GroßerHausBesuch mit Bosse
28. und 29. September/
Staatstheater (BS)
staatstheater-braunschweig.de
Der berühmteste Sohn der Stadt kehrt zurück: Bosse spielt am 28. und 29. September gleich zwei Konzerte im Staatstheater.
Es sind gar nicht viele Worte nötig, um zu erklären, wer Aki beziehungsweise Axel Bosse ist – in Braunschweig kennen und lieben ihn alle. Blättert man durch alte SUBWAYs, lächelte einen kein anderes Gesicht so häufig entgegen wie das von Bosse. Fun Fact: Nach dem Aus seiner Band Hyperchild spielte Aki sein erstes Solo-Konzert auf einer SUBWAY-Party. Spätestens 2013 schaffte es der Sunnyboy mit seiner Gold-Single „Schönste Zeit“, auch über die Grenzen der Region hinaus große Wellen zu schlagen und zu einer der einflussreichsten Musik-Größen der Republik heranzuwachsen. Zwei Nummer-1-Alben später steht nun seine achte Platte „Sunnyside“ in den Regalen und damit kommt Bosse am 28. und 29. September gleich zwei Mal zurück in seine Hometown, um im Staatstheater Braunschweig den GroßenHausBesuch zu spielen. Während einer kurzen Tourpause holten wir uns unseren alten Freund Axel mal an die Strippe, um über sein neues Album, politische Songs und Omelett zu plaudern.
Aki, schön, dass wir heute quatschen können!
Wie schön das ist, mal wieder eine Braunschweiger Nummer zu wählen. Geht ganz leicht von der Hand.
Du bist gerade auf Tour. Wie ist das so nach der langen Pause?
Es fühlt sich total routiniert an. Wobei – wir haben gerade vorletztes Wochenende die ersten drei Konzerte gespielt und das war schon nochmal so wie neu. Als würde man nach einer langen Verletzung endlich mal wieder gehen können. Ja, es hat offenbar schon ganz schön gefehlt. Wir haben jetzt vor Menschen in Strandkörben gespielt – so wie das Helge Schneider auch gerade gemacht hat. Ihm hat das nicht so gut gefallen. (lacht) Uns hingegen hat das sehr, sehr gut gefallen.
Dein neues Album „Sunnyside“ kam gerade raus und du hast gleich zwei Konzerttermine in deiner Heimatstadt. Wie fühlt sich das an?
Das fühlt sich richtig gut an. Ich freue mich einfach immer. Ich meine, ich bin auch genau da umme Ecke zur Schule gegangen. Braunschweig ist eben meine Heimatstadt und wann immer ich da oder irgendwo in der Region spiele, dann ist es noch mal anders als sonst irgendwo. Meine Schwester kommt dann, meine Eltern kommen …
Kommst du dann richtig nach Hause und schläfst nach deinem Auftritt bei deinen Eltern?
Ja, total. Alle anderen schlafen im Hotel oder im Bus und ich schlafe natürlich bei meinen Eltern und jetzt auch gerade nach der langen Lockdown-Zeit und nachdem alle geimpft wurden, erst recht. Aber ich muss sagen, dass ich diesen Weg von Hamburg nach Berlin eigentlich immer nutze, um doch noch mal in Braunschweig Halt zu machen. Deswegen bin ich eigentlich recht regelmäßig alle zwei Wochen in der Stadt.
Wenn du dann da bist, was ist dein „Hallo Hometown“-Moment hier?
Tatsächlich wirklich der Bahnhof, der ja nicht der schönste der Welt ist, aber es ist irgendwie so. Ansonsten ist es für mich diese ganze Ecke um den City-Point. Das ist eigentlich so meine Braunschweig-Ecke. Ich bin auf der Kleinen Burg zur Schule gegangen und dann habe ich eigentlich meine ganze Jugend da in dieser Ecke rumgelungert. Wenn man geschwänzt hat, hat man da in irgendeinem Café gesessen und ansonsten sind es aber eigentlich eher, wenn es um eine frühe Jugend geht, natürlich die Felder draußen und das Land.
