Das 37. Braunschweig International Film Festival startet am 6. November mit einem Eröffnungsfilmkonzert als Weltpremiere. Es folgt eine Woche voller Filmliebe.
Das Braunschweig International Film Festival hat schon viele Stars begrüßen dürfen. So verspricht es auch die 37. Ausgabe des BIFF. Der Europäische Schauspielpreis, Die EUROPA, geht in diesem Jahr an die Belgierin Cécile de France (Bild rechts), die die Auszeichnung persönlich entgegennehmen wird. Die Filmografie der Schauspielerin ist genreübergreifend vielseitig. Dem deutschen Publikum dürfte sie zuletzt in der ZDF-Thriller-Serie „Der Schwarm“ oder im Kino im Liebesdrama „Wild wie das Meer“ aufgefallen sein. Sechs ihrer Filme werden auch in der Festivalwoche zu sehen sein, darunter der französische Horrorfilm „High Tension“, der in der Mitternachtsreihe „New French Extremity at Midnight“ läuft und lange Zeit auf dem Index stand, da er in Frankreich vor 20 Jahren eine neue Stufe der Gewaltdarstellungen im Kino auslöste. Nichts für schwache Nerven also, wie auch BIFF-Programmleiterin, Karina Gauerhof, mit Blick auf die übrigen Filme in der Reihe anmerkt. Zwei der Filme dürfen aus Jugendschutzgründen sogar nicht öffentlich beworben werden; im Festivalprogramm sind sie daher lediglich als Überraschungsfilm 1 & 2 markiert.
Es ist angerichtet
Wer keinen Wert auf extremen Nervenkitzel legt, kann beruhigt ausweichen, denn natürlich hat das 37. BIFF noch so viel mehr zu bieten, 248 Filme sind es insgesamt. Hinzu kommen Auszeichnungen in zehn Kategorien. Das Preisgeld erreicht mit 68.000 Euro in diesem Jahr eine neue Rekordsumme. Im Hauptwettbewerb konkurrieren zehn aktuelle europäische Filme um den Publikumspreis Der HEINRICH und den Volkswagen Financial Services Filmpreis. Ein Großteil der nominierten Geschichten handelt von Problemen, die im Leben von Millennials auftreten. Beide Preise sind mit 10.000 Euro dotiert und werden vom Hauptsponsor Volkswagen Financial Services gestiftet. Der HEINRICH feiert zudem sein 25-jähriges Jubiläum.
Das diesjährige Special „Focus on Animation“ spiegelt sich bereits im Eröffnungsfilmkonzert zum Animationsfilm „Die rote Schildkröte“ wider und auch die anderen Kategorien trumpfen mit echten cineastischen Perlen auf. Das Neue Internationale Kino zeigt 19 Filme aus 18 verschiedenen Ländern. Das Thema Emanzipation fungiert dabei als roter Faden. In der spanischen Komödie „Mamacruz“ (Neues Internationales Kino) etwa biegt eine religiöse 70-jährige Katholikin im Internet aus Versehen falsch ab und landet auf einer Pornoseite, plötzlich lebt ihr sexuelles Verlangen neu auf. Regisseurin Patricia Ortega ist für Die TILDA, den Preis für Nachwuchsregisseurinnen, nominiert. Auch eine Koproduktion zwischen dem Jemen, Saudi-Arabien und dem Sudan ist mit dabei (The Burdened): Eine fünfköpfige Familie lebt bereits am Existenzminimum, als ein viertes Kind unterwegs ist. Abtreibungen sind jedoch verboten…
Bei den Neuen Deutschsprachigen Filmen treffen wir auf eine Hannah Herzsprung, die sich als Pianistin und verurteilte Mörderin nach ihrem Gefängnisaufenthalt als Putzfrau durchschlägt (15 Jahre).
In der Heimspiel-Reihe steckt wie gewohnt ein Stückchen Region. So zeigt das BIFF beispielsweise die Musical-Komödie „Living Your Life“ des Celler Regisseurs Sven Molke. In dem Film tauschen eine Karrierefrau und eine Musicaldarstellerin die Körper.
„Vika!“ sticht wohl unter den Internationalen Dokumentarfilmen am deutlichsten heraus. Die polnisch-deutsch-finnische Koproduktion begleitet die 84-jährige Vika, die als DJ noch immer in der Warschauer Clubszene aktiv ist.
Die Doku „Holy Shit“ geht in der Reihe Green Horizons der Frage nach, wie aus menschlichen Exkrementen wertvolle Rohstoffe werden können, die Stimme von Christoph Maria Herbst begleitet dabei aus dem Off.
Zusammen Kino genießen
Nach pandemiebedingten Hybridformaten findet das BIFF nun wieder ausschließlich in Präsenz statt. Wie der Vorstandsvorsitzende des Filmfest-Vereins, Thorsten Rinke, betont, wolle man sichtbar sein in der Stadt, da die Lage der Kinos bundesweit angespannt sei.
Die Sichtbarkeit funktioniert auch über die Festivalwoche hinaus. Insgesamt 36 Events gab und gibt es über das Jahr verteilt, darunter Sonderscreenings im Planetarium Wolfsburg, der urbane Kurzfilmspaziergang „A Wall Is A Screen“ oder das Sonderscreening zur Braunschweiger Literaturzeit, in dem Rahmen läuft am 4. November im Roten Saal die Filmadaption des dänischen Romans „Nichts – Was im Leben wichtig ist“.
Sonderveranstaltungen garnieren ebenso während des Festivals das filmische Programm. So wird es neben der Preisverleihung beispielsweise eine Podiumsdiskussion über gerechte Arbeitsbedingungen in der Filmbranche geben. Außerdem geht es nach der Deutschlandpremiere des belgisch-niederländischen Biopics „Zillion“ über einen Nachtclub-Besitzer ins brain zur Trance- und Technoparty. Wie gewohnt stehen zudem wieder das Kurzfilmfrühstück auf dem Plan sowie Vorführungen am Vormittag für Schulklassen. Das Geschehen spielt sich in der gesamten Stadt ab, natürlich in den Kinos, unter anderem aber auch im Städtischen Museum, im LOT-Theater oder in der Petrikirche.
Und so steht Braunschweig zum 37. Mal im Spotlight und liefert uns bis zum 12. November anregende Gespräche, Emotionen und große Geschichten.
Fotos Andreas Rentz – Getty Images, Deckert Distribution GmbH