Ich habe Feuer in mir!

Pop-Ikone Elif erzählt über den Entstehungsprozess ihres vierten Studioalbums.

Elif, die deutsch-türkische Sängerin aus Berlin, präsentiert ihr viertes Soloalbum. Im April geht sie damit auf ihre bisher größte Tour. In den zum Teil sehr dunklen Liedern auf „Endlich tut es wieder weh“ setzt sie sich mit sich selbst auseinander. Die 30-Jährige war Coach bei „The Voice Of Germany“, wirkte in der letzten Staffel von „Sing meinen Song“ mit und wurde 2019 mit dem Musikautorenpreis der Gema ausgezeichnet. Das mit Katja Krasavice aufgenommene Duett „Highway“ bescherte ihr 2021 einen Nummer-1-Hit. Mit Elif Demirezer sprach Olaf Neumann über Liebe, Schmerz und ihr Leben als Single in Berlin.

 

Auf Deinem neuen Album „Endlich tut es wieder weh“ hast Du sehr viel musikalische Sorgfalt verwendet. Hattest Du eine klare musikalische Vision?
Nein. Als ich irgendwann den Albumtitel „Endlich tut es wieder weh“ gefunden hatte, ging die Reise so richtig los. Ich fing an, jeden Song, den ich neu geschrieben hatte, mit ihm zu vergleichen und zu schauen, ob es das eigentlich ist.

„Es ist nicht leicht, Mensch zu sein“, stellst Du in einer dunklen Ballade mit Gastsänger 1986zig fest. Um welche Ereignisse geht es da?
Es ist eine fiktive Geschichte, ein Film zum Hören. Es geht darum, was Liebe und Schmerz mit einem machen. Wir alle sind sehr stark beeinflusst von Filmen und streben manchmal danach, so zu lieben wie im Film. Ich wollte diese schmerzhafte Liebe einmal festhalten.

Warum sprichst Du so oft unangenehme Dinge an?
Ich wollte schon immer die Wahrheit aussprechen. Unangenehme Dinge werden in vielen Familien schnell unter den Teppich gekehrt, weil man nicht gelernt hat, darüber zu reden. Ich möchte aber diese Dinge ansprechen, damit sie sich nicht in einem aufstauen. Das habe ich wirklich verinnerlicht.

Ist es heilsam, Lieder wie „Endlich tut es wieder weh“ zu schreiben?
Im Nachhinein ja. Ich merke jetzt erst so richtig, was ich alles gefühlt und aufgeschrieben habe. Mit war gar nicht bewusst, dass bestimmte Dinge mir so nahe gegangen sind. Für mich als Künstlerin sind diese Lieder wie Tagebucheinträge oder Tattoos. Ich werde immer wieder gefragt, warum ich keine Tattoos habe, aber meine Songs sind doch wie Körperverzierungen.
Ohne Tattoos ist man heute fast schon ein Außenseiter…
Ja, nicht wahr. Ich glaube, ich bleibe lieber beim Songschreiben und werde mich auf diese Weise verewigen.

Das Klischee eines Künstlers lautet, nur eine gequälte Seele könne große Kunst schaffen. Ist da was dran?
Das kann man nicht verallgemeinern. Aber ich persönlich habe schon sehr viel Inspiration aus Schmerz gezogen. Mein Album heißt „Endlich tut es wieder weh“, weil ich aus Schmerz etwas Positives gemacht habe. Er war eine wichtige Sache, damit ich als Künstlerin vorankomme. Er macht dich nicht zu einem besseren Künstler, aber: Gerade weil ich in meinem Leben so viel Scheiße erlebt habe, spüre ich, dass ich wieder aufstehen werde, sollte mir so etwas noch einmal passieren. Kennst Du die Zeile „Gekommen, um zu bleiben“ von Wir sind Helden? Das bin ich.

Du hast Dich als Feministin bezeichnet. Wie definierst Du für Dich Feminismus?
Ich bin grundsätzlich Feministin, weil ich dafür bin, dass jede Frau – und jeder Mann – würdevoll in Freiheit lebt. Jeder soll das tun, was er für richtig hält. Ich möchte auch nicht, dass jemand mir etwas vorschreibt. Ich darf alles!

