Das Wiener Rock-Phänomen Wanda feiert am 29. November sein zehnjähriges Bühnenjubiläum mit neuem Album im Capitol Hannover.
Seit den Beatles hat wohl kaum eine andere Band so sehr für die Liebe plädiert wie Wanda. Die österreichische Poprockband landete 2014 mit „Bologna“ einen unsterblichen Hit, der die einzig wahre Antwort auf jede noch so große Frage liefert: Amore. In Österreich charteten die folgenden drei Alben prompt auf Eins und brachten Hits wie „Bussi Baby“ oder „Columbo“ hervor. Irgendwo zwischen Pop, Rock und vielleicht sogar einer kleinen Prise Schlager singt sich Frontmann Marco mit höchst romantischen Texten und tief sitzender Melancholie das Herz aus dem Leib; gerne hat er dabei noch ein Glas Wein in der Hand. Auch auf dem neuesten Longplayer „Wanda“ geht es um Genuss, Schmerz und Liebe – allerdings klingen hierauf nun auch etwas ernstere, reflektierte und erwachsene Töne an. Bevor es am 29. November neue Singles wie „Wir sind verloren“ oder „Va bene“ im Capitol live zu erleben gibt, haben wir mit Gitarrist Manu über Wien, das Älterwerden und – wie soll es anders sein – über die Liebe gesprochen.*
Manu, wie sagt man bei euch in Wien: Servus, Grüß Gott, hallo ..?
Einfach hallo, das reicht! (lacht)
Wanda feiert in diesem Jahr Zehnjähriges. Wie habt ihr eigentlich zusammengefunden?
Marco und ich kennen uns tatsächlich schon fast zwanzig Jahre. Wir haben schon vor Wanda zusammen in mehreren Bands gespielt. Wir haben aber nie etwas veröffentlicht, weil wir immer dachten, wenn wir das tun, dann muss es auf die Eins gehen. Und dann war es irgendwann so weit.
Was meinst du, was der schnelle Erfolg mit euch gemacht hat?
Der Erfolg hat uns auf jeden Fall verändert, aber zehn Jahre verändern jeden Menschen – egal, was er macht. Was uns nach all den Jahren aufgefallen ist, ist dass wir eigentlich gar keine Zeit hatten, alles zu reflektieren. Wir können gar nicht mehr genau sagen, was wann passiert ist, weil man vor allem am Anfang sehr im Moment gelebt und erlebt hat. Erst im Nachhinein merkt man dann, dass man vieles gar nicht verarbeiten konnte und sich deshalb auch an vieles nicht mehr erinnern kann. Wenn wir zusammensitzen und über die Vergangenheit reden, fällt jedem immer etwas anderes ein und zusammen wissen wir dann irgendwie alles. Wir sind gerade dabei, vor allem die ersten zwei Bandjahre nochmal ein wenig aufzuarbeiten. Und wir sind älter geworden! (lacht) Aber wir sind nicht verdorben oder abgehoben. Der Erfolg ist uns nicht zu Kopfe gestiegen. Ich würde sagen, wir haben eine relativ normale Entwicklung durchgemacht von jemandem, der damals Mitte 20 war und nun Mitte 30 ist.
Habt ihr die Zwangspause während der Pandemie genutzt, um alles zu verarbeiten? Wie habt ihr diese Zeit erlebt?
Am Anfang wusste man ja nicht, was das alles bedeutet. Ganz kurz dachte ich: Das wars jetzt. Dass wir nie wieder auf der Welt eine größere Menschenansammlung haben können. Das hat sich zum Glück nicht als wahr herausgestellt. Aber natürlich war dann genug Zeit da, um sich Gedanken zu machen, wie man ab jetzt leben will – sowohl privat als auch mit der Band. Wir haben die Zeit nicht konkret genutzt, um Songs zu schreiben, weil wir das ohnehin gemacht hätten. Aber wir haben gemerkt, dass wir eigentlich viel mehr selbst entscheiden können, wie wir leben wollen, und wir nicht alles einfach passieren lassen müssen. Wir haben gemerkt, wie wichtig es ist, auf sich zu achten und sich selbst Gutes zu tun; dass man auf sich schauen muss, sich nicht selbst verletzt und zerstört.
