Ausnahme-Rapper Megaloh beendet mit seinem neuen Album „Drei Kreuze“ einen Lebensabschnitt und feiert die neu gewonnene Freiheit am 22. September auf der Bühne des Musikzentrum Hannover.
Mit seinem vierten Soloalbum „Drei Kreuze“ endet für Megaloh ein Lebensabschnitt. Der Majordeal ist erfüllt und was danach kommt, bleibt offen. Zunächst geht es darum, das Erlebte zu verarbeiten und den kommenden Generationen ein paar Weisheiten mit auf den Weg zu geben. Ein Plattenvertrag sei nicht nur ein wichtiger Karriereschritt für junge Künstler: innen, sondern komme eben auch mit Verpflichtungen und Konsequenzen. So ist das neueste Werk durchaus als Abrechnung mit der Musikindustrie zu verstehen. Aber auch die Hip-Hop-Szene in Deutschland, die Kolleg:innen und Fans bekommen die eine oder andere Ansage. Auf der Single „Statements“ wird der Rapper aus Berlin Moabit dabei deutlich wie selten zuvor. Der Song fügt sich ein in eine Debatte um die Live-Fähigkeiten deutscher Rapper:innen, die zuletzt durch den Auftritt des Newcomers T-Low beim diesjährigen Splash!-Festival befeuert wurde. Das mittlerweile auch im Rap häufig eingesetzte Halb- oder gar Vollplayback, empfinden einige Künstler:innen und Fans als dem Genre unwürdig.
Darüber hinaus übt Megaloh umfangreiche, inhaltliche Kritik. Auch wenn er für sich selbst das Label „Conscious Rapper“ ablehnt, kommen ernste Themen wie Krieg, Vertreibung und Flucht, Sexismus und Homophobie, Klimakrise und Kapitalismus immer wieder in seinen Texten vor. Wir wollten wissen, was den Ausnahmekünstler antreibt und haben uns deshalb mit ihm zum Videointerview verabredet.
Wie geht es dir und wo bist du aktuell?
Ich bin in meinem Studio, hier bin ich zum Arbeiten. Das ist zwar auch eine Wohnung, aber hier lebe ich nicht.
Trennst du also Arbeitsleben und Familienleben?
Ja, das ist anders nicht möglich. Das ist auch gut, um ein bisschen Abstand zu bekommen. Ich kann schon auch mit dem Laptop zu Hause arbeiten, aber zum Recorden oder mit irgendwelchen großen Geräten und alten Samplern arbeiten, ist das Studio schon besser. Auch weil mein fünfjähriger Sohn einfach gerne Sachen kaputtmacht.
Dreht der gerne an den Knöpfen?
Noch ist der zu jung. Der soll natürlich mal alles übernehmen, aber noch nicht! (lacht)
Du hast dir vor einigen Wochen beide Arme gebrochen. Alles wieder gut?
Ich darf jetzt nach acht Wochen wieder probieren, Liegestütz zu machen und die Arme wieder richtig zu belasten. Mir geht es gut und es verheilt alles ziemlich gut, aber es ist noch nicht wieder bei 100 Prozent – es sieht aber gut aus.
Du bist trotzdem zum Splash! gefahren und hast da sogar ein Musikvideo gedreht. Dich hält nichts auf, oder?
Wie soll ich sagen? Splash! und Summerjam waren ja beide an einem Wochenende und sind für mich zwei der wichtigsten Festivals. Deswegen war auch meine erste Reaktion nach dem Unfall: Warum ausgerechnet jetzt? Ich konnte mir das dann einfach nicht nehmen lassen, trotzdem aufzutreten. Ich konnte zwar nicht im Tourbus mitfahren, da war mit meinen Schienen zu wenig Platz, aber bin mit dem Auto hinterher. Ich habe einfach ein gutes Team und so hat es dann doch funktioniert. Ich glaube, für die Fans war das auch nochmal ein anderes Erlebnis. Einfach die Motivation: Nicht aufgeben!
Dieses Kopf-hoch-Ding kommt auch im Titelsong zum neuen Album vor. Ist es dir ein Anliegen, mit deiner Musik auch Leute zu motivieren?
In erster Linie therapiere ich mich ja selbst. So gebe ich mir quasi selbst den Rat: Junge, reiß dich zusammen, halte durch. Egal, wie schwer es scheint. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Sachen, die ich mir selbst sage, also diese Therapie, die ich mir da gebe, auch viele Leute da draußen gebrauchen können, denen es ähnlich geht. Aber es geht mir jetzt nicht nur darum – das ist nur ein Aspekt des Ganzen.
Was hat es mit dem Albumtitel auf sich?
Dieses Album ist auch ein Abschluss. „Drei Kreuze“ bedeutet sowas wie: Puh, gerade nochmal Glück gehabt. Dieses Musikbusiness zerrt einfach ganz schön an einem und insofern denke ich, dass ich Glück hatte. Ich kenne andere, die nach ein paar Jahren in diesem Geschäft auf jeden Fall mit Psychosen rausgegangen sind und viele Probleme mit Selbstwert und fehlendem Vertrauen haben. Ich habe auch einen Schaden, aber ich habe es so überstanden, dass ich irgendwie noch funktionsfähig bin.
