Interview mit Jussi Vatanen zu „Fallende Blätter“
Jussi Vatanen wurde 1978 geboren und ist ein sehr beliebter Schauspieler in Finnland, der seinen Durchbruch 2010 mit der schwarzen Komödie „Lapland Odyssey“ feierte. Seitdem war er regelmäßig in verschiedenen TV- und Filmproduktionen zu erleben. Bekannt ist er für seine Rollen in „The Unknown Soldier“, der alle Box Office-Rekorde in Finnland gebrochen hat. Für seinen Auftritt in „Forest Giant“ gab es eine Nominierung als bester Schauspieler beim Finnischen Filmpreis. Zuletzt spielte Jussi Vatanen in der Krimiserie „Man in Room 301“ und übernahm die Hauptrolle in dem Thriller „The Man Who Died“. Nun ist er in der lakonischen Lovestory „Fallende Blätter“ des finnischen Kult-Regisseurs Aki Kaurismäki zu erleben. In Cannes gab es dafür den Jury-Preis, beim Filmfest München folgte der Publikumspreis. Dieter Oßwald sprach mit dem Schauspieler.
Herr Vatanen, Sie gelten in Ihrer Heimat als einer der erfolgreichsten Schauspieler, was bedeutet da eine Palme noch für Sie?
An Preise von Cannes wird man sich nie gewöhnen (lacht). Für mich bedeutete es bereits eine große Auszeichnung und Ehre, mit einem großartigen Regisseur wie Aki Kaurismäki arbeiten zu dürfen. Als Aki mir anbot, in seinem nächsten Film aufzutreten, war es für mich ein überwältigendes Erlebnis.
Wollte Aki sich nicht aus dem Filmgeschäft zurückziehen?
Das stimmt, vor ein paar Jahren schon kündigte Aki an, keine Filme mehr drehen zu wollen. Umso größer war dann die Überraschung für mich. Nicht nur, dass es einen neuen Kaurismäki geben sollte, sondern ich dort auch noch mitspiele!
Grund für die Ankündigung des Rückzugs waren damals auch gesundheitliche Probleme.
Der regelmäßige Alkoholkonsum soll Spuren hinterlassen haben. Geht es Herrn Kaurismäki mittlerweile wieder gesundheitlich gut?
Ich bin nicht der Arzt von Aki und kann nichts über seinen Gesundheitszustand erzählen. Auf jeden Fall befindet er sich in einer Phase seines Lebens, in der er sehr produktiv ist. Er spricht bereits über seinen nächsten Film. In Cannes erzählte er uns, dass dieses neue Projekt eine Slapstick-Tragödie werden soll.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Kult-Regisseur?
Aki war schon immer ein Begriff, selbst als ich in den 1980er Jahren auf einem Bauernhof aufwuchs und einen Ball gegen unseren Kuhstall kickte. Es ist verrückt, dass wir jetzt hier zusammen sind. Außerdem ist er wirklich ein ganz normaler Typ. Er ist witzig und tatsächlich redet er viel. Als Finne ist man mit seinem Stil sehr, sehr vertraut. Wir haben alle seine Filme gesehen und es liegt uns einfach im Blut, wie ich finde.
„Wir bekamen das Gefühl, einen film wie in vergangenen zeiten zu drehen.“
Für uns in Deutschland hat Aki Kaurismäki entscheidend das Bild von Finnland geprägt. Wie zutreffend ist seine Beschreibung Ihrer Heimat?
Natürlich sind die Filme eine Form der Kunst. Zugleich findet sich etwas sehr typisch finnisches in den Arbeiten von Aki und das ist jenes Gefühl, das Menschen zusammen in einem Raum sein können ohne irgendetwas zu reden. Und falls sie doch sprechen, dann genügen sehr wenige Worte. Für uns ist es eine normale Konversation, vorwiegend still zu sein und einfach den Moment gemeinsam zu genießen. In anderen Kulturen wird man dieses Verhalten kaum finden.
Zugleich gibt es den Nokia-Effekt: Als Mobiltelefone noch selten waren, hatten in Helsinki bereits sehr viele Einwohner ein Handy in der Hand und quatschten damit ohne Ende…
Es mag schon sein, dass man mit dem Handy die „keine Gespräche Momente“ vermeidet. Aber es ist auf alle Fälle sozial erlaubt, einfach ruhig zu sein.
Wie würden Sie die Atmosphäre beim Drehen eines solch minimalistischen Filmes beschreiben?
Auf gewisse Weise war es eine Reise in die altmodische Art des Filmemachens. Aki benutzt noch immer eine 35mm Kamera mit Filmmaterial, was für mich eine völlig neue Erfahrung darstellte. Dadurch bekamen wir das Gefühl, einen Film wie in vergangenen Zeiten zu drehen. Zudem hatte Aki die Absicht, eine Szene möglichst immer nur einmal zu drehen. Eine Wiederholung gab es nur in Ausnahmefällen, wenn etwas schiefging.
Wie fühlt sich das für einen Schauspieler an?
Zunächst war diese Methode ziemlich nervenaufreibend und beängstigend. Aber nach einer Woche hat sich das gelegt. Das Beste an den Filmen von Aki sind seine Drehbücher. Er ist ein Meister darin, die Dinge zusammenzufassen.
Er sagt sehr viel ohne viele Worte. Als Schauspieler bleibt da natürlich kein Raum zum Improvisieren – wie wollte man solche Dialoge auch je verbessern?
Worin liegt das Besondere an „Fallende Blätter“?
In gewisser Weise ist es ein Superheldenfilm. Die beiden Figuren haben eine Menge Mut. Ihre Superkraft ist, dass sie das Gute in den Menschen sehen, wenn andere es nicht können. Als sie ihn das erste Mal ansieht, beschließt sie, dass er ihr Mann sein wird. In gewisser Weise ist ihre Geschichte unausweichlich.
Was wäre Ihr Ratschlag für Kinogänger?
Freuen Sie sich auf eine Liebesgeschichte. Die ist ziemlich tragisch. Gleichzeitig macht sie Hoffnung und ist sehr komisch. Das brauchen wir doch alle in schweren Zeiten wie diesen.
Fotos © Sputnik Oy / Pandora Film, Foto: Malla Hukkanen