Ich habe euer Konzert auf dem Highfield Festival gesehen und da gespürt, wie sehr ihr die Bühne genießt – als würdet ihr am liebsten jede Sekunde einfrieren. Wie fühlt sich dann diese anschließende Stille an, wenn das Konzert vorbei ist?
Das ist in der Tat etwas, das sehr intensiv ist. Gerade seit der Pandemie haben wir auch irgendwie eine andere Art der Wertschätzung für den Moment bekommen. Auch im Publikum ist das definitiv spürbar. Und nach einem Konzert sitzt man dann da und ist irgendwie zu müde, um zu schlafen. Da ist so eine Leere – es ist keine reine Enttäuschung, dass es vorbei ist, aber auch keine volle Euphorie, wie geil es war. Diese Leere ist weder gut noch schlecht. Man existiert dann etwa für eine halbe Stunde einfach nur und weiß nicht, was man tun soll und sitzt einfach da. Dann kommen allmählich die Lebensgeister zurück.
„Bologna“ ist für mich ein absolut unvergleichlicher Song. Wart ihr euch dessen bewusst, was der Song für eine Wirkung auf eure Fans haben wird, als ihr ihn geschrieben habt?
Bei „Bologna“ wussten wir schon, dass mit diesem Lied etwas passieren wird. In welche Dimensionen das dann gerät, konnten wir aber nicht ahnen. Generell gibt es immer ein paar Lieder, bei denen man weiß, dass sie ein Hit werden. Das war bei „Columbo“ auch so. Bei „Bologna“ war es eben das erste Mal so und wir waren einfach nur überwältigt von dem, was da passiert ist. Entstanden ist der Song in meiner alten Wohnung. Da waren wir alle zusammen und haben über meinen Plattenspieler Nirvana und Brahms gehört. Es war irgendwie die Kombination aus diesen beiden Platten. Und auf einmal steht Marco auf, nimmt meine Gitarre und geht in mein Schlafzimmer. Nach einer Viertelstunde kam er zurück und spielt uns ein Lied vor, das er gerade geschrieben hat. Und das war „Bologna“. Man muss also eigentlich Nirvana und Brahms dafür danken! (lacht)
„Wir haben gemerkt, wie wichtig es ist, auf sich zu achten und sich selbst gutes zu tun“
Verspürt ihr Druck, nochmal so einen Hit zu landen und an diesen Erfolg wieder ranzukommen?
Druck oder die Intention, so etwas wie „Bologna“ nochmal zu schreiben oder zu toppen, gibt es nicht. Marco hat zwar generell einen sehr regen Output an Songs, aber manchmal kommen da natürlich trotzdem so Gedanken auf wie „Hoffentlich haben wir genug Songs für ein neues Album“ oder „Hoffentlich ist es nicht irgendwann einfach vorbei“ oder Ähnliches. Aber das ist eher ein Grundgefühl. Während des Schreibens selbst ist man frei von sowas.
Die Liebe steht immer im Zentrum eurer Musik. Ihr plädiert immer wieder für Amore. Hat die Welt verlernt, zu lieben?
Nein, das würde ich nicht sagen. Aber die Liebe verändert sich immer. Wenn man aus Erzählungen hört, wie es beispielsweise vor vierzig Jahren war, merkt man, dass die Gesellschaft eine Entwicklung durchgemacht hat. Aber die Liebe zu verlernen geht, glaube ich, nicht. Wenn man sie einmal gefunden hat, will man sie eh nie wieder loslassen!
Würdest du euch als hoffnungslose Romantiker beschreiben?
Wir haben alle auf unsere eigene Art unsere romantische Seite. Romantik kann ja auch Kitsch bedeuten und das sind wir nicht. Es geht eher darum, sich eine schöne Zeit zu machen mit jemandem, den man liebt. Und in dieser Hinsicht sind wir das in jedem Fall.
Der Österreich-Hype hält an – Yung Hurn, Bilderbuch, Eli Preiss, Wanda. Warum bringt ihr so eine unglaublich coole Lässigkeit und Sexiness mit?
