Trilles zweites Album „aus meiner haut“ erscheint am 5. April 2024.
Tristan aka. Trille aus Berlin ist spätestens seit seinen Releases „Pro“ und „Blink 182“ (2022) ein Begriff in der deutschen Musikszene irgendwo zwischen Indie, Trap, Pop und Rock. Aufgewachsen in einer musikalischen Familie, ist er prädestiniert dafür, seinen Platz im klassischen Genre zu finden und Pianist zu werden. Mit der Pubertät beginnt jedoch eine unverhoffte Rockband-Rebellion und mit Mitte 20 fängt er an, seine Geschichten mithilfe von verschiedensten Elementen in Songs zu verpacken.
2022 erscheint sein erstes Album „Kapuze“. Während er seine Songs anfangs wie einen Kuchen nach einem Backrezept zusammenstellt, beschreibt er sich mittlerweile als „weniger verkopft“ und mixt seine Musik nicht nach Rezept, sondern nach Gefühl. Im Interview spricht der 28-Jährige mit Lina über das neue Album, über Momente, in denen er gerne aus seiner Haut würde und über sein größtes Problem in Beziehungen.
Zu Deinem letzten Album hast Du gesagt, dass die Songs widerspiegeln, wer Du gerade bist und womit Du Dich beschäftigst. Wer bist Du während der Entstehung von „aus meiner haut“?
Auf dem Album geht es viel um meinen Struggle als Mann, vor allem als feministisch aufgeklärter Mann, der die Ungerechtigkeiten erkannt, aber keine wirkliche Lösung parat hat. Das Grundgefühl des Albums ist, dass ich weniger Raum einnehmen und klein und leise sein will. Es geht um Erkenntnisse der letzten Jahre. „1 hertz“ handelt zum Beispiel davon, dass ich weniger leisten kann, als ich dachte. Ich ‚opfere‘ mich selbst als Negativbeispiel, um den Hörer:innen mehr von mir zu zeigen und weil ich glaube, dass sich viele vielleicht auch ein Stück weit selbst wieder erkennen können.
Also hast Du Dich in den letzten zwei Jahren persönlich sowie musikalisch weiterentwickelt?
Die letzten zwei Jahre waren eine Entwicklung hin zu mir selbst, wie man so schön sagt. Auf dem Album möchte ich zeigen, wer ich bin. Anstatt laut und groß zu sein und damit andere beeindrucken zu wollen, klingt das Album leiser und verletzlicher, mit weniger Verpackung und weniger Effekten. Es gibt natürlich auch intensive Töne durch orchestrale Arrangements, die Emotionen aufbauen, aber insgesamt ist der Sound ruhiger. Je älter ich werde, desto besser weiß ich, was mich interessiert und was ich für Musik machen will. Bei mir ist das auch so, wenn ich Musiker:innen zuhöre, will ich einfach hören, was sie denken und wie sie ticken und das versuche ich auch umzusetzen.
Bei Spotify erzählst Du, dass „1 hertz“ in einem Bauwagen entstanden ist, während Du allein im Urlaub warst. Ist der Rest des Albums auch dort entstanden?
Nur dieser eine Song, der Rest ist ganz unterschiedlich entstanden. Ich war noch eine Woche an der Nordsee und durfte eine Woche auf das leerstehende Elternhaus einer Freundin aufpassen. Dort habe ich nichts anderes gemacht außer joggen gehen und schreiben. In dem schönen verwunschenen Haus ist zum Beispiel „mausmann“ entstanden. Ansonsten schreibe ich auch Songs zusammen mit anderen, bei Novaa im Studio zum Beispiel.
Also bist Du kreativer, wenn Du in einem anderen Setting unterwegs bist als zu Hause?
Ja, schon. Zu Corona-Zeiten hatte ich alle Instrumente und Technik in meinem Wohnzimmer und habe wie in einem Tonstudio gewohnt. Für die Zeit war das auch gut und wichtig, aber ich hab dann gemerkt, dass ich das trennen muss. Wenn ich mich nicht bewusst hinsetze, bin ich auch oft kreativ. Ich gehe zum Beispiel spazieren und plötzlich kommt mir eine Idee. Das passiert natürlich auch mal zu Hause, aber wenn ich mir vornehme, einen Song zu machen, gehe ich woanders hin.
Gibt es Momente, in denen Du Dir wünschst, mehr aus Deiner Haut zu kommen?
Auf jeden Fall. Meine größte Schwäche ist, dass ich meine Gefühle nicht gut äußern oder überhaupt erst erkennen kann. Das führt oft dazu, dass ich mein Herz nicht auf der Zunge trage, sondern zu lange drüber nachdenke, was ich fühle und was ich will. Da arbeite ich viel dran. Ich finde es total beneidenswert Leute zu sehen, die impulsiv sind, einfach ansprechen, was ihnen nicht passt und sagen, was sie wollen. In dem Song „aus meiner haut“ geht es auch darum, dass ich mich als Musiker auf die Bühne stelle und den Leuten von Gefühlen erzähle, dabei aber selbst so einen schlechten Zugang zu meinen Gefühlen habe und ich eigentlich erstmal daran arbeiten muss. Das lässt sich gut übertragen, dass wir oft an anderen rummäkeln oder wie sie mit uns umgehen, aber wir uns erstmal an die eigene Nase fassen sollten, inwiefern wir dazu beitragen.
Wird diese Schwäche zum Problem in Deinen Beziehungen?
Das größte Problem ist, dass ich so lange brüte und die andere Person vor vollendete Tatsachen stelle, anstatt sie an meinen Gefühlen und Gedanken teilhaben zu lassen. Ich habe das so anerzogen bekommen, dass man anderen keine Probleme macht und umgänglich, immer positiv und lösungsorientiert ist. Das führt dazu, dass ich unangenehme Situationen und Konflikte so lange wie möglich rauszögere, bis sich einiges angestaut hat und der Konflikt nicht mehr so einfach zu lösen ist. Man sollte viel früher darüber sprechen, das habe ich erkannt und gefühlt jeder zweite Song geht auch um dieses Thema (lacht).
Was sind Deine Träume für die Zukunft?
Ich würde gerne mal ein richtiges Orchesterkonzert spielen. Auch wenn ich die klassische Musik ab einem gewissen Zeitpunkt von mir weggeschoben habe, ist sie immer noch ein Teil von mir. Mein größter Traum ist es, dass es einfach so weitergeht wie bisher und ich noch in 20 Jahren Musik machen kann. Es soll nicht vorbeigehen wie ein beliebiger Trend, sondern zeitlos sein.
Wir sind gespannt, wie Trilles persönliche und musikalische Reise weitergeht, auf der er sich selbst und anderen genug Raum geben möchte. Für Live-Auftritte müssen wir uns allerdings noch bis 2025 gedulden: Dann geht es wieder auf Tour!
Foto Rebecca Kraemer