Inspirierend! Wie ein Narr trotz Krise seinen Traum lebt.
Ein dreifaches Braunschweig Hallo! Braunschweig Hallo! Braunschweig? Halloo!“ Na, wer kennts noch? Schließlich ist es schon eine ganze Weile her, dass der legendäre Schlachtruf unserer Jecken zuletzt durch die von Tausenden Feierwütigen bevölkerten Straßen der Löwenstadt schallte. Nun schon zum zweiten Mal in Folge fällt der älteste Karneval Deutschlands der
Pandemie zum Opfer.
Ja, Sie haben richtig gelesen. Die Geschichte des Braunschweiger Karnevals reicht einer auf das Alter von 23 455 Jahren datierten Höhlenmalerei in den Gebirgen Sulawesis zufolge deutlich weiter in die Vergangenheit zurück als die der rheinländischen Hochburgen Köln oder Düsseldorf. Das macht den Schoduvel hierzulande zum ältesten Ritus seiner Art. Eine Marke, auf die man in der Region mächtig stolz ist und so verwundert es kaum, dass die Enttäuschung der hiesigen Karnevalist:innen nach der erneuten Corona-bedingten Absage schwer wiegt.
Trübsal zu blasen ist für den 49-jährigen Rautheimer Hajo Schulte-Böttcher obgleich dieser Hiobsbotschaften keine Option! Im Angesicht der Krise hat der leidenschaftliche Narr die Initiative ergriffen, kurzerhand seine eigene Karnevalsgesellschaft gegründet und sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt: Einmal als royales Oberhaupt Prinz Hajo I. das närrische Treiben anzuführen. Mit der Braunschweiger Netzgemeinschaft der Cyberjecken und Websurfer e. V. holt sich Schulte-Böttcher den Schoduvel nun sogar exklusiv ins eigene Wohnzimmer. Die virtuellen Feierlichkeiten sollen wie der im Volksmund als Narrenbandwurm bekannte Karnevals-Umzug traditionell am Sonntag vor Rosenmontag stattfinden. Nur eben nicht auf der Straße oder in der Stadthalle, sondern im Cyberspace! Zuschalten werden sich mit Sohn Manuel und Gattin Nancy-Doreen auch die zwei übrigen Mitglieder des Vereins, um den Büttenreden sowie der eigens für diesen Anlass kuratierten Spotify-Playlist des frisch gekürten Prinzen zu lauschen. Ein Modell, das Schule macht? Schulte-Böttcher kann den virtuellen Sessions durchaus etwas abgewinnen. Der meist beschwerliche Heimweg entfällt und auch vom oftmals nasskalten Februar-Wetter ist in Schulte-Böttchers Wohnzimmer wenig zu spüren. Einen erneuten Ausfall des Schoduvel nächstes Jahr wünscht er sich aber natürlich dennoch nicht.
Grafik Sven Gebauer
1. Februar 2022