Lass uns doch mal ein bisschen über dein neues Album quatschen. Du hast bereits auf dem letzten Album angefangen, dich politischer zu positionieren und für Toleranz zu singen. Was hat sich seitdem verändert? Was hat dich für deine neuen politischen Songs inspiriert?
Es hat mich so vieles immens inspiriert, weil es einfach so vieles gibt, was irgendwie schiefläuft. Es ist mir noch vor ein paar Jahren wirklich total schwergefallen, politische Äußerungen in Songs zu packen. Ich habe aber dann doch damit angefangen, weil ich gemerkt habe, dass meine Fans auch irgendwie gute Leute sind, die Lust haben, Sachen zu bewegen und zu unterstützen. Die haben auch Bock, laut zu sein gegen rechts, die haben Lust, Spenden zu sammeln für Geflüchtete oder für Bedürftige. Und dann habe ich eigentlich ja wirklich erst beim letzten Album angefangen, mich da auch „nur“ mit einer Nummer ranzuwagen, was es eigentlich bedeutet, wenn man in der Musik politisch wird und anfängt, sich zu äußern. Das ist echt ein anderes Spielfeld, als was ich sonst so mache. Meistens gehts in meinen Songs ums Glück, um die rennende Zeit, ums Jungsein, um das Altwerden, um Freundschaft und Liebe. Gesellschaftliches und politisches Texten ist echt krass, weil man an sich eine total heftige Erwartungshaltung hat und man den Kopf sofort sehr weit aus dem Fenster hält. Das bedeutet, man darf dabei keine Angst haben. Und das habe ich diesmal eben versucht. Ich klage dann eben in so einem Song wie „Paradies“ eigentlich schon alle Sachen an, die ich gerade gesellschaftlich scheiße, schwierig oder verbesserungswürdig finde und wollte dann aber natürlich einen Kniff haben. Dann bin ich irgendwie auf diesen, ich sag mal, „utopisch feuchten Traum“ gekommen, dass man eben sagt: Ey, es ist ja eigentlich viel besser für alle Beteiligten, also auch für die Leute, die es vielleicht noch nicht verstanden haben, das Ding umzudrehen. Und da, wo ich mich gerade hingeträumt habe, war alles das, was hier gerade echt scheiße läuft oder was verbesserungswürdig ist, wieder in Ordnung.
Als ich „Paradies“ zum ersten Mal gehört habe, hatte ich so ein Gefühl von „Imagine“ à la Bosse. Sich musikalisch in eine Welt träumen, die einfach besser ist …
Okay, das ist wirklich ganz lieb. Das ist das erste Mal, dass irgendwer etwas mit den Beatles oder mit Lennon sagt und mit meiner Musik – außer, dass ich auch immer a-Moll und G spiele! (lacht) Aber danke! Ja, da habe ich mich langsam rangetastet. Man muss aber sagen, dass dieses Schreiben von solchen Sachen – Alter, das ist so anstrengend! Und es hat mich wirklich viel Kraft gekostet. Ich habe für diesen Text, der vielleicht ein bisschen länger als so manch anderer Bosse-Text ist, wirklich ein halbes Jahr gebraucht, weil ich ihn immer wieder rausgeholt habe, immer wieder Sachen verändert habe. Eigentlich hätte ja jedes Thema auch noch mal einen eigenen Song verdient – deshalb dann auch der zweite Song zu diesem Thema mit Disarstar. Ich merke gerade, dass es für mich fast keinen Sinn mehr macht, nur noch über Gefühle zu schreiben, außer es sind tiefe Depressionen. Oder manchmal kann es auf dem Album auch mal was sein wie „Wild nach deinen Augen“ – der Song sagt einfach nur: Ey, bitte den Song hören und danach sofort bumsen gehen. Das ist auch in Ordnung. Aber es macht für mich reichlich mehr Sinn, gesellschaftlich zu sein, weil es einfach gerade ‘ne total wichtige Zeit ist und eine Zeit, in der sich alles spaltet, aber auch super viel besser wird und ich totaler Fan von der Jugend bin. Fast alle Jugendlichen, die ich kenne, sind einfach anders sozialisiert als vielleicht noch meine Generation oder auch meine Elterngeneration und da ist irgendwie so ein Wums drin. Und damit meine ich gar nicht nur Fridays for Future oder so, sondern alles. Bei meiner Tochter und in ihrem Alter ist es völlig egal, ob jemand Weihnachten feiert oder nicht; ob ihr bester Freund einen Jungen liebt – alles völlig egal, ist alles ganz normal. Und dann merke ich eben einfach: Es gibt noch so viel zu tun, aber das hängt selten an den jungen Leuten als vielmehr an den alten Säcken.
