Angstlust

Der Horrorfilm gehört zu einem der traditionsreichsten und beliebtesten Genres überhaupt – trotz expliziter Gewalt, Tod und Verstörung. Warum tun wir uns das an?

Verfluchte Geisterhäuser, besessene Kinder, furchterregende Mörderpuppen oder verrückt gewordene Psychokiller – die Welt des Horrorfilms ist voller Klischees und immer wiederkehrender Elemente. Klassiker wie John Carpenters „Halloween“ zählen bald eine ganze Reihe von 13 Filmen (ob das ein gutes Zeichen ist?), „Saw“ hat gerade seinen neunten Teil bekommen und auch mit „The Forever Purge“ kam dieses Jahr die inzwischen fünfte Episode des beliebten Horrorthrillers von 2013 in die Kinos. Es scheint, als sei der Horrorfilm das Genre der Remakes und Fortsetzungen – letztlich passiert ja eh immer das Gleiche: Teenies werden bei ihrer wilden Party der Reihe nach abgeschlachtet; beim Wandertrip im Wald gerät die in die Jahre gekommene Truppe Männer in die Fänge einer okkulten Sekte oder das unschlagbar günstige Haus, in dem die vierköpfige Jungfamilie ein neues Leben beginnen will, hat doch Leichen im Keller. Letzten Endes münden all diese – naja, sagen wir mal „dünnen“ – Storylines in ein und demselben: Mord und Totschlag, einer Menge Blutvergießen und unsäglichem Grauen. Warum tun wir uns das eigentlich an? Welche sadistischen oder perversen Neigungen befriedigen wir mit Splatter, Slasher und Gore?

 

Die Theorien dazu, warum wir uns eigentlich so leidenschaftlich gerne Horrorfilme reinziehen und uns regelrecht amüsieren, wenn Michael Myers an Halloween mordend durch Haddonfield schleicht, sich eine Armee hungriger Untoter an den Gedärmen ihrer Opfer bedient oder ein Geist am anderen Ende des Flurs in Windeseile über das Parkett poltert, sind weitreichend.

Der Film ist ein Zusammenspiel vieler verschiedener Künste und gerade der Horrorfilm funktioniert nur dann, wenn alle eine perfekte Einheit ergeben – oder würdet ihr euch auch gruseln, wenn die Musik nicht so schaurig klingen würde, wenn die Soundeffekte nicht so pointiert wären, den Schauspieler:innen Angst und Schrecken nicht bis ins Mark anzusehen wären, die Schnitte nicht so unvorhersehbar und das Blut nicht so echt aussehen würde? All diese Komponenten braucht es, um unsere tiefsten und ursprünglichsten Ängste zu wecken. Fast wie in einem (Alb-)Traum werden wir mit dem Tod konfrontiert und ein Verarbeitungsprozess beginnt. Hier greift beispielsweise die sogenannte Katharsis-Theorie von Aristoteles: Durch das (filmische) Durchleben von Angst, Schrecken und Grauen wird die Seele gereinigt und von negativen Emotionen befreit. Zudem wird unser Geist auf Extremsituationen vorbereitet und wir beschäftigen uns unterbewusst mit der Frage, wie wir mit dem Unbesiegbaren umgehen würden.

Hinzu kommt, dass wir natürlich den Nervenkitzel lieben und das Siegesgefühl, wenn wir einen Horrorfilm überstanden haben. In der Psychologie nennt man diese zwiespältige Gefühlslage „Angstlust“ – es wird Adrenalin ausgestoßen, gleichzeitig aber auch die beiden Glückshormone Dopamin und Serotonin. Wir haben also Angst, finden es aber auch irgendwie geil. Aus genau solchen Gründen springen Leute auch an einem Bungeeseil von einer Brücke. Obwohl die körperlichen Reaktionen wie schwitzige Hände oder Herzrasen echt sind, wissen wir auch beim Horrorfilm: Uns kann nichts passieren, die Gefahr ist nicht real. Wir müssen schließlich nicht vor Freddy Krueger davonlaufen, sondern können Popcorn in uns reinschaufeln – eigentlich eine ganz bequeme Situation, oder?

Eine letzte Theorie bleibt noch und die stammt von Stephen King und der sollte sich auf dem Gebiet ja wohl bestens auskennen. Der Horror-Großmeister ist schlicht der Meinung, dass wir eh alle psychisch krank seien – vielleicht können es die einen nur besser verstecken als die anderen. Und während er das sagte, wurde es urplötzlich dunkel. Hast du das auch gerade gehört?!

Foto rangizzz-stock.adobe.com

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

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