Die nackte Wahrheit: Kai Dobrzewski aka Dobsche

Kennt ihr eigentlich schon…

… Abenteurer Dobsche?

Nie ankommen – für die einen eine angsteinflößende Vorstellung, für die anderen eine Lebenseinstellung. Einen außergewöhnlich langen und aufregenden Weg hat auch Überlebenskünstler Kai Dobrzewski aka Dobsche eingeschlagen: Nicht nur beruflich hat sich der 48-Jährige immer wieder neu orientiert, sondern auch eine 7 000 Kilometer lange Wanderung markiert einen Meilenstein in seiner Vita. 2015 startete er zu Fuß im norwegischen Kinnarodden und strandete 372 Tage später am Punta de Tarifa in Spanien – eine unvergleichliche Reise vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas und zu sich selbst. „Ich hab mir mein Leben genommen und bin damit durchgebrannt“, berichtet uns Dobsche. Immer wieder etwas Neues ausprobieren und sich dabei gleichzeitig neu kennenlernen – dafür hat sich der Wahlbraunschweiger schon in den Bereichen Fotografie, Handwerk, Informatik und Marketing ausgetobt. Heimisch fühlt sich Dobsche allerdings beim Gestalten – egal ob mit Medien oder im Gartenbau. Hauptsache kein Stillstand. Aktuell bastelt der Mann der vielen Schritte und Ideen am Thinkbelt; einem multifunktionalen Gürtel für unterwegs, der für (fast) jedes Anliegen eine passende Lösung parat hat. Auf thinkbelt.de kann man das Projekt verfolgen und, wenn man möchte, finanziell unterstützen. So oder so wird es nicht langweilig im bunten Leben und Wirken des Dobsche, der uns wieder mal in Erinnerung ruft: Der Weg ist das Ziel.

 

 

Dobsche, warum ist dein Lebenslauf so wild?
Langeweile, Inkompatibilität, Lust auf was Neues, Rastlosigkeit; das Gefühl, noch nicht angekommen zu sein und die Angst davor, anzukommen.

Welcher der beruflichen Stationen haben dich am meisten geprägt und warum?
Meine Zeit beim Fotografen Heinrich Heidersberger war sehr prägend für mich, wohl auch weil ich noch sehr jung war – ein abgefahrener, bewusstseinserweiternder Typ. Dann denke ich sehr gerne an meine Zeit als Techniker bei Radio Okerwelle zurück. Arbeiten mit Freunden ist das Beste, was einem passieren kann – außerdem kam für mich in dieser Zeit der Computer dazu.

Was wolltest du als Kind werden?
Erfinder – ich habe es geliebt, zu experimentieren und zu basteln.

Wie viel Vorbereitung brauchte die große Tour, auf die du dich begeben hast?
Trainiert habe ich vorher gar nicht und eine Strecke habe ich auch nicht ausgearbeitet. Ein halbes Jahr zuvor war ich 1.200 Kilometer von Ostpolen nach Braunschweig gewandert und hatte festgestellt, dass sich der Weg aus dem Ziel ergibt und die Fitness beim Wandern kommt. Als Outdoorausrüstungs-Nerd habe ich mir zu viele Gedanken gemacht, was ich mitnehme. Job, Wohnung, Versicherungen, Kündigen, alles bei meinen Eltern einlagern, Kisten dafür bauen und so weiter war eigentlich der größte Teil meiner Vorbereitung.

Was hast du vergessen, vorzubereiten?
Für ausreichend Geld zu sorgen.

Was hat dich deine große Reise gelehrt?
Es ist egal, wie schnell, schlau oder reich du bist, solange du ein Ziel hast und dich in diese Richtung bewegst, wird alles gut. Geh-duld habe ich geh-lernt. (lacht)

Wie hast du dich während der Tour organisiert?
Geschlafen habe ich meist wildcampend im Wald. Ein paar Mal habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, bei herzlichen Menschen zu schlafen und mich und meine Kleidung dort zu waschen. Gestartet bin ich mit einem 17 Kilo schweren Rucksack, im Winter hatte ich bis zu 35 Kilo auf dem Rücken. Ich hatte die Reise über gebloggt und Freunde, die meine Reise verfolgten, haben mir Geld gespendet. Ein guter Freund sogar 500 Euro!

Was war für dich die größte Herausforderung?
Die Mächtigkeit der Strecke war zu Beginn erschlagend.

Was war der schönste Moment auf der Reise?
Dass die ganze Reise ein Moment war, weil sie an einem Stück hing. Wie ein langer Film ohne Pause.