„BEI MEINER TOCHTER UND IN IHREM ALTER IST ES VÖLLIG EGAL, OB JEMAND WEIHNACHTEN FEIERT ODER OB IHR BESTER FREUND EINEN JUNGEN LIEBT – ALLES GANZ NORMAL”
Zum Thema über Gefühle singen: Machst du dir Gedanken, wenn du Lieder wie „Nebensaison“ schreibst, was die Leute darüber denken und wie deine Gefühle rüberkommen?
Ich muss darauf scheißen, was die Leute sagen. Das habe ich schon mit 21 gemerkt. Mir ist egal, ob jemand sagt: „Du tanzt wie der dümmste Idiot.“ Mir ist egal, ob jemand das richtig scheiße findet, was ich mache. Auf der anderen Seite ist es mir dann aber eben überhaupt nicht egal, wenn jemand vielleicht eine schlimme Krebserkrankung mit meiner Musik übersteht oder so. Ich habe es mittlerweile ganz gut drauf, die guten Sachen total aufzusaugen und bei den schlechten Sachen manchmal einfach nur zu lachen. Ich kann ja nicht mehr als mein Bestes geben und das veröffentlichen, was ich selbst gut finde!
In der Pressemitteilung zum neuen Album steht: „Musikersein, Künstlersein ist für Bosse eine Lebensentscheidung“. Hast du daran während des Lockdowns mal Zweifel bekommen?
Nee, es gibt einfach kein Zurück mehr. Das einzige Mal, dass ich in meinem Leben daran gezweifelt habe, ist jetzt genau 16 Jahre her. Das war, als meine Frau einen okay-dicken Bauch hatte, weil da ein Baby drin war, und ich vor ihr saß und gesagt habe: „Ganz ehrlich, Baby! Ich verdiene kein Geld! Was kann ich machen? Ich muss eine Ausbildung machen, muss irgendwie was anderes machen. Ich muss arbeiten gehen, ich muss nochmal studieren, mein Abi nachholen oder irgendetwas“ – das war die einzige Nacht, glaube ich, in der ich darüber nachgegrübelt habe, ob das der richtige Beruf ist, einfach weil da dieser große Teil Verantwortung auf mich zukam und ich damals nur Miese gemacht habe mit der Musik und trotzdem viel gespielt habe. Es hat aber noch niemanden interessiert. Letztendlich hat eigentlich sogar meine Frau entschieden, dass ich mit der Musik auf jeden Fall weitermachen soll. Weil sie auch weiß, dass das ein Großteil meines Lebens ist. Das ist meine zweite große Liebe im Leben; was mich glücklich macht und meine Leidenschaft ist. Und da kann jetzt ein Jahr Lockdown oder Strandkörbe vor der Bühne nichts ändern.
Du hast jetzt acht Alben geschrieben. Erfindet man sich da automatisch immer wieder neu oder verändert man sich im Flow?
Ja, das ist auf der einen Seite ein Flow. Ich möchte nicht immer nur dasselbe machen und ich möchte mich selbst unterhalten. Ich kriege da natürlich ganz viel Gegenwind, weil ganz viele Leute möchten, dass alle meine Alben so klingen wie „Taxi“ oder „Wartesaal“. Ich kann denen das aber nicht geben, weil ich Zeitgeist schon gut finde. Deswegen sind eigentlich alle Alben immer ganz schön – um es positiv auszudrücken – divers. Es kommt aber auch immer darauf an, mit welcher Person ich arbeite.
Die Melancholie zieht sich wie ein roter Faden durch deine Musik. Wieso ist die Melancholie trotz der Traurigkeit so schön?
