Im Satire-Format „Kanaken und Kartoffeln“ begegnen sich Comedians mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, um über einander und sich selbst zu lachen.
Am 21. April kehren Fatih Çevikkollu, Osan Yaran und Eva Karl Faltermeier im Lessingtheater Wolfenbüttel ein, um in kabarettistischer Form gemeinsam auf die kulturelle Vielseitigkeit Deutschlands zu schauen. Wir durften schon im Vorhinein mit Fatih und Eva sprechen und uns ein Bild von ihrem Werdegang, ihrer Weltsicht und ihrem Humorverständnis machen.
Wie seid ihr zu Comedians bzw. Kabarettist:innen geworden?
Fatih Der Weg zu Kabarett und Comedy hat sich ergeben. Rückblickend sieht es vielleicht wie ein gerader Weg aus, aber die Wahrheit ist, der Weg verlief im Zickzack. Ich hatte immer schon den Wunsch, mit nichts außer dem gesprochenen Wort die Menschen zu unterhalten, zum Lachen zu bringen. Als ausgebildeter Schauspieler hatte ich immer Texte von anderen Autoren. Die Herausforderung im Kabarett ist es, mit eigenen Texten, aktuellen Bezügen und pointiert beschriebenen Zusammenhängen die Menschen zum Lachen zu bringen. Das hat mich immer sehr fasziniert. Das klappte von Anfang an ganz gut und so war ich dann irgendwann Kabarettist.
Eva Ich habe immer schon geschrieben – Kurzgeschichten, Texte und so weiter. Hauptberuflich war ich lange als Journalistin und Pressevertreterin tätig. Irgendwann – nach einer sehr schwierigen gesundheitlichen Zeit – habe ich mir gedacht: „Egal, ich probiere es jetzt aus!“, und bin als Kabarettistin in einem Gruppenkabarett auf die Bühne. Bald darauf habe ich es solo probiert. Und weitergemacht, obwohl bald nach der Selbstständigkeit die Pandemie kam und eine Scheidung.
Rassismus und Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund spielen leider nach wie vor gerade in Deutschland eine große Rolle. Sind Comedy und Satire ein gutes Mittel, um dem entgegenzuwirken?
Fatih Das gute an Comedy und Kabarett ist, dass es zum Lachen einlädt. Und Lachen ist die schönste Form des Kontrollverlusts. Im Lachen sind wir alle gleich und fühlen uns verbunden. Kabarett und Comedy kann im besten Fall für einen Moment lang ein Bewusstsein herstellen, die Aufmerksamkeit auf einen Blickwinkel lenken, der im besten Fall bereichernd ist. Ob das was verändern kann, weiß ich nicht, aber es kann sehr gut unterhalten.
Eva Ja, natürlich. Aber bei weitem nicht ausreichend. In meinem ersten Programm „Es geht dahi“ hatte ich das Thema „Alltagsrassismus“ in meinem Programm. Das hat die Menschen bewegt. Allerdings kam es auch zweimal vor, dass beleidigte Herren nach der Stelle lautstark aus dem Programm gestürmt sind. Die habe ich zwar nicht berührt und überzeugt – aber erreicht. Erst wenn man so richtig angefeindet wird für solche Inhalte, merkt man oft, wie notwendig sie sind.
Versteht Ihr euch als Vermittler:innen zwischen verschiedenen Kulturen?
Fatih Ich würde gerne mit dem Bild des Dazwischenstehens aufräumen. Wir hier in Deutschland haben durch die vielen Einflüsse eine zusammengewachsene Kultur entstehen lassen. Es ist für mein Empfinden weniger ein Vermitteln zwischen den Kulturen als ein Aufmerksam machen auf die gemeinsame Kultur, die wir hier in Deutschland leben. Ich zeige gern diese Vielfältigkeit.
Eva Ich kann nur offen sein und Unterstützung anbieten, da ich ja selbst keinen Migrationshintergrund habe. In meiner Familie gibt es viel ehrenamtliches Engagement und auch Familienmitglieder aus allen möglichen Ländern. Mir macht es Spaß, von deutschen/bayerischen Bräuchen und der Kultur zu erzählen. Das habe ich früher als „Deutsch als Fremdsprache“ Lehrerin gemacht – und jetzt spreche ich darüber manchmal auf der Bühne.
Was ist für euch Deutschland?
Fatih Deutschland ist für mich Heimat. Das Land, in dem ich geboren wurde und in das die Generation meiner Eltern richtig leckeres Essen gebracht hat. Vielen Dank an dieser Stelle dafür.
