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Heavy Metal goes Hollywood

SUBWAY im Gespräch mit den internationalen Hannoveraner Superstars

Die Scorpions sind bis heute der größte musikalische Exportschlager Deutschlands. Nun nimmt sich Hollywood der Geschichte der Gruppe an, die 1965 in Sarstedt nahe Hannover begann. „Wind of Change” heißt das Projekt des US-iranischen Filmproduzenten und Schauspielers Ali Afshar, das rechtzeitig zum 60. Bandgeburtstag fertiggestellt sein soll. Doch zuvor werden die Scorpions noch mit ihrem berühmtesten Album auf Deutschlandtour gehen. Von Frontmann Klaus Meine erfuhr Olaf Neumann, wie alles angefangen hat, warum er den Welthit „Wind of Change” noch einmal abgeändert hat und weshalb sein Optimismus unerschütterlich ist

Auf Ihrer aktuellen Tour feiern Sie das 40. Jubiläum Ihres berühmten Albums „Love At First Sting“. Wollten Sie mit dieser Platte gezielt Amerika erobern?

Klaus Meine: Nach dem großen Erfolg von “Blackout” war es gar nicht so einfach, einen Nachfolger auf den Weg zu bringen, aber mit “Love at first Sting” ist es uns dann geglückt. Wir waren damals besonders viel und auch erfolgreich in den USA unterwegs. Dort gelang uns 1982 mit „No one like you“ ein Hit. Heavy Rotation beim jungen Sender MTV und ein Auftritt beim US-Festival in Kalifornien haben uns schließlich zum Durchbruch verholfen. “Love at first Sting” hat das alles noch einmal unterstrichen. Rückblickend war es unser erfolgreichstes Album in Amerika.

Bekanntester Song des Albums ist „Rock you like a Hurricane“. Dank seines gewaltigen Riffs gehört er neben „We will rock you” oder „Born in the USA“ zu den größten Rockhymnen aller Zeiten. Haben Sie sofort gespürt, dass Sie Musikgeschichte geschrieben hatten?

Wir wussten schon, dass es ein starkes Riff ist und der Song auch einen starken Titel braucht. Dass es einmal ein klassischer Rocker werden sollte, haben wir nicht geahnt. Uns war aber bewusst, dass “Love at first Sting” insgesamt ein starkes Album und „Rock you like a Hurricane“ das Tüpfelchen auf dem i war. An der Hookline und dem Text haben wir lange gefeilt. Das Stück ist mit der Zeit zu einem ikonischen Song geworden, der heute noch bei großen Veranstaltungen in den USA und in vielen Filmen und Serien wie „Stranger Things“ eingesetzt wird. Es ist auch ein Klassiker unseres Live-Repertoires.

Herman Rarebells schlüpfrige Gedanken sollen zu dem expliziten Text geführt haben.

Die Hookline „Rock you like a Hurricane“ war zuerst da, sie stammt von mir. Und Herman, der ständig rock’n’roll-mäßig unterwegs war, hatte Zeilen gefunden, die teilweise unter der Gürtelline waren. Wäre es nach ihm gegangen, hätte es noch kräftiger ausfallen können. Aber die Plattenfirma spielte da nicht mit. Der Titel allein sagt ja schon alles.

Bei der „Love at First Sting”-Tour sind Sie im Januar 1985 beim Rock-in-Rio-Festival vor 470.000 Zuschauern als Headliner aufgetreten.

Beim allerersten Rock in Rio, das inzwischen legendär geworden ist, spielten wir zusammen mit Queen und AC/DC. Dieses unglaubliche Festival hat uns auch in Südamerika den Durchbruch gebracht. 40 Jahre später performen wir alle Titel des Albums, einige sogar zum ersten Mal, “The same Thrill” zum Beispiel. Auch das bei Fans populäre „I’m leaving you” haben wir wieder in die Setlist aufgenommen. Und von „Crossfire“ gab es bisher nur eine instrumentale rocksinfonische Fassung. Jetzt spielen wir das Stück in einer krassen Rockversion. All diese Songs wieder zum Leben zu erwecken macht ist einfach cool.

Seit der russischen Invasion in der Ukraine spielen Sie die Friedenshymne „Wind of Change” nicht mehr in der Originalversion. Welche Veränderung hat der Text seither genommen?

Der Text von “Wind of Change” hat sich in der Tat noch einmal verändert. Zwei Jahre lang haben wir die Ukraine-Version gespielt, die unsere Solidarität mit der Ukraine ausdrücken sollte. Und im Oktober 2023 geschah der Überfall der Hamas auf Israel. „Wind of Change” wird in der Welt als Friedenshymne wahrgenommen. Und jetzt heißt es: „Listen to my Heart/It still believes in Love“. Was bedeutet, dass wir nach all dem, was gerade in der Welt passiert, immer noch an das Gute glauben und darauf hoffen, dass der Wind sich dreht.

Darf man auch in schweren Stunden seinen Optimismus nicht verlieren?

Genau das soll der Song ausdrücken. Ich war schon immer ein zuversichtlicher Mensch und auch umgeben von Menschen wie Rudolf Schenker, der wie ich einen unerschütterlichen Glauben hat: Egal, wo du herkommst, wenn du an dich glaubst und stark genug bist, wirst du deinen Weg gehen.

Die erfolgreiche Filmproduktionsfirma ESX Entertainment hat sich die Rechte an dem Stoff „Wind Of Change“ gesichert. Was interessiert Hollywood an der Geschichte der Scorpions?

