Wie eine Online-Rap-Orchester-Session sexistischen Missständen an den Kragen geht.
Machiavelli“ ist der Name eines Podcasts, der die selbstgesteckte Zielgruppe der Rapnerds und Politikheads gleichzeitig abholen soll und hochkarätige Gesichter beider Couleur in seinen Folgen in die Mangel nimmt. Zu Gast waren hier viele mit Rang und Namen: Annalena Baerbock, Jan Delay oder Omid Nouripour. Daneben stehen die Machiavelli-Sessions als Crossover zwischen Synfonie-Orchester und Rap, bei denen ebenfalls klangvolle Namen wie Nura oder OG Keemo das Mic in die Hand nahmen. Im März erschien die Session unter der Flagge Female Empowerment und featurte fünf aufstrebende Rapperinnen. Eine von ihnen ist die Wienerin Eli Preiss, die mit ihrem Part über Erfahrungen mit Sexismus innerhalb und außerhalb des Rap-Kosmos abrechnet.
Mutter, die Frau mit dem R&B ist da.
Eli, die auf knallende, zeitgemäße Instrumentals nicht nur rappt, sondern auch durch R&B-Gesang und -Attitüde ihren Flavour reinbringt, veröffentlichte am 21. April das ganz frische zweite Studioalbum „b.a.d.“. Ein zuweilen düsterer Sound legt sich zu teils ungewöhnlich nihilistischen Messages, versprüht in Tracks wie der letzten Singleauskopplung „Was ist der Prei$$“, Botschaften der Enttäuschungen in einer romantisiert dargestellten und von fetischisiertem Materialismus ausgezeichneten Branche. „Für mich hat sich einfach rauskristallisiert, dass mein Wert woanders liegt“, so Eli. „Viele Leute in unseren Breitengraden sind in dieser Gesellschaft aufgewachsen, die einem dann attestiert, etwas erreicht zu haben, sobald man seinen Ferrari hat, viel Geld hat und fame ist. Auch wenn ich mich umschaue in der Rapszene, ist das Flexen mit Habgut schon eine große Sache und prinzipiell habe ich nichts dagegen. Es ist mir letztlich scheiß egal, was andere Leute machen. Ich wollte aber mal was anderes auf den Tisch bringen. Dieses ‚Schau mal was ich hab‘ wurde jetzt oft genug behandelt und ich wollte eher sagen, dass es nicht alles ist, etwas zu besitzen. Und was ist der Preis davon, was ist der Preis von Fame und solchen Sachen?“
„[Ich War] 18 als es hieß, du schaffst es nur halbnackt oder nie. // In vielen Köpfen sind wir unmenschliche Puppen auf Knien“, das ist eine von Elis schonungslosen Lines aus der Machiavelli Session. „Es ist wirklich schön, dass ich mit diesem Thema auch mal ein bisschen Reach bekommen konnte“, so die 24-Jährige. Trotzdem übte sich Eli über die längste Zeit ihrer Karriere darin, nicht zu früh ihr Pulver zu verschießen: „Es gibt viele Missstände in der Szene, vor allem auch als Frau. Wenn man da sofort seine ganzen Karten ausspielt und Rants auf Social Media macht, weiß ich nicht, ob das langfristig wirklich die beste Lösung ist, das was wirklich etwas verändert. Ich habe mir in dem Sinne vorgenommen, viel durch meine Songs und mein Dasein und in der weiteren Folge hoffentlich auch durch meinen Erfolg oder der ‚Macht‘, die ich bekomme, etwas Gutes leisten zu können.“ Und so fasst Eli es doch schlussendlich recht optimistisch zusammen: „Ich bin eine Person, die Lösungen sucht und sich weniger beschwert.“
Das Flexen mit Geld und dem, was man davon kaufen kann
Ein problematisches Machtgefälle zwischen Männern und Frauen im Business reproduzierte sich in Raptexten bisher auch dadurch, dass in Lyrics von Rappern das Protzen mit Besitztümern praktisch nahtlos andockt an den eigenen ausgestellten Erfolg bei Frauen. „Man kann natürlich über Frauen und Sex in seinen Tracks sprechen, über seine Sexualität und Encounters mit anderen Personen.“, so Elis Statement. „Wann ich mich aber immer unwohl fühle, ist wenn ich das Gefühl kriege, ich werde als ein materielles Objekt bezeichnet. Wenn ich als Frau genannt werde neben einer Rolex und einem Haus, als wäre ich kein Mensch. Ich bin mir sicher, fast jeder dieser Rapper hatte schon mal romantische Gefühle einer Frau gegenüber und mochte sie und ihre Identität, ihre Art. Ich fänd es einen cooleren Flex, wenn man darüber spricht, dass die eigene Freundin cool ist, klug ist, oder die Badeste von allen. Es gibt so viele Arten zu sagen, dass dieses eine Girl vielleicht besonders nice ist und so. Es ist einfach komisch, wenn man sagt, dass Frauen alle gleich seien und die Hauptsache wäre, dass man irgendwelche Bitches hat.“
Für Politikheads und Rapnerds
Irgendwie ironisch wie sich der Kreis zum im 15. Jahrhundert wirkenden Niccolò Machiavelli schließt, dem historischen Namensgeber von Podcast und Rapsessions. Unter Machiavellismus versteht man eine negativ konnotierte politische Theorie, welche zugrunde legt, dass letztlich die Machthabenden ihre Politik einzig und allein ihrem eigenen Machterhalt widmen: Frei von Moral oder Ethik, durch unkontrollierten Machtgebrauch mit aller Gewalt. Doch sieht man den Erfolg von neuen Artists der Szene, so merkt man auch: Der Thron und die ‚Macht‘ des etablierten Tons wanken ein bisschen. „Die coolsten Leute derzeit im Rapgame sind meiner Meinung nach diejenigen, die es neu und anders machen“, konstatiert Eli. „Zum Beispiel ein Makko redet urschön über Frauen, er hat so eine nice Art seine Gefühle auszudrücken. Parallel rücken einige große Artists von früher mehr in den Hintergrund. Das finde ich eine gute Entwicklung“, schließt Eli. In jedem Falle wird es knallen, wenn Eli Preiss ihr neues Album auf zahlreichen Festivalstages abfeuern wird. Und wo könnten gute Messages und Interpretinnen besser aufgehoben sein, als auf der großen Bühne?
Foto Jessie Way