Wir bemerken diesen Hype auf jeden Fall! (lacht) Wir sind ja kulturell sehr nah beieinander. Ich denke, das ist umgekehrt genauso – Österreicher mögen auch das Deutsche. Ich denke, ihr mögt diese Art, wie wir sprechen, dass das irgendwie witzig oder charmant ist. Was diese „nationalen Charaktereigenschaften“ angeht – da würde ich mich jetzt nicht trauen, das einfach gegenüberzustellen. Aber es gibt auf jeden Fall eine Faszination – vielleicht ist es die Illusion, dass wir Wiener so schlaksig sind, dass uns alles Wurscht ist, dass wir uns keinen Stress machen, aber dass es am Ende doch klappt. Dem gegenüber steht vielleicht eine deutsche Tugendhaftigkeit und Fleiß – wenn man das auf ein paar Klischees herunterbrechen will. Vielleicht rührt es daher. Vielleicht bringt Österreich für ein so kleines Land auch einfach sehr viel gute Musik heraus, die ankommt.
Warum ist Wien die lebenswerteste Stadt der Welt?
Wien ist die zweitschönste Stadt der Welt nach Paris! (lacht) Ansonsten batteln wir uns immer mit Vancouver. Ich kenne diese Listen und das ist immer ein bisschen wie Balsam für die Seele, wenn man das liest. Da freut man sich immer sehr. Die echte Antwort darauf wäre aber wohl eher, dass es scheinbar die Lebensbedingungen sind – von der Qualität des Trinkwassers zu öffentlichen Verkehrsmitteln und so weiter. Ich will Wien zwar nicht über die Maße verherrlichen, aber ich kann empfehlen, hier mal herzukommen! Wien wirkt erstmal dörflich, ist aber eine Metropole und das macht ihren ganz besonderen Charme aus. Was man aber fairerweise bedenken muss: Dass diese Stadt so schön ist, dafür haben vor etwa hundert Jahren sehr viele Leute für sehr wenig Geld sehr hart arbeiten müssen. Der Kaiser hat sich da ganz arg verschuldet, weil er einfach eine Prunkstadt schaffen wollte, um mit Paris mithalten zu können. Er hat sehr viel Geld in diese schönen Gebäude gesteckt, die wir heute noch haben. Aber das Opfer dafür war eben ein großes.
Wie sieht euer Tourleben so aus? Wilder Rock’n’Roll-Lifestyle?
Vor einigen Jahren war es definitiv wilder. Aber man schafft es nicht, sich die ganze Zeit abzuschießen – erstens ist es total ungesund und zweitens wird es genauso langweilig wie alles andere, was man im Übermaß macht. Der Selbstzerstörungsgrad hat sich definitiv eingedämmt. Ich glaube, das Tourleben ist gar nicht so spannend, wie man es sich vorstellt. Die meiste Zeit sitzt man rum, wartet, bis man auf die Bühne kann und sonst fährt man Bus. Man kommt vormittags an, nachmittags ist Soundcheck und dann wartet man, bis es losgeht. Das Schwerste ist eigentlich, dass man es über den Tag hinweg schaffen muss, seine Energie richtig einzuteilen. Man muss um Punkt 20 Uhr abliefern – man darf da keinen Hunger, aber auch keinen vollen Magen haben; man muss ausgeschlafen, aber nicht frisch aufgestanden sein, damit der Kreislauf in die Gänge kommt et cetera. Das ist eigentlich so die Aufgabe eines Konzerttages. Aber das lernt man auch über die Zeit. Dass man um Punkt 20 Uhr da ist, ohne sich was reinhauen zu müssen.
Ihr habt schon kurz vor Corona ein wenig auf die Bremse gedrückt – auch was den Alkohol angeht.
Wie unterscheidet es sich, nüchtern oder betrunken auf der Bühne zu stehen?
Ich war nie übermäßig betrunken auf der Bühne und schon gar nicht was anderes. Aber irgendwann habe ich gecheckt: Was noch viel schlimmer ist, als betrunken auf der Bühne zu sein, ist wenn man am Vortag unterwegs war und dann mit einem Kater auf der Bühne ist. Verkatert zu spielen ist die absolute Hölle. Auch wenn man trotzdem gut spielt, ist es einfach anstrengend und man kann es nicht genießen. Also habe ich mir dann ab einem gewissen Punkt gesagt: Manu, vermeide verkatert ein Konzert zu spielen. Das ist meine Erkenntnis gegenüber der Genussmittel.
Das Schönste am Älterwerden?