Brauchen Frauen im Musikgeschäft sehr viel mehr Selbstbewusstsein als Männer?
Ich merke oft, dass ich heute aufgrund meines Alters viel ernster genommen werde als Frau. Weil ich mich nicht mehr so viel erklären muss. Ich bin jetzt 30 und die Leute wissen, dass ich Lebenserfahrung habe und kein kleines Mädchen mehr bin. Man kann mich nicht mehr so schnell hinters Licht führen. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich jetzt 20 wäre, aber ich hatte es auf jeden Fall nicht so leicht.

2009 wurdest Du mit 16 Jahren Vize-Siegerin bei der Castingshow „Popstars“. Bei vielen Künstlern, die früh starten, ist das Erwachsenwerden die schwierigste Phase. Wie bist Du mit dem frühen Erfolg klar gekommen?
Ich habe die Neigung, manchmal in meiner Blase zu leben. Ich wurde zwar schon auf der Straße erkannt, aber die Leute verhalten sich mir gegenüber sehr respektvoll. Von dem ganzen Erfolg habe ich gar nicht so viel gespürt, allenfalls, wenn ich auf Tour war. In Deutschland kann man eigentlich ganz entspannt als Musiker durch die Stadt gehen. Den Erfolg spüre ich eigenlich jetzt erst so richtig. Mit 20 wäre ich mit diesem Pensum nicht klar gekommen.

In Deinen Beziehungsliedern geht es nicht um den typischen Herz-Schmerz. Ist die Liebe heute schwieriger als früher?
Mit Anfang 20 habe ich nicht verstanden, wenn ein 30-Jähriger meinte, es werde für ihn immer schwieriger, sich zu verlieben. Heute verstehe ich das, weil ich viel besser weiß, wer ich bin. Man sucht sich nicht mehr so schnell jemanden aus. Der Prozess des Verliebens ist komplexer geworden. Aber wenn man dann doch jemanden gefunden hat, ist es ganz leicht. Und das habe ich einfach noch nicht.

Vielleicht lassen wir uns auch immer wieder auf komplizierte Beziehungen ein.
Ja, aber wir lieben manchmal auch unseren Schmerz. Wenn man immer wieder Schmerzhaftes erlebt, kann man irgendwann damit umgehen. Im besten Fall hoffe ich für alle da draußen und für mich, dass man sich in jemanden verliebt, der einem gut tut und dass wir uns nicht in toxischen Beziehungen wiederfinden.

Mit „Wenn ich sterbe“ hast Du ein Anti-Liebeslied und gleichzeitig ein Lied über Ihr eigenes Ende geschrieben. Fiel Dir das schwer?
Gar nicht, der Song ist ja auch humorvoll. Mir ist aufgefallen, dass sich Leute, mit denen man früher mal verbunden war, sich daran manchmal aufgeilen und über Dinge reden, die man für sich längst begraben hat. Das stört mich, denn man hat ja gar nichts mehr miteinander zu tun. Vergangenheit ist Vergangenheit.

„Die Stadt, die niemals schläft/jeder unter Leistungsdruck“, singst Du in dem Stück „Bomberjacke“ über Berlin. Wie inspirierend ist das Leben in der Hauptstadt?
Sehr. Ich bin hier groß geworden. Die Straßen erinnern mich an meine Kindheit und Jugend. Berlin hat einen eigenen Vibe, den ich anderswo in Deutschland so noch nicht erlebt habe. Ich fühle mich hier zuhause.

Wie sehen Deine Eltern heute Dein Leben als Musikerin?
Ich wollte mich eigentlich nie von meinen Eltern abnabeln, aber das Problem war, sie fanden nicht gut, was ich mache. Ich kann sie heute gut verstehen, weil meine Branche ziemlich schmutzig und sehr tough ist. Eltern wollen nicht, dass ihre Tochter verletzt wird. Aber ich musste Fehler begehen, um weiterzukommen. Ich musste da alleine durch, was sie damals nicht begriffen haben. Mittlerweile verstehen meine Eltern, warum ich das machen musste.

Was willst Du in Zukunft noch erreichen – hast Du einen Masterplan für das nächste Jahrzehnt?
Ja, diesen Plan habe ich tatsächlich schon. Ich hoffe, dass ich in den nächsten zehn Jahren nicht nur Musik machen werde. Mehr möchte ich im Moment nicht verraten, aber Du wirst es bestimmt mitbekommen.

Foto Edgar Berg

Vergiss nicht, abzustimmen.
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Olaf Neumann

Geschrieben von Olaf Neumann

Die Macht der Musik

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