Was der schlimmste?
Monatelang irre Massen irrer Mücken. Mit einem 35-Kilogramm-Rucksack der Länge nach auf den Kopf fallen. Im Winter wochenlang Regen, nass bis auf die Haut, nachts Frost und morgens in gefrorene Klamotten steigen … Doch selbst die schlimmsten Erfahrungen waren mir lieber, als im Büro zu sitzen.

Hast du dich auch mal einsam gefühlt?
Im hohen Norden kann es sehr einsam werden, weil einfach keine Menschen da sind. Da hatte ich aber nicht dieses Einsamkeitsgefühl, was man allein vom Sonntagnachmittag kennt, sondern eine krasse Auseinandersetzung mit mir selbst. Was da alles in mir hochkam, war erschreckend, aber längerfristig befreiend. Dieses typische Einsamkeitsgefühl hatte ich hauptsächlich in großen Städten Mittel- und Südeuropas – im Wald gar nicht, da habe ich mich eher geborgen und geschützt gefühlt und dort bin ich ja spätestens zum Schlafen eingekehrt. Für Kontakt zu Mitmenschen hatte ich ein Smartphone dabei – Fotos machen, abends auf Facebook gucken, was meine Freunde so machen oder mal mit meiner Familie telefonieren.

Was darf auf keiner Reise fehlen?
Der Rucksack.

Was sollte man auf jeden Fall zu Hause lassen?
Die Sorgen.

Woran erkennt man an deiner Wohnung, dass es deine ist?
An den selbst gebauten Möbelkisten und der Ordnung.

Lebst du privat minimalistisch?
Ich versuche mich darin.

Wo ist dein Happy-Place?
Im Wald und auf der Tanzfläche.

Welche Tageszeit ist für dich die schönste?
Die Nacht. Wenn alle schlafen, geht was.

Berge oder Meer?
Berge.

Zelt oder Camper?
Zelt.

Grill oder Gaskocher?
Gaskocher – aber noch lieber eine Dose zum drin Feuer machen.

Du hast den Thinkbelt entwickelt. Welche Funktionen hat der Gürtel?
Sitzgurt, Spanngurt, Schnurstativ, Yogagurt, Tragegurt, Koffergurt, Hundeleine und wenn man mehrere koppelt, kann man sogar eine Slackline improvisieren. Ich habe bisher über 100 Anwendungen realisiert und es kommen ständig neue dazu.

Wie kamst du auf die Idee dazu?
Der Wahnsinn hat mir die Idee gebracht. Motiviert hat mich, mir meinen eigenen Job zu schaffen, bei dem ich Dinge so machen kann, wie ich möchte – zum Beispiel nachhaltig. Als großes Ziel motiviert mich, mithilfe der verkauften Gürteln einen Wald zu pflanzen.

Dein bester Camping-Tipp?
Einfach machen und beispielsweise einen sonnigen Nachmittag mit einer Decke im Wald verbringen. Lieber ein kleines Abenteuer sofort als das große in weiter Ferne.

Wenn du eine berühmte Persönlichkeit treffen könntest – wer wäre es?
Geht auch mein Opa, der mit 26 Jahren gefallen ist?

Was war dein letzter Fehlkauf?
Gesüßte Ingwer-Scheiben im Glas.

Welche Handy-App benutzt du am meisten?
Die Foto-App.

Welche am wenigsten?
Wasserwaagen-App.

Von was besitzt du zu viel?
Man könnte denken, 60 Zwillen wären genug, aber das stimmt nicht.

Was ist deine stärkste Fähigkeit?
Kreativität ist meine Superpower.

Was kannst du hingegen gar nicht?
Kompromisse eingehen fällt mir schwer.

Für was musst du so richtig deinen inneren Schweinehund überwinden?
Formulare ausfüllen.

Wenn du drei Dinge auf der Welt ändern könntest, welche wären das?
Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit wären nice. Wenn ich könnte, würde ich ein Raumschiff bauen, das so tut, als ob es die Welt mit allem Lebendigen angreift, sodass wir mal alle zusammenhalten und checken, wie geil und schützenwert dieser Planet und alles darauf ist.

Was ist deine schlechteste Angewohnheit?
Perfektionismus.

… deine beste Angewohnheit?
Nach dem Kochen gleich abzuwaschen.

Was magst du an Braunschweig am liebsten?
Meine Freunde.

Wo ist für dich der schönste Ort in Braunschweig?
Der Prinzenpark, oben auf dem Berg vor dem Denkmal auf der Wiese.

 

Fotos Philipp Ziebart, privat

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

Wer sich nicht erinnert, war dabei

Die nackte Wahrheit: Applausproduzent Paul Kunze