Die Religion spielt ja, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle auf dem Album. Warum die dann die Kreuz-Symbolik?
Die erste Assoziation zu dieser Redewendung war für mich nicht religiös, auch wenn der Ursprung ja irgendwo damit zu tun hat. Aber im Zusammenhang mit der Kreuzigung von Jesus steht es schon auch für den Tod und einen Abschluss. Aber Jesus ist in der Geschichte auch wieder auferstanden, das erhoffe ich mir für mich natürlich auch nach dem Abschluss dieses Projektes. Vielleicht kann die Karriere dann auf andere Weise weitergehen. Außer dem religiösen Bezug steht es aber auch für die Unterschrift unter Verträgen von den Menschen, die nicht schreiben konnten – früher. Das ist natürlich auch eine Anspielung auf die Frage, ob man im Moment einer Vertragsunterzeichnung weiß, was man da tut oder nicht. In meinem Fall war ich mir der Auswirkungen und des zeitlichen Aspekts meines Vertrages nicht bewusst, als ich unterschrieben habe. Das ist jetzt mein letztes Album in diesem Majordeal. Das Projekt Megaloh kommt damit also schon zu einem Abschluss. Meine Karriere lässt sich eigentlich in zwei Abschnitte einteilen: Der Part, in dem ich independent war und ziemlich erfolglos versucht habe, eine Karriere aufzubauen. Und der Punkt, an dem ich damals mit Max Herre einen Vertrag unterschrieben habe, der über vier Soloalben geht. Es ist eine offene Frage, was danach kommt. Ich bin jetzt niemandem mehr etwas schuldig, es liegt dann nur noch an mir. Mir ist es wichtig, mir bewusst zu machen, dass das jetzt etwas Einzigartiges ist, das so danach nicht nochmal passiert.
Du richtest an junge Künstler also den direkten Appell: Holt euch Beratung, bevor ihr etwas unterschreibt. Bereust du deinen Deal heute?
Ich denke, ich habe etwas bekommen und dafür habe ich etwas gegeben. Das kann man grundsätzlich mal sagen. Aber Fakt ist auch, dass ich mir zu dem Zeitpunkt einfach nicht voll bewusst über alle Auswirkungen des Vertrags war. Deswegen sollte man, ganz allgemein, immer Rechtsberatung haben. Auch wenn das finanziell eine Herausforderung sein kann. Als Künstler, der einfach endlich seinen Vertag haben will, da sieht man viele Sachen erstmal nicht.
Ist das deine musikalischste Platte bislang?
Ich knüpfe auf jeden Fall wieder an Musikalität an, die mit „Endlich Unendlich“ aufgemacht und mit „Regenmacher“ fortgeführt wurde. „21“ war so ein bisschen ein Bruch in dieser Reihe. Aber ich habe schon versucht, eine Konsistenz oder Kontinuität zu den Sachen davor herzustellen, ohne Sachen einfach zu wiederholen. Vielfältig, würde ich sagen. Ja, es gibt eine große Bandbreite – verschiedene Samples, Trap, Boombap, Drill-Anleihen. Trotzdem haben wir viel weniger Instrumente eingespielt als bei „Regenmacher“.
„Das ist mein letztes Album in diesem Majordeal. Das Projekt Megaloh kommt damit zu einem Abschluss“
Dein eigenes Producer-Tag OGA fällt beim Hören jetzt öfter auf. Wie viel hast du selbst produziert? Wie viel greifst du ein in den Prozess?
Ich hatte schon immer Interesse an den Instrumentals, um zu verstehen, warum mich dieses oder jenes Instrumental berührt. Dafür musste ich erstmal diese technische Hürde überwinden, mich in einem Programm zurechtzufinden – das ist wie eine neue Sprache gelernt zu haben. Vorher habe ich immer nur den Beat als Ganzes gehört, aber nicht so sehr die einzelnen Teile davon. Jetzt kann ich dir sagen: „Diese Hi-Hat ist zu laut“ oder „Das ist der falsche Sound“ oder so was. Weil ich das jetzt im Detail hören kann. Das hat mir insgesamt geholfen, als Künstler zu wachsen. Ich habe mir jetzt nicht vorgenommen, unbedingt das Album zu produzieren, aber ich habe am Ende 50 Prozent davon selbst produziert, also etwa die Hälfte der Beats gemacht. Das ist keine Egogeschichte und natürlich hilft das in der Zusammenarbeit mit anderen Produzenten sehr, dass ich jetzt auch selbst Beats machen kann. Bei der „Hotbox“-EP haben wir mit Ghanaian Stallion beispielsweise einfach viel so gearbeitet, dass ich Skizzen geschickt habe und er dann einfach nen richtig geilen Beat darauf gebaut hat. Auch wenn das dann manchmal mit der Skizze gar nichts mehr zu tun hatte, aber so kann etwas im Prozess entstehen. Heute macht mir das Produzieren teilweise mehr Spaß als zu rappen.