Man wird klüger, erfahrender, reifer, weiser. Das ist das Coole am Älterwerden. Aber der Körper zerfällt – das ist ein Umstand, den man akzeptieren muss! (lacht) Aber ich möchte allein schon nicht mehr so sein, wie ich vor einer Woche war! Was ich in der letzten Woche gelernt habe, möchte ich jetzt schon nicht mehr missen für eine Woche jüngere Haut. Ich glaube, das wird sehr oft unterschätzt! Oft geht es nur um Jugendlichkeit oder Vitalität, aber es wird nie darüber geredet, dass man einfach immer klüger wird. Dinge verändern sich einfach und das finde ich sehr spannend. Ich habe zum Beispiel mal gehört, dass sich auch das Gefühl des Erinnerns in Etappen verändert. Am Anfang ist Erinnerung ein Abrufen von Vergangenheit und je älter man wird, desto genussvoller wird das Zurückdenken. Das heißt, wenn ich 70 bin, dann ist Erinnerung Party! (lacht)
„Jede Art der Belästigung muss ernst genommen werden und darf nicht abgewiesen werden“
Wie haltet ihr euch trotz allem fit?
Es gibt vereinzelte Versuche von uns mit Sport, die immer wieder scheitern. (lacht) Aber die Lösung ist natürlich wenig Fleisch essen, im besten Fall gar keins, regelmäßig Sport machen und meditieren. Das wäre der Knüller. Wir streben das an, aber es ist natürlich schwer, das umzusetzen. Mein Ziel ist es, dass ich bis 40 diese drei Punkte in meinen Alltag eingebettet habe. Dafür habe ich jetzt noch fünf Jahre und es wird langsam knapp! (lacht) Ansonsten würde ich sagen, dass man schaut, welche Leute man um sich haben will. Dass es nicht darum geht, möglichst viele Menschen kennenzulernen oder eine ultimative Toleranz gegenüber jedem, den man trifft, zu haben, sondern man kann sich schon überlegen, mit wem man seine Zeit verbringen will und das trägt in Folge dazu bei, wie sich das Leben verändert. Man braucht einfach für alles die richtigen Leute.
Es gab zuletzt Schlagzeilen wegen sexistischem Verhalten im Publikum auf euren Konzerten. Was tut ihr dagegen und was kann man überhaupt dagegen tun?
Es passiert leider überall. Nach einem Konzert von uns hat sich per Instagram eine Frau bei uns gemeldet, die während des Konzerts belästigt wurde und zum Security-Personal ging und dort abgewiesen wurde. Als wir das gehört haben, waren wir entsetzt! Das bricht einem wirklich das Herz. Da war ganz klar, dass man da etwas tun muss und dann kam eben unser Posting. Und was wir darüber hinaus verstärkt vor jedem Konzert tun werden, ist eine Art Briefing für das Security-Personal, dass jede Art der Belästigung ernst genommen wird. Das darf nicht abgewiesen werden und da bestehen wir drauf. Wenn wir erfahren, dass sich jemand meldet und abgewiesen wird, dann werden wir das nachverfolgen. Abgewiesen zu werden, wenn man Hilfe braucht, ist schlimm. Es wird eh schon viel zu viel geduldet und wenn diejenigen, die sich trauen, sich zu melden, nicht gehört werden, ist das ein absolutes No-Go. Und das ist unser kleiner Versuch, da einen Beitrag zu leisten.
Welchen Song spielst du dir aktuell am liebsten live von der Seele?
„Va bene“. Den spielen wir jetzt schon bei den neuen Konzerten und da freue ich mich immer sehr drauf. Aber es gibt wirklich kein Lied, das ich nicht gerne spiele. Ich könnte „Bologna“ niemals oft genug spielen. Vielleicht gibt es auch Bands, die „an ihrem Hit leiden“, aber das ist bei uns zum Glück nicht der Fall.
Was willst du gerne noch loswerden?
Passt alle auf euch auf und niemanden verletzen – auch euch selbst nicht. Hoffentlich kommen alle gut über den Winter und haben eine schöne Zeit! Bye bye, alles Liebe!
Termin
29. November | Capitol (H)
wandamusik.com
*Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde vor dem Tod des Keyboarders Christian Hummer geführt. Ruhe in Frieden, Christian!
Foto Wolfgang Seehofer