Braunschweigs fast vergessene ehemalige Rennstrecke am Prinzenpark steht durch eine engagierte Community digital wieder auf.
Die allerwenigsten dürften beim Durchqueren des Prinzenparks in Braunschweigs östlichem Ringgebiet die Vermutung aufstellen, dass hier einmal eine Wettkampfstrecke für Motorad- und Formel-3-Rennen Platz hatte. Der 3,8 Kilometer fassende Rundkurs ist nun seit Ende 2023 wieder mit Rennmaschinen befahrbar, zumindest digital! Der Argentinier Sergio Loro hat in Zusammenarbeit mit dem in Braunschweig lebenden Yannik Haustein mithilfe alter Karten und Fotorecherchen ein detailgetreues Abbild geschaffen, auf welchem nun in der Rennsimulation „Asetto Corsa“ mit historischen, wie modernen Fahrzeugen gefahren werden kann. Haustein, geboren 1991, kommt aus Gifhorn und wurde einst in der goldenen Schumacher-Ära des deutschen Motorsports mit der Leidenschaft infiziert, wie er uns erzählt: „Jeder zweite Sonntag meiner Kindheit war im Prinzip ab 14 Uhr heilig.“
Recherchen und Archiv
Yannik zog 2011 fürs Studium nach Braunschweig, arbeitet mittlerweile für Online-Blogs, die sich mit Sim-Racing beschäftigen und moderiert einen eigenen Podcast zum Thema. „2019 bin ich in die Marienstraße gezogen, im Prinzip ein paar Meter entfernt von der ehemaligen Startlinie“, erzählt er. Über einen – zwar sehr kurzen, aber immerhin existenten – Wikipedia-Artikel stieß Yannik schließlich auf Literaturverweise des hiesigen Motorsport-Urgesteins und langjährigen BZ-Chefredakteur Eckhard Schimpf. Schimpf fuhr seinerseits bis in die 80er Jahre verschiedenste Autorennen und fungiert bis heute als Autor und Kolumnist zu Themen des Motorsports und braunschweigischer Historie. Schimpf selbst, 1938 geboren, war als Jugendlicher Augenzeuge des letzten je im Prinzenpark gefahrenen Rennens 1951.
Eine Idee wird konkret
„Ich fand die Idee so charmant, selber die Strecke mal nachzufahren, habe es dann aber zunächst abgetan, weil den Kurs eigentlich niemand kennt“, berichtet der 32-Jährige Haustein. Doch 2022 baute er den Draht zum argentinischen Community-Creator Sergio Loro auf. Loro hat bereits eine Vielzahl historischer Strecken aus der ganzen Welt digital nachgebaut. Unter dem Banner F3 Classic Tracks betätigt sich der emsige Südamerikaner im Sinne der Konservierung des Rennsports von einst. Mithilfe von Schimpf und seinen Erinnerungen an kleinste Details der aktiven Rennstrecke und akribischer Fotodokumentation vor Ort konnte Yannik Haustein die Infos zusammentragen, die Sergio Loro dann zu einer authentischen Abbildung zusammenfügte. „Eckhard Schimpf anzurufen stellte sich als richtig gute Entscheidung heraus“, lobt Haustein. „Er konnte sich zum Beispiel noch sehr gut an die damals vorhandenen Straßenbeläge erinnern, das war wirklich Gold wert, ich hätte sonst ewig Archive durchkämmen müssen, um auf alten Fotos irgendwie überhaupt eine Ahnung über solche Details zu bekommen.“
Gelungene Umsetzung
Loro selbst bezeichnet das nun fertige Resultat als ein Meisterwerk. „Ich würde dem mal zustimmen“, freut sich Haustein. „Es war so ein cooles Gefühl, zum ersten Mal die finale Karte abzufahren, plötzlich ist deine ehemalige Hood, wenn man so will, digital, so wie es damals vielleicht hätte sein können. Ich hab beim Spielen die ganze Zeit gegrinst.“ Die kostenlose Strecke wurde auf der Plattform RaceDepartment.com bisher über 2300-mal heruntergeladen, das Feedback aus der Community ist durchweg positiv.
Und nun? Haustein versteht das Projekt insgesamt auch als eine Art digitales Museums-Exponat und schlägt weiter vor: „Vielleicht könnte man am Prinzenpark über die Anbringung einer braun-weißen Infotafel nachdenken, die über historische Gebäude, Plätze und Personen informiert, um an diese Rennen hier zu erinnern.“
Screenshots Yannik Haustein