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Die nackte Wahrheit: Onur Yasar

Kennt ihr eigentlich schon…

… Kampfsporttrainer Onur Yasar?

Onur Yasar, Spitzname „Beton“, ist seit 2019 mit seinem eigenen Kraft- und Kampfsportgym Academia BS in der Hamburger Straße zu finden. Der 39-Jährige trägt den schwarzen Gurt, die höchste Auszeichnung im Brazilian Jiu-Jiutsu (BJJ) und gibt ca. 250 Mitgliedern in seinem Gym den Raum, Sportarten auszuüben, die von Respekt, Demut und Geduld leben. Nebenher arbeitet er als Gewaltpräventionstrainer und organisierte jüngst ein Kinder-Halloweenfest für seine Schützlinge. Im Jahr 2012 machte der bis dahin als Promoter für Saturn arbeitende seine Leidenschaft für den Sport zu seinem Geschäft und blieb dran, trotz reichlich Gegenwind und Hürden.

Wie ging deine Tätigkeit als Trainer in dem Bereich los?
Ich habe einen Trainerschein für Fitness gemacht, um Cross X Kurse anbieten zu können. Stumpfes Pumpen ging mir mehr und mehr auf den Sack, daraufhin habe ich einen zweiwöchigen Trainerlehrgang in Vollzeit in Berlin gemacht. Gepennt habe ich damals bei einem guten Freund, den man mittlerweile wohl ganz gut kennen dürfte: Das war RAF Camora. Dann habe ich in dem Gym, in dem ich damals selbst trainiert habe, zweimal die Woche Cross X Kurse anbieten können. 2016 hatte ich dann mit meinem damaligen Partner Pele das erste kleine Studio in der Wilhelmstraße. Wir haben da angefangen mit zehn Leuten. Da gab es keine Umkleide, keine Toiletten. Eine wilde Zeit. Auch finanziell war das anfangs ein ganz schöner Struggle.

Trotz finanzieller Sorgen hast du dran festgehalten?
Ich habe immer von Projekt zu Projekt gedacht, auch wenn ich das Gesamtziel natürlich vor Augen hatte. Ich habe mich um die Probleme gekümmert, die gerade auf dem Tisch waren. Es zahlt sich immer aus, wenn du dranbleibst. Egal wo du hin guckst, diejenigen, die kaputt gehen, sind die, die in der ersten schweren Phase aufgeben. Die, die groß rauskommen, sind die, die vorher schon zweimal fast bankrott waren, aber weitergemacht haben. Es gab Zeiten, in denen ich echt nichts zu fressen hatte. Habe ich dann mal Kohle bekommen, habe ich geschaut, dass meine zwei Töchter erstmal alles haben, was sie brauchen, dann habe ich mich um mich selber gekümmert und ‘ne Menge Nudeln aufgestockt, damit ich wusste, wenn’s wieder eng wird, kann ich Nudeln und Ketchup essen. (lacht)

Verknüpfst du diese Art zu denken mit deiner Leidenschaft für den Kampfsport?
100-prozentig, ja. Genau aus diesem Grund liebe ich das Training so sehr. Für mich ist das Training eine komprimierte Form vom Leben. Du musst dich aufwärmen, Gedanken machen, welche Techniken du wie umsetzen willst. Jemand zeigt dir, wie es funktioniert, du musst dir Mühe geben, das Gelernte in hitzigen Kämpfen einzusetzen. Im Jiu-Jiutsu selber gibt es im Kampf immer wieder Momente, in denen du zurückgehen musst, um neu anzugreifen. Manchmal sitzt ein Typ mit seinem Arsch auf deinem Kopf und versucht dir den Arm rauszureißen, selbst dann musst du Ruhe bewahren. Das alles hat dazu geführt, dass ich als Mensch sehr viel entspannter geworden bin, meine Zündschnur ist sehr viel länger als sie es je vorher war. Früher war ich aufbrausend, überheblich und hatte ‘ne große Fresse. Ich habe erst mit 27 mit BJJ angefangen. Dieser Sport hat mir eine sehr große Demut und Gelassenheit gegeben.

Was bietet ihr hier für Kurse an?
Boxen, Mixed Martial Arts, Thai Boxen, Brazilian Jiu-Jitsu, Frauen Kickboxen, Cross-X, Kindertraining und wir haben noch unseren freien Kraftbereich.

Wie kommt man aus Komfortzonen raus?
Ist schwierig, man neigt ja immer dazu, sich in die gemütliche Situation zu stecken. Man muss mit sich selber reden, selbstreflektiert sein. Mein Motto ist: Stillstand ist der Tod. Solange du da bleibst, wo du bist, passiert auch nichts.

Welche Wettkämpfe stehen für dich als nächstes an?
Ich habe gerade eine lange Reha-Phase durch nach einer komplizierten Knie-OP im Oktober letzten Jahres. Es geht trainingstechnisch nun endlich wieder in dem Maße los, dass ich im Januar höchstwahrscheinlich zur offenen BJJ EM in Paris fahren werde.

Ist das deine schlimmste Verletzung gewesen?
Mental auf jeden Fall. Rippenbrüche, Rippenprellungen und so weiter sind super schmerzhaft gewesen, dieser Knorpelschaden mit Bänderrissen im Knie war aber echt ein anderes Level. Ich konnte so gut wie nichts mehr alleine machen. Ich habe Panik bekommen, weil es sich so angefühlt hat, als könnte ich das alles nie wieder machen. Ich bin immer auch mal beim Training hier oben vorbeigekommen und ich konnte es nicht aushalten zu sehen, wie die sich über die Matte gerollt haben. Ich musste dann immer schnell weg, hab die Jalousien im Büro zugemacht und erstmal geheult. Eine richtig brutale Verletzungsdepression habe ich bekommen. Gott sei Dank bin ich da jetzt wieder voll raus.

Was hat dir geholfen damit umzugehen?
Das Team hier hat mich so dermaßen aufgefangen. Wir haben elf Trainer, die zum Teil sogar ehrenamtlich Trainingseinheiten übernehmen. Als ich dann erstmal ausgefallen bin, habe ich sehr schnell gemerkt, wie unglaublich diese Menschen hier arbeiten und alles managen. Das war der absolute Hammer. Mein Team war zusammen mit meiner Frau und meinen Kindern der größte Kraftspender in der Zeit. 

Foto Simon Henke

 

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Simon Henke

Geschrieben von Simon Henke

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