Konzerte mit dem Klimaplus

Wer an Nachhaltigkeit denkt, hat oft Autos oder Avocados im Kopf, doch auch große Kultur- und Musikevents bieten massives Potential, umweltfreundlicher gestaltet zu werden.

Konzerte und Festivals sind etwas Wunderbares und der Blick auf den Kalender stärkt bereits jede Vorfreude auf einen Sommer voller Open-Airs und durchtanzten lauen Nächten. Doch sind gerade solche großen Events eines in der Regel nicht: Nachhaltig. Catering und Gastronomie erzeugen viel Müll, große professionelle PA-Anlagen zur Beschallung verbrauchen reichlich Strom, viele Fans kommen mit dem Auto, und, und, und… Doch wo kaum Angebot, kann nicht nachgefragt werden, denn im Gegensatz zur heimischen Photovoltaik-Anlage wird es knifflig, sich seinen eigenen Harry Styles auf die Dachterrasse zu stellen. Doch wo Schatten ist, da ist auch Licht: Einige große Artists engagieren sich bereits für Konzepte, ihre Touren weniger energieintensiv und ökologisch nachhaltiger abzuspielen.

 

Große Kaliber
So wurden etwa vergangenen Touren von Harry Styles, The 1975, Lorde oder Tame Impala insgesamt (inklusive CO2 Kompensation) mit einer positiven CO2-Bilanz beendet. Außerdem wurde vermehrt auf pflanzliche Kost gesetzt, Einwegplastik reduziert und Upcycling-Merchandise verkauft. Dieses Engagement wurde durch eine Kooperation mit der Nichtregierungsorganisation „Reverb“ umgesetzt, welche es sich bereits seit 2004 zur Aufgabe macht, Konzerte grüner zu gestalten. Erst jüngst, im Februar 2023, verstärkte die „Universal Music Group“ als globales Schwergewicht im Musikvertrieb seine Zusammenarbeit mit Reverb und verkündigte medienwirksam, jährlich einen Award für messbare Erfolge bei der Umsetzung von nachhaltigeren Konzerten auszuloben. Die erste Preisträgerin ist jemand, die in den letzten Jahren gerne mal den ein oder anderen Preis gewonnen hat: Billie Eilish.

Forschungsergebnisse made in Berlin
Auch in Deutschland gibt es Bewegung bei diesen Themen: Die in Berlin ansässige „Cradle to Cradle NGO“ arbeitet an einem Guidebook, welches im Frühjahr 2023 erscheinen wird. Dieses fußt auf ausgewerteten Daten, die während drei abgehaltenen Konzerten der Ärzte und Toten Hosen auf dem Tempelhofer Flugfeld in Berlin in einem quasi-Reallabor gesammelt worden sind. Hier wurden vielfältige Maßnahmen umgesetzt, die getreu dem Namen der NGO „Cradle to Cradle“ zu Deutsch also „von der Wiege in die Wiege“ eine ökologisch sensible Kreislaufwirtschaft aufbauen sollen. Die Messungen sollen anderen Veranstaltenden weltweit in Form besagter Guidebooks zur Verfügung gestellt und so zu einer Blaupause werden, um die Pionierarbeit des Labors Tempelhof fortzusetzen. Die Ärzte und Hosen spielten bei diesen Events etwa ausschließlich mit Ökostrom, es wurde Bier angeboten, welches unter Zuhilfenahme alter Brotreste gebraut wird, Printprodukte wie Flyer wurden mit kompostierbarer Farbe gedruckt, etc.

Rückenwind von Oben
Das Engagement wird von der Politik gewürdigt: „Cradle to Cradle ist ein wichtiger Baustein, um unsere Umwelt klima- und ressourcengerecht zu gestalten.“, so Sören Bartol, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und holt weiter aus: „In Zeiten von Materialengpässen wird besonders offensichtlich, dass wir uns nicht mehr erlauben können, wertvolle Materialien wegzuwerfen und wie wichtig es ist, bereits verwendete Ressourcen durch eine geschlossene Kreislaufwirtschaft wiederzuverwerten.”
Nora Sophie Griefahn, eine der Geschäftsführenden Vorstände von Cradle To Cradle macht deutlich, wofür die Testläufe der Konzerte stellvertretend weitreichenden Impact haben können: „Das Labor Tempelhof ist mehr als vier Konzerte“, so Griefahn auf dem Instagram-Kanal von C2C. „Mit dem Projekt wollen wir zeigen, was bereits heute mit Cradle to Cradle möglich ist und wo wir auf dem Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft momentan stehen. Wir wollen Impulse in die Politik und Wirtschaft geben und zum Umdenken anregen.“

Dranbleiben!
Wie so oft, sind es die berühmten ersten Schritte ins Unbekannte, für die es Mut und Willen braucht. Pionierarbeit, an der sich in Zukunft andere ein Beispiel nehmen können. Weil sich ein State-of-the-Art, wie Kulturveranstaltungen auszusehen haben, eben wandeln kann – und muss, wenn gesamtgesellschaftlich nachhaltig gewirtschaftet werden soll. Nachhaltige Aspekte sollten eben nicht exklusiv für neue Konzepte im Individualverkehr oder der Energieindustrie einbezogen werden: Auch auf dem nächsten Konzert unserer Lieblingsband darf gerne ökologisch mitgedacht werden. 

Fotos Halfpoint, themorningglory-stock.adobe.com

Vergiss nicht, abzustimmen.
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Simon Henke

Geschrieben von Simon Henke

Die nackte Wahrheit: Mario Bekeschus

Nachhaltig mit Druck!