„Das Lied bleibt in Ewigkeit“

Comedian Harmonists in Concert
11. bis 14. August / Wolters Applaus Garten (BS)
applaus-kulturproduktionen.de

Die Braunschweiger Erfolgsrevue Comedian Harmonists in Concert gastiert an vier August-Terminen im Wolters Applaus Garten.

Lange bevor die Beatles weltweite Hysterien auslösten, der amerikanische Musikmogul Lou Pearlman mit N*SYNC und den Backstreet Boys abkassierte und One Direction etliche Awards einheimsten, formierte sich in Berlin der Goldenen Zwanziger die erste Casting-Boygroup der Welt – die Comedian Harmonists. Fast 100 Jahre nach Bandgründung gehören „Mein kleiner grüner Kaktus“, „Veronika, der Lenz ist da“ oder „Ein Freund, ein guter Freund“ noch immer zu den Perlen der deutschen Musikkultur.

 

Genau diese Evergreens bringt die Braunschweiger Erfolgsrevue Comedian Harmonists in Concert an insgesamt sechs Terminen im August auf die Wolters Applaus Garten-Bühne. Teil der sechsköpfigen Künstlergruppe ist unter anderem Götz van Ooyen, der seit sechs Jahren zum festen Schauspielensemble des Staatstheaters Braunschweig gehört. Wir haben den Schauspieler zum Interview getroffen und bei einem Tee über die prägenden Weltklasse-Chansons der Comedian Harmonists geredet.

Präzision pur
Die Bandgeschichte der Comedian Harmonists ist dramaturgisch so aufgeladen, das sie auch aus Hollywood stammen könnte. In einer Zeit, die von der Weltwirtschaftskrise geprägt war, setzte ein gescheiterter Schauspielschüler 1927 eine Zeitungsannonce ins Berliner Anzeigenblatt, in der er nach schön klingenden Stimmen suchte. Daraufhin erschienen mehr als 70 Männer in Harry Frommermanns kleiner Wohnung, von denen letztendlich nur einer beim Vorsingen überzeugen konnte. Robert Biberti hatte nicht nur eine außergewöhnliche Bassstimme, sondern teilte auch Frommermanns Leidenschaft für die Revelers, einem US-amerikanischen A-cappella-Quartett, das zum Vorbild der Comedian Harmonists wurde. „So, wie es startet, denkt man: Das fahren sie doch an die Wand. Doch dann geht es ab wie Schmidts Katze“, erzählt Götz van Ooyen, der bei den Comedian Harmonists in Concert den Robert Biberti mimt und als Moderator durch die musikalische Revue führt.
1928 gelang dem inzwischen vollständigen Sextett der endgültige Durchbruch: Es hagelte beste Kritiken sowie Filmauftritte und Tourneen durch ganz Europa. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 fing ihre kometenhafte Karriere jedoch langsam an zu bröckeln, denn der Druck auf die jüdischen Comedian Harmonists-Mitglieder Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin begann zu steigen. Ihre immense Popularität schützte sie aber noch für zwei Jahre vor den Nationalsozialisten, bis 1935 die endgültige Trennung folgte und die jüdischen Bandmitglieder ins Exil flüchteten. Die Comedian Harmonists gerieten über mehrere Dekaden in Vergessenheit, bis Regisseur Eberhard Fechner in den 70er-Jahren die schillernde Popgeschichte der Band in der Dokumentation „Die Comedian Harmonists – Sechs Lebensläufe“ aufarbeitete und dafür die vier noch lebenden Harmonists interviewte.

 

„Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, die Comedian Harmonists nachzuahmen, da man nicht genau weiß, wie sie geklungen haben“

 

Diesem siebenjährigen Erfolgsritt der Band widmen sich seit 2012 auch die Comedian Harmonists in Concert, die mittels ausgeklügelter Liedfolge die Geschichte der Berliner Vokalgruppe erzählen. „Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, die Comedian Harmonists nachzuahmen, da man nicht genau weiß, wie sie geklungen haben. Die meisten Aufnahmen wurden vernichtet und sind nicht wieder rekonstruierbar“, gesteht van Ooyen, der durch den Nachlass seiner Oma erstmals in Berührung mit den Comedian Harmonists kam.
Trotzdem transportiert auch das Revueensemble diese magische Faszination ganz nach ihrem großen Vorbild: Penibelste Tongenauigkeit trifft auf musikalische Faxen, einzigartige Lautmalerei und extravagante Artikulation. Alle sechs Stimmen verschmelzen zu einem dichten Klangkörper und sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden. „Die Lieder müssen gerade und volkstümlich ohne Schmettertimbre gesungen werden. Dafür bin ich als ausgebildeter Schauspieler gerade richtig“, scherzt Götz van Ooyen, für den das gemeinsame Singen auf der Bühne deshalb etwas ganz Besonderes hat, „es ist viel unmittelbarer, was man selbst emotional durchlebt und für die Zuschauer erlebbar macht. Man muss nicht wie häufig beim Schauspiel erst durch eine intellektuelle Bürde.“

Live-Zauber
Auch wenn die Comedian Harmonists in Concert schon zahlreiche Konzertabende gespielt haben, ist ein Open-Air-Gig für das Künstlerkollektiv noch Neuland. „Eigentlich bestimmt der Ort ein bisschen, wie der Abend wird. Wenn der Raum klein und intim ist, dann designen wir die Show einfach um – sei es die Art, wie wir das Publikum ansingen oder die Choreografien“, gesteht Götz van Ooyen, der hauptberuflich Theatersäle bespielt.
Die lockere, gesellige Atmosphäre im Wolters Applaus Garten wird der teils komödiantischen, teils emotionalen Zeitreise jedoch keinen Abbruch tun, ist sich der Biberti-Darsteller sicher: „Es sind nur ein Klavier und pure Stimmen. Es fällt einem nicht schwer, sich darauf einzulassen, weil es auch nicht mit viel Budenzauber ablenkt. Wir sitzen dem Publikum quasi musikalisch auf dem Schoß und singen sie direkt an“ – so wie es die Comedian Harmonists schon vor mehr als 90 Jahren getan haben. Ihre Lieder werden nie verklingen und im August durch den Wolters Applaus Garten schallen.

Fotos Volker Beinhorn

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Denise Rosenthal

Geschrieben von Denise Rosenthal

Kulturerwachen

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