Ständig gibt es etwas Neues, das wir haben müssen und so gleicht das Leben einer endlosen Shopping-Tour.
Das neueste Gadget, die angesagten Sneaker oder diese Tasche aus dem aktuellen TikTok-Trend: Der Durchschnittseuropäer besitzt mal eben locker 10 000 Gegenstände. Wie die kleine Raupe Nimmersatt kriegen wir den Hals nicht voll und kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, mit Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht kennen.
Darunter leidet nicht nur unser Bankkonto, sondern auch unser Planet. Allein Deutschland verbraucht so viele Ressourcen, dass drei Erden nötig wären; in den USA wären es sogar fünf. Der Erdüberlastungstag rückt von Jahr zu Jahr näher und fiel 2022 in Deutschland bereits auf den 4. Mai. An diesem Tag haben wir als Bevölkerung alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die die Erde innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann. Unser Ressourcenverbrauch wird dabei nicht nur davon beeinflusst, welches Auto wir fahren, ob wir Fleisch essen oder vegan leben. Auch unser tägliches Kaufverhalten entscheidet über die Menge an verbrauchten Ressourcen, weshalb wir einmal mehr darüber nachdenken sollten, bevor wir beim Online-Shopping einfach auf „Kaufen“ klicken.
Fass ohne Boden
Natürlich kann man sich auch mal was gönnen, aber ich spreche von dem ganzen Kram, der als Ergebnis von Impulskäufen eh nie wieder benutzt wird und zu Staubfängern mutiert. Dinge aus der Kategorie „Das kann ich bestimmt irgendwann mal gebrauchen und deshalb behalte ich es lieber“, „Aber wenn ich noch diese eine Sache habe, dann habe ich wirklich alles, was ich brauche und werde endlich glücklich sein.“ Leider funktioniert das so aber nicht. Stattdessen beginnt die Suche nach der nächsten Sache, die das große Glück verspricht und alles, was wir besitzen, besitzt irgendwann uns.
Dabei machen es uns Marketingprofis und Influencer:innen aber auch nicht leicht und erschaffen auf verführerische Art und Weise einen Schein von Bedürfnissen, bis wir glauben, das alles auch wirklich zu brauchen. Naja, der Eierschneider hat aber auch wirklich mein Leben verändert. Mit Sicherheit. Und falls man doch mal einen Trend verpasst, gibt es keinen Grund zur Panik. Nächste Woche ist eh wieder was Brandneues en vogue, das jede:r unbedingt haben muss. Und alles, was nach einer Woche schon wieder aus der Mode gekommen ist, landet in den Untiefen unserer Schränke oder im Müll.
Dabei konsumieren wir nicht nur Gegenstände wie Kleidung, sondern auch Substanzen, Medien und sogar Beziehungen – oftmals in der Hoffnung, dass uns das glücklich macht. Aber warum konsumieren wir ständig so viel von allem Möglichen? Das hat viele verschiedene Gründe und der Kaninchenbau ist verdammt tief. Der Konsum und die Dinge selbst sollen eine Leere füllen oder der Ablenkung dienen, damit man sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen muss. Aber auch für dieses wunderschöne High, für den Dopaminkick, der sich nach einer erfolgreichen Shopping-Tour einstellt. Vielleicht sollte weniger von einer Konsumgesellschaft und eher von einer Rauschgesellschaft die Rede sein.
Hauptsache irgendetwas fühlen, solange es nur keine unangenehmen Gefühle sind. Prokrastination ist dafür ein Paradebeispiel. Student:innen setzten häufig auf YouTube-Videos statt auf die Prüfungsvorbereitung. Das ist nämlich in den meisten Fällen ein eher unangenehmes Gefühl, das es zu vermeiden gilt. Trotzdem fühlt man sich am Ende des Tages schlecht, weil man wieder nichts geschafft hat. Dieses schlechte Gefühl führt allerdings zu noch mehr Konsum und es entsteht ein Teufelskreis, wie er im Buche steht.
Dankbarkeit statt Kaufrausch
Negative Gefühle gehören aber nun mal genauso zu unserem menschlichen Dasein dazu wie positive Gefühle. Es mag zwar cheesy klingen, aber Glücklichsein ist eine innere Einstellung, kann niemals im Außen gefunden werden und hat paradoxerweise auch wenig mit Glück zu tun. Natürlich klingt das jetzt super utopisch. „Such dein Glück im Inneren“. Wenn das nur so einfach wäre. Aber auf lange Sicht ist es deutlich günstiger und ressourcenschonender als der nächste Kaufrausch.
Helfen können dabei zum Beispiel Dankbarkeitsübungen. Für welche drei Dinge bist du heute dankbar? Das können die einfachsten Dinge sein wie Dankbarkeit für den ersten Kaffee am Morgen, die Lieblingssonnenbrille, die auf dem Weg zur Arbeit oder Uni vor der Frühlingssonne schützt, oder ein Abendessen mit Freund:innen. So kann der eigene Fokus Stück für Stück auf die positiven Dinge im Leben gelenkt werden, die man bereits hat und lernt, diese mehr wertzuschätzen. Gleichzeitig konzentriert man sich so weniger auf die Dinge, die man nicht hat.
Natürlich ist die Transformation von Konsumopfern zu Hardcore-Minimalisten, die nur noch das Nötigste besitzen, nicht so einfach. Vielleicht muss das auch gar nicht unbedingt das Ziel sein. Es kann schon einen großen Unterschied machen, sich vor der nächsten Kaufentscheidung die Frage zu stellen, ob man das Objekt der Begierde wirklich braucht. Falls einen dann aber doch mal zum Beispiel das Bedürfnis nach etwas frischem Wind im Kleiderschrank überkommt, könnten statt 0815-Modeketten diverse Second-Hand-Läden oder -Apps durchstöbert werden, welche oftmals einzigartige Schätze bereithalten. So bekommt der Kleiderschrank auch eine einzigartige Note und man trägt nicht das, was jede:r Zweite hat. Obendrein macht das Stöbern nach einzigartigen Stücken viel mehr Spaß und ist für die Umwelt und das Gewissen sowieso die bessere Alternative.
Statt immer nur zu konsumieren und zu nehmen, wäre es vielleicht auch mal ganz schön, selbst etwas zu geben. Ich weiß, ein total absurder Gedanke: Geben – was habe ich davon? Das Strahlen auf Muttis Gesicht zu sehen, wenn sie auch abseits des Muttertags mal einen Blumenstrauß und einen dicken Schmatzer bekommt – denn geteilte Freude ist doppelte Freude. Und statt weiterem Firlefanz ist ein bisschen Qualitiy-Time als Geschenk auch deutlich schöner, oder? Am Ende des Tages kommt es schließlich auf die Dinge an, die wir mit geliebten Menschen erleben und weniger auf die Dinge, die sich in unseren Schränken anhäufen.
Foto simona-stock.a dobe.com