber auch schon ein deutscher Titel dabei – da haben wir das sozusagen ausgetestet und uns irgendwie wohler gefühlt. Gerade auch, weil wir finden, dass unser Humor natürlich besser kommt, wenn wir in unserer Muttersprache singen können, weil das einfach im Englischen viel viel schwieriger ist. Und wir wollten halt immer, dass Inhalte genauso wie wir sie sagen wollen, auch ankommen. Ich finde, durchs Englische macht man manche Sachen ein bisschen blumiger und schwammiger und im Deutschen sagt man einfach, so ist es und so wird es dann auch wahrgenommen.
Johann, wie ist es denn für dich, mit zwei Schwestern in einer Band zu sein? Ist das manchmal auch ein wenig anstrengend?
Johann Nö, ist alles okay, alles bestens eigentlich.
otta Wir haben ihm gerade eine Waffe an den Rücken gehalten, damit er das sagt! (lacht)
Nina Ich finde, wir sind auch zu dritt ein bisschen wie Geschwister – wir sind eigentlich zu dritt aufgewachsen. Das war von daher nie so ein: Oh Gott, ich komme hier in ein eingeschweißtes Team herein – wir waren schon immer zu dritt.
Im Sommer habt ihr zusammen mit vielen anderen deutschen MusikerInnen ein Cypher-Video zu eurem Song „Sanifair Millionär“ gemacht – habt ihr das Gefühl, dass diese jüngere Indie-Generation von MusikerInnen mehr miteinander arbeitet als konkurrierend? Mir kommt es so vor, als sei da seit einigen Jahren sehr viel Kollegialität zu finden …
Lotta Ja, ich finde schon. Ich kann natürlich nicht sagen, wie das in der Generation vor uns war, aber es ist auf jeden Fall so, dass wir alle sehr gut miteinander vernetzt sind und uns auch gegenseitig alles gönnen.
Johann Wir haben auch in den letzten Jahren super viele Festivals und Supportshows gespielt – da waren viele von den KünstlerInnen mit dabei, die wir jetzt auch im Cypher hatten. So hat man sich einfach kennengelernt und dann sind viele nette Kontakte entstanden. Wenn man das ganze Jahr unterwegs ist, ist es auch cool, Leute zu haben, die man immer wieder sieht.
Nina Ich weiß nicht, ob das mit einer Generation zu tun hat, aber ich finde es auch einfach schlau, wenn man sagt: Okay, man ist den ganzen Sommer auf Festivals und sieht sich ständig im Backstage, dann ist es doch einfach cool, wenn man sich mag und sich freut, sich wiederzusehen. Dann ist es nicht nur von Vorteil, sich zu connecten, sondern es macht Spaß, sich auszutauschen. Andere Freunde, die man zum Beispiel in Chemnitz hat, die kennt man schon ewig, aber das sind keine Bands – oder zumindest wenige von denen – und die verstehen dann auch oft manche Sachen nicht und können Dinge nicht so nachvollziehen, wie dass zum Beispiel die Leoniden können, die halt auch einfach viel live spielen.
Ist es dadurch auch einfacher, so viel auf Tour zu sein? Weil man ständig Leute trifft, die man kennt und dadurch immer was Vertrautes hat?
Nina Ich glaube, man muss da auch einfach prinzipiell Spaß dran haben. In jedem Club gibt’s ja eine Abendverantwortliche oder einen Abendverantwortlichen, man lernt ja jeden Abend neue Leute vom Club kennen oder bei Festivals und man muss, glaube ich, einfach Bock da drauf haben, ständig neue Leute kennenzulernen.
Johann Aber wir freuen uns auf jeden Fall immer, wenn Leute da sind, die wir schon kennen.
Ihr zeichnet euch ja unter anderem durch einen gewissen Selfmade-Style aus – zum Beispiel, was eure Choreografien angeht oder auch eure Freestyle-Videos auf Social Media… Was bewegt euch zu diesem Signature Move – möglichst authentisch sein oder einfach der Spaß an der Freude?
Lotta Es ist nicht so, dass wir einen Masterplan haben, wie wir möglichst authentisch sind und das deshalb machen. Es ist schon eher so, dass wir relativ naiv an die Sache herangegangen sind und einfach gemacht haben, worauf wir Bock haben und Leute dann gesagt haben: Ah, okay, das ist so selfmade und wirkt so authentisch. Also, das war eigentlich keine Intention, aber jetzt stecken wir da halt einfach drin. Wir haben einmal angefangen mit diesen Ankündigungsvideos und jetzt müssen wir das halt weitermachen! (lacht)
Fotos Anja Jurleit