Verglichen mit amerikanischen oder internationalen Künstlern haben die Scorpions im Musikbusiness aus der Sicht von Hollywood eine ganze eigene Geschichte aufzuweisen. Der iranischstämmige Schauspieler, Regisseur und Producer Ali Afshar hat sich diesem Projekt verschrieben. Er betrachtet uns aus einem anderen Blickwinkel. Rudolf Schenker, Matthias Jabs und ich sind nach dem Krieg in Norddeutschland aufgewachsen. Wir sind einfach Jungs, die sich ihren Rock’n’Roll-Traum erfüllt und mit ihrer Musik die ganze Welt begeistert haben. Das ist eine außergewöhnliche Geschichte, die nichts mit den üblichen Rock’n’Roll-Stories zu tun hat. Sie ist auch geprägt durch den Kalten Krieg, dessen Ende und dem Fall der Mauer.

Der in Frankreich geborene Filmemacher Alex Ranarivelo („American Wrestler: The Wizard”) wird Regie führen.

Wir haben Alex und das ganze Team in den Warner-Bros-Studios getroffen. Da sind gute Filmleute involviert, und wir haben das Gefühl, dass wir dort in den besten Händen sind.

Haben Sie ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Films?

Es ist dafür noch ein bisschen früh, aber wenn das Casting erst einmal begonnen hat, werden wir sicherlich auch ein gewisses Mitspracherecht haben. Im Großen und Ganzen vertrauen wir aber Ali und seinem Team. Er ist aus dem Iran geflüchtet und lebt schon seit vielen Jahren in den USA. Seine eigene Geschichte ist auch sehr spannend, und er betrachtet die Scorpions aus einem ganz anderen Blickwinkel. Gerade das macht es für uns interessant. Wir freuen uns auf 60 Jahre Scorpions und hoffen, dass vom Timing her alles ineinandergreifen und der Film nächstes Jahr herauskommen wird. Aber ich kann jetzt schon sagen, wir werden das Bandjubiläum gebührend feiern.

Wird der Film auch in Hannover und in Sarstedt gedreht, wo die Band ursprünglich gegründet wurde?

Das mag wohl so sein. Ich weiß, dass die Filmleute vor kurzem hier waren und sich all die Originalschauplätze angesehen haben.

Ali Afshar sagt: “Die Musik der Scorpions hat unsere Kultur in hohem Maße durchdrungen.” Wie erklären Sie sich, dass die deutsche Band Scorpions mit Musik made in Germany die amerikanische Kultur so sehr geprägt hat?

Gute Frage. Ich glaube, letztendlich hat es zum einen mit den kompositorischen Fähigkeiten der Band zu tun. Über all die Jahre und in den verschiedensten Besetzungen hatten wir immer starke Songschreiber in der Gruppe. Von Michael Schenker über Uli Jon Roth bis zu Rudolf Schenker. Der andere Aspekt, der uns dazu verholfen hat, auf der Weltbühne mitzuspielen, sind die Live-Konzerte. Wir sind schon sehr früh kreuz und quer durch Europa getourt. Als junge Band haben wir erste Erfahrungen in kleinen Clubs in England, Frankreich und den Beneluxländern gesammelt. Das war eine sehr wichtige Zeit für uns. Und dann kamen wir nach Japan und in die USA.

In Japan haben Sie 1978 eine wahre Scorpionsmania erlebt, den totalen Starrummel.

Ein Live-Album wie „Tokyo Tapes“ hat dabei eine große Rolle gespielt. Überhaupt waren die Konzerte in Japan für uns das Sprungbrett in die USA. Bei unseren Konzerten haben wir immer abgeliefert. Mit Bands wie Van Halen, Aerosmith und AC/DC, die damals ebenfalls am Anfang ihrer Karriere standen, sind wir zusammen auf Tour gewesen, monatelang. Da musste man sich behaupten, um in der Formel 1 der Rockmusik mitzufahren. Und dieses verrückte Leben on the road hat sich in vielen Songs widergespiegelt. Die haben wir uns nicht zuhause in Hannover ausgedacht, sondern das war gelebter Rock’n’Roll. Und den haben wir dann so performt, dass die Jungs aus Hannover auch die amerikanischen Fans überzeugt haben. Und deswegen ist die Geschichte der Scorpions auch einmalig.

Die größten Rockstars auf diesem Planeten gehören zu Ihren Fans. Kirk Hammett von Metallica etwa bezeichnet Hannover als großen Teil seiner musikalischen Identität. Wäre es reizvoll, einmal ein Album mit Ihren Freunden von AC/DC, Metallica oder Smashing Pumpkins aufzunehmen?

Eine schöne Idee, absolut. Wer weiß, was noch alles möglich ist. Gerade habe ich unseren lieben Freund Brian Johnson von AC/DC getroffen. Wir haben lange zusammen gesessen und uns von Sänger zu Sänger ausgetauscht. Das war einfach großartig. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren. AC/DC gelten zu recht als die größte Band der Welt.

Könnten Sie sich auch vorstellen, die Musiker von Ihrem 1972er Debütalbum „Lonesome Crow“ als Gäste in die Show zum 60. Bandjubiläum zu integrieren?

Ein Wiedersehen mit ihnen wird es bestimmt geben. Ob auch auf der Bühne, werden wir sehen. Es ist jedenfalls ein schöner Gedanke, einmal zurück zu den Anfängen zu gehen um auch unsere ehemaligen Mitmusiker zu würdigen. Es gibt viele Ideen für das Jubiläumsjahr. 60 Jahre Scorpions ist ein ganz besonderer Moment in unserer langen Geschichte – es ist ein Privileg, heute für drei Generationen zu spielen und zu sehen, dass wir auch die jungen Rockbeliever erreichen. Wir freuen uns auf unsere deutschen Fans im September.

Fotos Marc Theis

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Olaf Neumann

Geschrieben von Olaf Neumann

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