Na, ich glaube, weil sie eben tief ist – also im besten Falle. Mich haben die melancholischen Sachen immer mehr getroffen. Die, die irgendwie noch einen Haken, noch einen Abschied oder nur irgendetwas Trauriges hatten. Das ist vielleicht der Grund, warum das da für mich immens Sinn macht. Und wenn man dann tief geht, dann merkt man schon: Ah, es gibt ganz schön viele Issues, es gibt ganz schön viele Unsicherheiten, es gibt viel zu besprechen, total viele Sorgen und Abschiede, aber auch schöne Sachen. Und dann landet man irgendwie automatisch bei der großen Überschrift „Melancholie“.
Auf dem Cover von „Sunnyside“ stehst du im Sonnenblumenfeld, bei „Alles ist jetzt“ warst du auch in der Natur. Wieso stellst du dich so gerne ins Feld?
Tja … (lacht) Bei „Sunnyside“ war es so, dass ich mit meinem besten Freund Fotos gemacht habe an so einem Sonnenblumenfeld. Und nebenan war dann eben diese eine Blume, die du auf dem Cover unten siehst. Das ist so eine alte, kleine, verrottete Sonnenblume, fast schon getrocknet und dann war der Himmel gut und dann hat er einmal abgedrückt und das wars dann einfach. Manchmal ist es auch nicht mehr. Zu „Alles ist jetzt“ habe ich das Bild hier unten an der Elbe gemacht. Das ist ja eher so in der Art Hanffeld oder Schilf oder so. Ich finde Fotostudios echt scheiße, die nerven mich. Geschlossene Räume. Ich muss mich beim Fotos machen, weil ich das auch nicht so gern mache, immer bewegen und dann muss man eben gucken und vielleicht eher rausgehen. (lacht)
„Sunnyside“ klingt für mich nach Spiegelei – was ist denn dein Lieblings-Ei?
Gute Frage. Ich glaube, mein Lieblings-Ei ist das Omelett. Weil ins Omelett geht einfach alles, was so übrig ist. Das ist das Gute daran. Ich glaube, der Trick am Omelett ist, dass man es gut würzt und ein bisschen Parmesan hat. Dadurch, dass ich ja auch so eine heftige Türkei-Connection habe, habe ich irgendwann angefangen, roten Chili zu sammeln. Das heißt, ich habe immer so ein paar coole Sachen da, das wäre dann zum Beispiel ein Omelett mit Chili und Koriander und ein bisschen Parmesan. Dann ist es eigentlich auch egal, was du da reinballerst.
Ich kenne das auch mit Sucuk drin …
Ja, kann man auch machen. Ist geil!
Auf der Pressekonferenz im Staatstheater zum GroßenHausBesuch wurde eine kleine Anekdote angerissen, als du schon mal dort gespielt hast …
Ich habe damals im Staatstheater gespielt, ich erinnere mich noch, auf einer Schlingensief-Veranstaltung, der ja seinerzeit an der HBK doziert hat, und ich hab da einen Abend mitgestaltet. Ich glaube, das ist schon zehn Jahre her. Ja, ich erinnere mich jetzt wieder – weil die Leute nämlich mehr wollten und wir auch Bock hatten. Ich glaube, ich war da nur mit meinem Pianisten und wir haben unendlich lang gespielt, bis die irgendwann gesagt haben, dass wir jetzt aufhören müssen. Ich glaube, es waren am Ende wirklich fast anderthalb Stunden und es waren nur fünf Minuten geplant. Ja, das war schön.
Dann passt das ja perfekt im September ins Staatstheater Braunschweig. Wir freuen uns auf jeden Fall sehr, sehr doll darauf.
Ey, und ich mich erst. Und meine Band auch. Irgendwie mögen die es auch so gern in Braunschweig. Ich meine, wir haben die letzten Male immer im Raffteich gespielt, das war auch immer so bombenmäßig ausverkauft und es war immer krass gutes Wetter.
Jetzt waren nach der Konzertankündigung auch alle ganz schön aus dem Häuschen!
Das ist gut, ich freue mich! Hoffentlich sehen wir uns, dann essen wir ein Omelett mit Sucuk!
Fotos Stefan Mückner