Jannick Stuehff
Ein Einblick in Braunschweigs Freie Theaterszene
Bereits seit dem Jahr 2013 ist der Spielraum TPZ – also das „Theaterpädagogische Zentrum für Braunschweig und die Region e.V.“ – die Anlaufstelle, wenn es darum geht, Menschen aller Altersklassen für Tanz und Theater abseits des Mainstreams zu begeistern. Kinder, Jugendliche und Erwachsene bekommen hier die Möglichkeit auszuprobieren, was es heißt, in der freien Theaterszene unterwegs zu sein. Aber was ist denn eigentlich diese Freie Theaterszene? Wo passiert das alles? Und kann ich da vielleicht auch mal mitmachen? Über diese und viele weitere Fragen haben wir mit Mirja Lendt, einer Mitarbeiterin des Spielraum TPZ, und Merle Delling, der aktuellen Assistenz des Theaterklubs 6+, gesprochen.
Mach dich Frei
Das LOT-Theater Braunschweig, Gastspiel- und Produktionshaus für Freies Theater in Niedersachsen, ist das, was man in einschlägigen Kreisen ein echtes Original nennt. Nicht nur Choreograf:innen, Regieführende und Schauspielende aus Niedersachsen bekommen hier die Möglichkeit, Arbeiten direkt am Haus zu entwickeln oder bereits Bestehendes zu zeigen. Auch internationale Gäst:innen werden herzlich willkommen geheißen und präsentieren auf der Szene-Bühne all jenes, was in den hierarchischen und festgefahrenen Strukturen der Stadt- und Staatstheater keinen Platz findet. Bei der Auswahl der Produktionen, die eingeladen werden, stehen für das Kurator:innen-Team insbesondere die Themen Inklusion, Diversität und gesellschaftspolitisches Geschehen im Fokus.
„Freie Theater und Gruppen verfolgen unkonventionelle Konzepte, erarbeiten moderne Theaterformate sowie Arbeitsmöglichkeiten fern von konservativen Hierarchie-Strukturen, indem sie zum Beispiel als Kollektive arbeiten.“, so Mirja Lendt.
Aber nicht nur die Profis finden hier ihren Platz. Auch alle anderen Theaterinteressierten bekommen, über die Zusammenarbeit mit dem Spielraum TPZ, die Möglichkeit, die Freie Szene kennenzulernen und zu leben. „Der Spielraum TPZ versteht sich als Knotenpunkt für breit gefächerte theaterpädagogische Tätigkeiten und kreative Ideen sowie als kompetenter Ansprechpartner für alle Interessierten wie Vereine, Schulen, Künstler:innen, und viele mehr, mit denen Projekte zum Leben erwecket werden.“, erklärt sie weiter.
Über den Tellerrand hinaus
Wir wollten wissen: Was genau ist denn eigentlich Theaterpädagogik? Und: Was unterscheidet sie von Formaten wie Schauspiel- oder Musicalworkshops?
Ihre Antwort: „Theaterpädagogik ist eine künstlerisch-pädagogische Praxis, die auf die Förderung kreativer Fähigkeiten, persönlicher Entwicklung und sozialer Kompetenz durch praktische Theaterarbeit abzielt. Sie schafft Zugänge zur zeitgenössischen Theaterkunst und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In der praktischen Umsetzung geht es in der Theaterpädagogik vor allem darum, mit einer Gruppe von Teilnehmenden gemeinsam eine theatralische Inszenierung zu entwickeln. Im Gegensatz zu reinen Schauspiel- und Musical-Klubs ist Theaterpädagogik nicht nicht nur auf die Vermittlung von Techniken und Fertigkeiten im Bereich der Schauspielerei und des Gesangs ausgerichtet. Vielmehr steht die Persönlichkeitsentwicklung und kreative Entfaltung der Teilnehmenden im Vordergrund, die durch die praktische Theaterarbeit gefördert werden soll.“
Kleine Menschen, große Bühne
Wie dieses Konzept konkret gelebt wird, haben wir mit Merle Delling besprochen, die, an der Seite von Rebecca Zechiel, den Theaterklub 6+ mitgestaltet und leitet. Rebecca, Merle und ihre Kids feiern am 20. Mai als erster Spielklub in der neuen, zweiten Spielstätte von LOT und Spielraum TPZ, dem integrativen Quartier St. Leonard, ihre Premiere.
Was ist der Theaterklub 6+?
Merle Der Theaterklub 6+ ist ein Spielklub, in dem Kinder zwischen 6 und 10 Jahren einmal die Woche spielerisch das Theater in allen Facetten kennenlernen können. Anhand einer thematischen Vorgabe wird gemeinsam und mit viel Fantasie einmal im Jahr ein Theaterstück entwickelt.
Wozu habt ihr dieses Jahr gearbeitet?
Wir haben uns in dieser Spielzeit mit den Themen Neugier und Entdeckungsdrang beschäftigt. Hierbei kamen wir schnell auf Grenzen und Regeln, welche Kinder in der Gesellschaft zum Teil unverhältnismäßig einschränken. Aber auf der anderen Seite auch auf die Spielräume und Freiheiten, die sich erst durch ein geregeltes Zusammenleben eröffnen. Daraus entstand ein Theaterstück, in dem die Kinder Planeten in fernen Galaxien bereisen, auf denen die alltäglichen Tagesabläufe die eine oder andere Besonderheit mit sich bringen.
Was ist für dich das Beste an der Arbeit?
Für mich ist es das Schönste zu sehen, wenn die Kinder beginnen, selbst ihre Fantasie einzusetzen. Die jungen Spieler:innen erschufen unglaublich vielseitige Welten und Lebensformen. Spannend wird es, wenn wir diese Ideen gut in Szene setzen möchten. Wie zeigt man beispielsweise, dass die Aliens immer um 15 Uhr in einem pinken Käsesee baden?
Was macht den Kindern am meisten Spaß?
Den Kindern macht es sehr viel Spaß, sich selbst auf der Bühne zu verwirklichen. Reines Schauspiel wird schnell langweilig. Deshalb bieten sich oft spielerische Elemente beim Arbeiten mit Kindern an.
Warum bist du Theaterpädagogin?
Das ist eine gute Frage. Mir macht es viel Spaß zu sehen, wenn Menschen sich über ihre Komfortzone hinaus Dinge trauen, die sie sich nie hätten vorstellen können. Sie machen wichtige Selbst- und Welterfahrungen in einem geschützten Raum. Auch zeigt sich oft eine Verbesserung der eigenen Körperwahrnehmung bei den Spieler:innen. Fragen wie „Wie wirke ich gerade?“ stellen wir uns sehr häufig. Dieses Reflexionsverhalten kann auch im Alltag total hilfreich sein. Bedeutet: Ich bin Theaterpädagogin, weil ich denke, dass Theaterspielen einen großen Mehrwert für die Spieler:innen hat.
Kommt vorbei!
Wer jetzt Lust bekommen hat, sich die Freie Theaterszene mal aus nächster Nähe anzugucken oder herausfinden möchte, was genau es mit dem pinken Käsesee auf sich hat, sollte sich schnellstens eine Karte für eine der Vorstellungen des Theaterklubs 6+ organisieren und auf jeden Fall beim Tag der offenen Tür von LOT und Spielraum TPZ in den schicken neuen Räumlichkeiten in St. Leonhard 2a + 8a vorbeischauen. Wir sehen uns dort!
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