Bis zum bitteren Ende

Remakes, Spin-offs, Prequels: Über die maßlose Ausschlachtung von Netflix-Serien und Co.

Ein „Gossip Girl“-Reboot, ein „Game of Thrones“-Prequel, ein „Sex and the City“-Comeback – fällt denn den ganzen Serien- und Filmemacher:innen heutzutage nichts Neues mehr ein oder stecken dahinter bloß gierige Marketing-Gurus, die jede Erfolgswelle bis zum bitteren Ende reiten wollen? Möglicherweise eine Mischung aus beidem und warum auch nicht – schließlich funktionierts. Wer bekennt sich nicht gerne mit einer ganzen Merch-Sammlung als Hufflepuff oder Supporter des Hauses Stark? Oft ist es ein ganz bestimmter Charakter, den wir besonders in unser Herz geschlossen haben und für den wir ewig brennen. Deshalb schmieden Streaming-Giganten wie Netflix, Prime und Co. am besten schon Pläne für Prequels, Sequels und Spin-offs, bevor das beliebte Hauptwerk überhaupt zu Ende ist. Die Fans freuen sich und es bringt ‘ne Menge Geld; eine klassische Win-win-Situation.

 

Jedes Ende ist ein Neuanfang
So verlief es etwa erst kürzlich, als nach fünf Teilen und 48 Episoden das Grande Finale der spanischen Erfolgsserie „Haus des Geldes“ im Dezember releast wurde. Episode für Episode haben wir mitgefiebert, ob der Professor es schlussendlich schafft, seine Gangster-Crew heil aus der Bank von Spanien zu schaffen.
Keine Angst, es folgt kein Spoiler für all jene, die sich noch nicht haben verleiten lassen, endlich Deutschlands Nr. 1 zu streamen. Tatsächlich spuckt auch die Suchmaschine des Vertrauens kurz nach Release der Abschluss-Episoden kaum einen Spoiler aus, denn die heißesten News sind schon längst andere: 2023 kommt ein Spin-off, das sich einzig der viel diskutierten Figur Berlin widmet. Als wäre das noch nicht genug, ist eine südkoreanische Version der Heist-Serie ebenfalls in der Mache. Südkorea? Funktioniert gerade bestens in Film und Serie und rote Overalls wären auch schon vorhanden, schließlich schlug die skandalöse Dramaserie „Squid Game“ gerade erst ein wie eine Bombe und wurde prompt zur erfolgreichsten Netflix-Serie aller Zeiten. Was die Kostümwahl angeht, wurde da unter Umständen beim spanischen Heist-Schlager abgeschaut. Wie praktisch: So kann man an Karneval ganz einfach am einen Tag als Tokio und am anderen als mordlustiger Schiedsrichter gehen. Es liegt also nur auf der Hand, dass im südkoreanischen „Money Heist“ auch ein „Squid Game“-Star auftauchen muss: Park Hae-Soo wird die Rolle des Berlin spielen. Damit wären alle Zutaten des Erfolgsrezepts beisammen. Oder geht da noch mehr?

 

 

 

 

Sí claro! Nicht nur, dass es inzwischen Usus zu sein scheint, eine ohnehin schon durch Staffeln zerstückelte Serie weiter aufzuteilen und halbe Staffeln zu veröffentlichen, um damit die Serie künstlich in die Länge zu ziehen; im Falle von „Haus des Geldes“ wird jetzt mit Spotify noch ein weiterer Streaming-Riese ins Boot geholt, der einen etwa zu Tokios Partyplaylist abhotten oder die grauen Zellen zu Professors Bunker-Beats arbeiten lässt. Als wäre das noch kein Overkill, hat Netflix selbst gleich noch zwei Dokus darüber gedreht, warum „Haus des Geldes“ so geil ist.

Bella ciao!
Zugegeben, wenn zum Tod einer Serienfigur wie Nairobi ein metergroßes Mural mitten in Köln-Ehrenfeld errichtet wird, scheint eine Serie wie „Haus des Geldes“ eine ganz schöne Tragweite zu haben. Das mag an der hippen Ästhetik, den hotten Charakteren, der Mischung aus Action, Gewalt und Sex oder aber auch an der modernen Kapitalismuskritik und dem Hauch Anarchismus liegen, was wohl ziemlich gut auf die Gen-Y-Zielgruppe aka fünfzig Prozent der Netflix-Streamer passt. Klar, auch wir lieben die Serie, finden Tokio und Rio heiß und haben geheult, als Nairobi starb. Dennoch führt dieses übertriebene Hypen früher oder später nur noch dazu, genervt von der Allgegenwärtigkeit eines Themas zu sein und viel zu hohe, nicht erfüllbare Erwartungen an die kommenden Staffeln oder Ableger aufzubauen.
Statt also immer gleiche Plots und Figuren wieder und wieder aufzukochen, hören wir lieber auf, wenns am schönsten ist und freuen uns auf neuen Serienstoff.

Fotos Tamara Arranz Ramos, Haus des Geldes/Netflix

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

Ein Märchen aus dem Norden

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