Eva Da ich in den Achtzigern Kind war und zum Mauerfall eingeschult wurde, war Deutschland für mich immer ein stabiles Land im steten Wandel – mit einer generellen Lernkurve im Hinblick auf Integration. Ich hoffe das bleibt so, trotz populistischer Parteien usw. Allerdings muss ich auch sagen: Ich wohne ja nicht in einer Großstadt im Norden, sondern auf einem Dorf in Bayern. Hier entwickeln sich Dinge natürlich anders als bspw. in Berlin. Das beobachte ich genau. Hier kann ich meinen Kindern auch durch Reisen zu Freunden nach Berlin, München oder Köln den Horizont öffnen. Und das machen wir auch gezielt. Diese Vielfalt ist für mich Deutschland. Man kann im Land bleiben und ganz unterschiedliche Kulturen und Lebensmodelle entdecken.
Hat Satire für euch eine Grenze? Und wenn ja, wo verläuft die?
Fatih Satire hat keine Grenzen, sondern Regeln. Wenn ich in einem Text oder auf der Bühne irgendein Thema behandle, ist es sehr wichtig, folgende Regel zu beachten: Je größer das Tabu, desto stärker der Gag. Ich kann jedes Thema behandeln, das ich möchte. Es ist nur wichtig, dass es clever aufgelöst wird.
Eva Ich trete nicht nach unten. Und ich bewerte keine Programme, die abgespielt sind. Menschen entwickeln sich, Humor entwickelt sich. In den 70ern haben Leute Dinge gesagt, die würde man heute – gottseidank – nicht mehr so sagen. Es gibt auch Humorist:innen, die waren früher liberaler als heute… Nichts ist in Stein gemeißelt. Offenheit in den 90ern entschuldigt keine Hetze 2023. Und andersrum. Ein altmodisches Wort in einem Stück von vor drei Jahren, das nicht mehr gespielt wird, das schockt mich nicht. Das habe ich im Journalismus gelernt: Immer zeitlich und im Zusammenhang einordnen. Nicht vorschnell Schlüsse ziehen. Nicht vorverurteilen. Ich bin daher vorsichtig bei kurzen Sequenzen aus ganzen Programmen. Reels etc. überspringen oft wichtige Herleitungen/ironische Einordnungen und so weiter. Ein Bühnenprogramm ist so vielschichtig. Eine Minute daraus sagt noch nichts über den:die Künstler:in. Heute wird gerne boulevardesque verkürzt/vereinfacht. Dieses Denken in Überschriften ist gefährlich. Ich liebe Humor, der Zeit bekommt, sich zu entwickeln. Und ich liebe Menschen, die gerne offen bleiben und dazulernen.
Pommes oder Bratkartoffeln?
Fatih Bratkartoffeln natürlich. Gerne mit roten Zwiebeln. Und wenn es dann dampfend auf dem Teller liegt. noch etwas Petersilie drüber. Das ist eine sehr, sehr leckere Kombination.
Eva Für mich auch Bratkartoffeln (lacht).
Wie viel Kartoffel steckt in euch?
Fatih Die Kartoffel in mir entdecke ich immer, wenn ich in die Türkei fahre. Wer in Deutschland sozialisiert ist, merkt in der Türkei sehr schnell, wo die Kartoffel steckt. Man muss sich einfach nur mal an einen Zebrastreifen stellen und versuchen, rüberzugehen. Die Kartoffel in mir sagt: „Wir haben Vorfahrt. Diese Autos müssen anhalten.“, und der Kanake in mir sagt: „Bleib einfach stehen, wenn du weiter leben willst.“
Eva Auf den ersten Blick: Unfassbar viel. Die Gegend in Bayern, aus der ich komme – die Oberpfalz – war ein armes Gebiet. Mit schlechtem Boden. Hier wuchsen früher hauptsächlich Kartoffeln. Die Originalküche ist daher extrem gemüse- und kartoffellastig. Fleisch gab es kaum. Würste waren schon ein Highlight. Und ich muss sagen: Ich liebe Kartoffeln, esse sie lieber als Brot. Aber wie viel stereotype „Kartoffel“ in mir steckt, das merkt man halt erst, wenn man die Privatperson hinter der Bühnenfigur kennenlernt. Und das ist nur wenigen Leuten vorbehalten.
Termin
21. April 2023 | Lessingtheater (WF)
lessingtheater.de
Fotos Stefan Mager, Florian Hammerich