Süßes oder Saures

Vom keltischen Brauch zum zuckersüßen Gruselevent

Dingdong, dingdong! Wer wagt es, während der heiligen Abendbrotszeit an der Bimmel zu läuten? Der Kalender zeigt den 31. Oktober an, draußen dunkelt es bereits und Kamingeruch liegt in der kalten Luft. Vor der Tür von Herrn Schlagowski-Zeisig, einem 47-jährigen Lehrer aus dem Braunschweiger Speckgürtel, tummeln sich über den Abend verteilt immer wieder Gruppen junger Leckermäuler, verkleidet als Beelzebub, Gevatter Tod, auch Darth Vaper aus dem Kultfilm „Startrek“ ist hier und da mit von der Partie. Gemeinsam wollen sie den Hausbewohnern das Fürchten lehren, um sich die von ebenjenen vorsorglich an der Tür drapierten Süßspeisen zu erpressen! Ein kleines Gedicht, ein frecher Spruch – meist reicht das aus, um die Gunst des Gastgebers für sich zu gewinnen. Rulf Schlagowski-Zeisig ist seit Kindertagen ein enthusiastischer Anhänger des schaurigen Brauchs. Seit er aus Altersgründen nicht mehr selber von Haus zu Haus tingeln kann, partizipiert er als Gegenpart an den Feierlichkeiten. Schon lange bevor sich der Oktober seinem Ende zuneigt, beginnen bei ihm die Vorbereitungen. Jedes Jahr lässt er sich eine aufwendige Kostümierung einfallen, um die Gruselbarden vor seiner Tür in Angst und Schrecken zu versetzen! Das hat sich rumgesprochen und so etablierte sich unter den Kindern ein Besuch beim Braunschweiger Lehrer als alljährliche Mutprobe. Manchmal lässt sein Eifer Schlagowski-Zeisig jedoch über das Ziel hinausschießen, wie im letzten Jahr, als ein besonders geschmackloses Kostüm die Nachbarschaft in Aufruhr versetzte (Foto). Dann kann es schon mal vorkommen, dass sich entrüstete Eltern Schlagowski-Zeisig in Anbetracht ihrer verstörten Kinder zur Brust nehmen. Stoppen lässt er sich davon aber keineswegs und so können sich Freunde des Grusels auch in diesem Jahr auf einen schaurigen Nervenkitzel an der Haustür Schlagowski-Zeisigs freuen.

Text & Grafik Sven Gebauer