Ausgelöst von T-Lows Auftritt beim Splash! gibt es zurzeit diese Debatte um Playbacks bei Rap-Konzerten. Inwieweit ist der Song „Statements“ ein Beitrag zu dieser Debatte?
Erstmal muss ich sagen, dass ich von T-Low zuvor noch nie irgendwas gehört hatte. Der Song ist vorher entstanden, ich habe den nicht gemacht, um mich über ihn zu echauffieren. Die Sachen, die ich da geschrieben habe, beziehen sich auf etwas, das schon lange stattfindet. Es ist ja jetzt keine neue Generation, die wegen Corona keine Bühnenerfahrung sammeln konnte, sondern es hat sich ja davor schon abgezeichnet, dass Leute immer mehr Halbplayback oder Playback spielen und einfach nicht live rappen können. Und das gibt es ja auch schon ganz lange, das ist nichts Neues. Ich finde, hierzulande gibt es einfach wenige, die eine richtig gute Live-Show machen oder einfach richtig gute Live-Rapper sind. Bist du in der Lage, das allein mit deinem Mic klar machen zu können? Das ist so die Aussage davon. Aber es geht noch um viel mehr – Image-Getue, Sexismus und den aus meiner Sicht fehlenden Bezug zum Ursprung der Hip-Hop-Kultur. Einzelne mögen den haben, aber wenn man sich die Rap-Landschaft in Deutschland anguckt, kommt das für mich nicht so rüber. Und deshalb habe ich die Sachen gesagt, die ich gesagt habe. Es ist echt einfach lustiges Timing, dass diese Sache mit T-Low dann gleichzeitig passiert ist.
„Dieses Musikbusiness zerrt einfach ganz schön an einem“
Dass du ausgerechnet auf dem Splash!-Gelände ein Video zu dem Song gedreht hast, wirkt so ein bisschen wie eine spontane Aktion…
Ich habe wirklich seinen Namen nicht gehört, bis Leute ihn unter meinem Video erwähnt haben. Aber die Kritik gehört einfach zum Rap dazu, das muss man sich dann anhören. Ich weiß noch, als Kollegah damals bei einem ersten Auftritt das Mikro falsch gehalten hat. Da musste er sich das auch anhören. So ist halt die Kultur.
Gibt es Newcomer oder junge Leute, die du grad gut findest? Was hörst du selbst gerade an Deutschrap?
Ich höre nach wie vor keinen deutschen Rap! (lacht) Aber ich feiere auch nicht nur die alten Boombap-Sachen oder so, so meine ich die Kritik nicht. Also Shoutout an Yun Mufasa, wenn man den noch Newcomer nennen kann. Der ist zwar nicht so etabliert und macht echt ganz andere Musik, als was die Leute von mir zum Beispiel erwarten würden. Der macht Autotune und melodische Sachen, das ist auch cool. Ich habe kein Problem damit, dass Rap Autotune benutzt. Ich bin schon sehr offen für neuere Entwicklungen und ich finde es schade, dass man sich da teilweise so verschließt. Ansonsten Musa, die P, Ulysse … mehr fallen mir gerade nicht ein. Ich hör einfach wirklich kaum deutsche Sachen.
Das Album kostet auf Vinyl zum Vorbestellen grad knapp 50 Euro inklusive Versand. Warum ist das so? Ist das nicht zu viel für ein Album mit zwölf Songs?
Ich habe mich darüber auch total geärgert. Das hat mit den Herstellungskosten zu tun, die sind krass gestiegen und der Händlerabgabepreis ist auch krass gestiegen. Aber es ist auch eine Doppel-Vinyl – wäre es nur eine Platte, wäre es deutlich günstiger, aber auch die Qualität wäre deutlich schlechter. Da hättest du dann sechs Songs je Seite und technisch gesehen wird einfach ab ungefähr vier Songs pro Seite die Qualität wirklich schlechter. Das ist uns schon wichtig, es geht uns ja um den Hörgenuss. Aber auch ich war echt überrascht und habe mich geärgert, als ich den Preis gehört habe. Ich glaube trotzdem, dass es sich lohnt, die Platte zu kaufen. Vom Aussehen und Artwork her ist das wirklich nice gemacht und natürlich ist da auch inhaltlich was drauf.
Was verbindest du mit Braunschweig?
Ich habe vor etlichen Jahren meinen Zivildienst gemacht und da musste ich mal zu einem Lehrgang nach Braunschweig. Da waren wir auch Party machen im Jolly Joker und da kann ich mich auch gut dran erinnern. Das war ein sehr guter Abend.
Welche Schlagzeile würdest du gerne mal über Megaloh lesen?
Entweder irgendwas mit Megaloh und Milliardär drin, oder: „Megaloh bricht Grammy-Rekord“, oder so was wie „Megaloh schlägt Kanzlereinladung aus“.
Ich danke dir für das Gespräch und für die Einblicke. Die eine oder andere Zeile verstehe ich jetzt vielleicht besser. Viel Erfolg für das Release.
Danke, Peace!
Termin
22. September
Musikzentrum (H)
megaloh.de
Fotos Sebastian Schuster