Zu Besuch im Soziokulturzentrum Brunsviga in Braunschweigs östlichem Ringgebiet
Die Brunsviga ist seit den 80er Jahren eine Institution der Braunschweiger Kulturlandschaft und als solche nicht mehr wegzudenken. Doch auch wenn die über 150.000 jährlichen Besucher:innen das Haus zu einem der größten soziokulturellen Zentren Norddeutschlands machen, ist so manchem vielleicht gar nicht recht klar, was die alte Konservenfabrik von einst eigentlich noch so alles ausmacht.
Teilhaben und Teilnehmen
Seit jeher sei die Brunsviga eine Spielstätte für Kleinkunst und Kabarett, so Christiane Mielke, die seit 2018 als Geschäftsführerin der Kultureinrichtung agiert. „Wir fördern hier Nachwuchstalente und verbuchen es als Erfolg, wenn denen unsere Bühne dann irgendwann mal zu klein werden sollte“, scherzt die Kulturmanagerin. Das Zentrum ist dabei weit mehr als eine Veranstaltungslocation und bemüht sich mehr und mehr, dies in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken. „Soziokultur bedeutet für mich, niedrigschwellige Angebote zu schaffen“, so die Geschäftsführerin und erläutert: „Anders als ein gewerblicher Kulturveranstalter stellen wir das Thema der kulturellen Teilhabe in den Vordergrund.“ Das Haus lebt von vielfältigen Kulturinitiativen aus der breiten Bevölkerung, von Laienspielgruppen über Chöre oder einem Malkreis: Die Brunsviga bietet Räumlichkeiten und steht beratend zur Seite. „Ich möchte, dass dieses Wirken in der Breite noch stärker als gesellschaftlich relevant anerkannt wird“, fordert Mielke und verweist auf die Synergien, die Orte wie die Brunsviga für das soziale Miteinander schafften. Kulturelle Teilhabe bedeute nämlich gleichermaßen Konsument:innen ein Angebot zu machen, das für alle bezahlbar bleibe und die Scheren durch die sozialen Milieus nicht weiter öffne: „Es ist ganz wichtig, dass man sich hier noch ein Theaterstück für wenig Geld ansehen kann“, fasst die Einrichtungsleiterin zusammen.
Leute, kommt zusammen.
In diesem Zusammenhang ist das Team der Brunsviga gerade in den Startlöchern, auch neue Konzepte der Beteiligung vor Ort zu schaffen. Angedacht ist etwa eine Möglichkeit für Interessierte, bei der Durchführung von Veranstaltungen ehrenamtlich ein bis zwei Stunden mitzuhelfen und im Anschluss dafür das Event kostenlos besuchen zu können. Ganz wichtig, so Christiane Mielke, sei es im Kopf zu behalten: „Teilhabe erfordert Leute, die mitmachen.“
Eine nun ins Leben gerufene Idee ist das Event „Running Culture“, das der urbanen Anonymität im östlichen Ringgebiet begegnet. Es bringt Menschen zusammen, die sich als Gastgeber:innen und Gäste gegenseitig kulturelle Programme in ihren Wohnungen präsentieren. Diese Programme können Singen, Musizieren, Vorlesen, Malen, Musik hören, Witze erzählen oder Diashows umfassen. Nach 20 Minuten ziehen die Teilnehmenden zur nächsten Station und erleben so einen Abend der Begegnung und lernen einander kennen. „Kultur und Begegnung schaffen Zusammengehörigkeitsgefühl“, erzählt Christiane Mielke. „Wir wollen, dass sich Menschen kennenlernen und etwas gegen Vereinsamung unternehmen.“ Das Projekt endet mit einem Treffen aller Beteiligten in der Brunsviga, wo sie sich bei Live-Musik und Snacks über ihre Erfahrungen austauschen können. Die Kick-Off-Veranstaltung mit weiteren Informationen zu Running Culture findet am 15. Mai statt. Das eigentliche Event ist für den 12. Oktober angesetzt. Anmelden kann man sich auf der Website des Brunsviga-Kulturzentrums.
Raum für alle
In puncto Selbstverständnis sieht sich die Brunsviga als inklusiver Safe-Space auch abseits von Veranstaltungen. „Wir sind ein dritter Ort“, formuliert es Christiane Mielke. Ein in Abgrenzung zum Wohn- sowie Arbeitsplatz definierter Bereich, der zwanglos und vielfältig nutzbar ist. Christiane Mielke berichtet von einer Besucherin, die häufig im Foyer via Laptop remote Deutschunterricht gegeben hätte, bis die Leiterin sie eines Tages darauf aufmerksam machte, dass ihr dafür auch ein eigener Kursraum innerhalb des Kulturzentrums zur Verfügung gestellt werden könnte. Dieses Angebot nehme besagte Frau bis heute wahr, erzählt die Kulturmanagerin. Viele Anspruchsgruppen sind auf die Raumnutzung innerhalb der Brunsviga angewiesen und finden hierfür bezahlbare Konditionen vor. Das Kostenmodell umfasse hier auch ganz klar gestaffelte Preise, je nachdem um welche Mieter:innen es sich handele, so Mielke: „Selbsthilfegruppen, Malgruppen, Chöre und viele mehr finden hier alle einen Platz und bezahlen als nicht Profit-orientierte Gruppen sehr viel weniger als zum Beispiel ein Unternehmen, das sich hier für ein Firmenevent einmietet.“
Darüber hinaus steht die Einrichtung dafür ein, gesellschaftliche Diversität im Team und in den Veranstaltungen zu leben, der Verein arbeitet mit der Lebenshilfe zusammen und setzt ganz grundsätzlich darauf, die Vielfalt in den Belangen Geschlechteridentität, Altersstruktur und Herkunft zu zelebrieren. Kommt doch also mal wieder rum, egal ob zu einer der zahlreichen Shows oder Konzerte, um in der Kulturkantine ein Käffchen zu schlürfen oder um einfach nur zu sein, denn: Dies hier ist ein dritter Ort für uns alle.
Fotos Simone Peist, Simon Henke