Zu knusprigem Popcorn servieren uns Kino und Stream aktuell viel Aufgewärmtes. Ein Remake jagt das nächste. Muss das sein?
Nein, ihr habt kein Déjà-vu, wenn ihr euch die Film- und Serienneuerscheinungen der letzten und nächsten Zeit anschaut. Denn neu sind zwar die Produktionen, die Geschichten sind es aber ganz und gar nicht.
Vor allem Harry-Potter-Fans haben darüber kürzlich ihren Unmut in sämtliche Kommentarspalten sozialer Netzwerke gegossen. Denn wie der Sender HBO ankündigte, werde die komplette Film- beziehungsweise Buchreihe nochmals mit neuem Cast als Serie aufgearbeitet; für jeden Band soll es eine Staffel geben. Das ist ein gewaltiges Vorhaben. Gerade wenn man bedenkt, welch große Fallhöhe, dank der unglaublich erfolgreichen Bücher und Filme, entstanden ist. Seitdem Harry, Ron und Hermine das erste Mal die Bühne betreten haben, wartet praktisch eine ganze Generation auf ihren Brief aus Hogwarts. Durch ein Remake droht der Zauber zu verfliegen. Die wohligen Erinnerungen auf der Kindheitskassette könnten einfach überspielt werden. Neue Bilder und Gesichter ersetzen alte Schauplätze und Figuren.
Wo bleibt die Kreativität?
Auf der Kinoleinwand begegnen uns ebenfalls immer mal wieder alte Bekannte. Dass Hollywood erfolgreiche ausländische Filme selber nochmal anfassen muss, ist bekannt. So wurde in der jüngsten Vergangenheit aus dem schwedischen Publikumsliebling „Ein Mann namens Ove“ der amerikanische Abklatsch „Ein Mann namens Otto“. Der Eindruck, der dann schnell entsteht: Hollywoods Drehbuchautor:innen gehen die Ideen aus.
Eine deutsche Neuverfilmung, die bei den diesjährigen Oscars sogar vier Trophäen mit nach Hause nahm, ist das Antikriegsdrama „Im Westen nichts Neues“. Der Originalfilm, ebenfalls Oscar-prämiert, stammt von 1930. 1979 gab es eine TV-Adaption. Die dritte Version zeigt, dass ein Remake auf keinen Fall mit Qualitätseinbußen einhergehen muss, ganz im Gegenteil.
Neuer Glanz
Auch im Falle von Harry Potter können sieben Staffeln Serie bestimmt Details zutage fördern, für die in den Filmen kein Platz war.
Doch hinter all dem steht ein großes ABER: Bevor eine Geschichte neuverfilmt wird, muss genügend Zeit vergehen. „Ein Mann namens Ove“ beispielsweise ist in Schweden erst 2015 erschienen. „Harry Potter und der Stein der Weisen“ ist zwar zumindest schon 22 Jahre alt („Die Heiligtümer des Todes 2“ kommt auf zwölf Jahre), aber acht Filme haben noch immer eine zu große Präsenz, die keine Neuauflage rechtfertigt.
Ebenfalls entscheidend für ein Remake ist, neben dem zeitlichen Abstand, die thematische Relevanz. Da wären wir wieder bei „Im Westen nichts Neues“. Der 1928 erschienene Roman von Erich Maria Remarque ist ein weltliterarischer Klassiker. Der Inhalt – die Gräueltaten im Ersten Weltkrieg – hat außerdem einen historischen Wert, der zugleich an einen Bildungsauftrag gekoppelt ist. Eine moderne Fassung hat hier also, auch intellektuell, einen viel größeren Mehrwert.
Ein Kompromiss
Wenn der Profit die Filmschaffenden dennoch zu sehr anlächelt, könnten sie immer noch auf Prequels oder Sequels ausweichen, also Filme, die im selben Universum angesiedelt sind, jedoch vor oder nach der ursprünglichen Geschichte spielen. Bei Harry Potter hat das schon wunderbar funktioniert mit der Reihe „Phantastische Tierwesen“. Ich bin mir sicher, die Zauberwelt bietet noch viel mehr solch unentdeckter Juwelen. Dann bekämen Fans wirklich neuen Stoff und die alten Geschichten dürften noch ein bisschen nachwirken.
Fotos Sony Pictures