Warum Trash-TV trotz all seiner demütigenden Oberflächlichkeit leider geil ist.
Es ist Mittwoch- oder Donnerstagabend, eine neue Folge von „Der Bachelor“ oder „Germany‘s Next Top Model“ läuft. Einschalten ist ein Muss, es gleicht schon fast einer Tradition. So fing alles an, doch inzwischen muss ich mich dank RTL+ oder Joyn nicht mehr nach festen Sendezeiten richten, sondern kann mich der Belanglosigkeit genussvoll hingeben, wann ich will. Für Reality-TV-Fans ist das ein absoluter Segen, die ganze Bandbreite an Trash-Formaten auf einem Schlag parat zu haben und permanent einen Reality-TV-Marathon starten zu können. Was will man mehr?
Vor allem in letzter Zeit habe ich ein besonderes Faible für „Temptation Island“ entwickelt. Aber keine Sorge – „Are You The One?“ oder „Ex on the Beach“ müssen jetzt deshalb nicht kürzertreten. Was ich persönlich an diesen Shows so schätze, ist die pure Eskalation. Alles, was ich sehe, ist ein Feuerwerk der Skandale: übermäßiger Alkoholkonsum, zügelloses Verhalten, Liebesdramen en masse, Next-Level-Sexualisierung und Z-Promis außer Rand und Band. Fremdscham und Faszination treffen sich – eine gefundene Symbiose. Doch noch mehr liebe ich die immer häufiger aufkommenden exklusiven VIP-Formate der Trash-TV-Welt, denn diese versprechen noch krassere Dramen und dementsprechend noch mehr Gesprächsstoff für den nächsten Tea-Talk mit den Girls. Die Promi-Container haben es gewaltig in sich und wir alle kennen die berühmt berüchtigten Floskeln der Kandidat:innen: „Der ist so ein Showmaker“, „Du willst nur Sendezeit“ oder „Ist die nervig, wann fliegt die endlich?“. Sobald solche Sätze fallen, weiß jede:r: Ok, it’s Showtime, jetzt wird es prollig und pikant. Aber warum sind es gerade diese Neandertaler-Momente, die so bocken?
Vielleicht könnte man diese Faszination mit einem Verkehrsunfall vergleichen – man möchte zwar nicht hinschauen, aber irgendwie tut man es eben doch. Ja, es ist unangenehm, irgendwie unaushaltbar und trotzdem einfach spannend. Denn wenn uns eines richtig kickt, ist es das Eindringen ins Privatleben anderer, um deren Intimitäten hautnah mitzuerleben, bis man Material zum Einmischen hat. Neugierig ist fast jede:r und wenn uns dann noch zigfache Skandal-Momente durch unzählige Reality-Shows vorgesetzt werden, kommt erfreut der Voyeur ins uns zum Vorschein.
Wir wissen zwar irgendwie alle, dass die Kandidat:innen in vielen Fällen letztendlich auch nur Schauspieler:innen sind, trotzdem sind viele nach wie vor geschockt, wenn sie checken, dass Reality-TV oft gescripted ist. Die Autor:innen solcher Formate wissen nun mal, wie sie eine Realität täuschend echt zu inszenieren haben. Wiederzusammentreffen der unter sich bekannten Promis und die sozialen Dynamiken der Truppen bieten einen zusätzlichen Nährboden für Konflikte, Intrigen und Nervenzusammenbrüche. Die Produzent:innen spielen mit der Spannung und dem lodrigen Feuer zwischen den Teilnehmer:innen und triggern somit auch uns Zuschauer:innen.
Um den Spannungsbogen hochzuhalten, ist auch die Quoten-Zicke von hoher Relevanz – egal, ob männlich oder weiblich. Sie ist immer da, fliegt eigentlich nie raus und sorgt für massenhaft Action. Wir Zuschauer:innen hassen und lieben sie zugleich, denn sie sorgt für reichlich Reibungspotenzial, welches unentbehrlich für uns ist. Es sind gerade diese Attribute, die Trash-TV mit seiner vollen asozialen Attraktivität zu unserem Guilty Pleasure werden lässt. Zwar mögen viele denken: Asoziales, mehrwertloses Fernsehen ist auch nur etwas für die Einfacheren unter uns. Doch das Vergnügen an Trash-TV ist nicht unbedingt eine Frage der Bildung, vielmehr genießen die Zuschauer:innen häufig die Distanz vom eigenen zum präsentierten Verhalten und finden in vulgären Formaten einen Ort zum Abschalten. Das bedeutet, insbesondere intelligente Menschen gucken gern Trash-TV. Das hat zumindest Filmwissenschaftler Keyvan Sarkhosh vom Max-Planck-Institut herausgefunden.
Das überladene Angebot an Reality-Shows kann man den Sendern nicht verübeln, immerhin wünschen und suchen wir uns dieses niederschwellige Extrem. Trotzdem sollten wir uns den teilweise grenzwertigen Inhalten bewusst sein. Ob man es glaubt oder nicht, im Endeffekt sagt die allgegenwärtige Begeisterung für Trash-TV mehr über uns als Gesellschaft aus als über die Formate selbst.
Text Antonia Gabarda Crespo
Fotos RTL, Markus Hertrich